Unipolare Major Depression bei Erwachsenen

Antidepressiva: Wirksamkeit und Akzeptanz schwanken im Head-to-Head-Vergleich


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Die Major Depression gehört zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen bei Erwachsenen. Die eingesetzten Antidepressiva stammen aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen. Doch welche sind am wirksamsten und am besten verträglich? Die Autoren einer im Lancet erschienenen Metaanalyse verglichen Studien mit Antidepressiva untereinander.

Therapieziele bei einer unipolaren Depression sind laut Leitlinie [2]:

  • Vermindern der Symptome der depressiven Störung und Erreichen einer vollständigen Remission
  • Verringern der Mortalität (insbesondere durch Suizid)
  • Wiederherstellen der beruflichen und psychosozialen Leistungsfähigkeit und Teilhabe
  • Wiedererreichen des seelischen Gleichgewichts
  • Reduzieren der Wahrscheinlichkeit eines direkten Rückfalls oder einer späteren Wiedererkrankung

Es stehen nicht-pharmakologische und pharmakologische Therapieoptionen zur Verfügung. Die wichtigsten Substanzgruppen der Antidepressiva sind trizyklische (und tetrazyklische) Antidepressiva (TZA) bzw. nichtselektive Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NSMRI), selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI), Monoaminoxidase-Inhibitoren (MAOI), selektive Serotonin-/Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSNRI), Alpha-2-Rezeptor-Antagonisten und selektive Noradrenalin-Dopamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (beide Wirkprinzipien in Bupropion vorkommend) sowie Melatonin-Rezeptor-Agonisten (MT1/MT2) und Serotonin-5-HT2C-Rezeptor-Antagonisten (beide Wirkprinzipien in Agomelatin vorkommend) [2].

Die Verschreibung von Antidepressiva sollte wie grundsätzlich anhand der besten verfügbaren Evidenz erfolgen. Es gibt den Autoren der vorliegenden Analyse zufolge jedoch eine lang anhaltende Debatte hinsichtlich der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antidepressiva.

21 Antidepressiva verglichen

Für ihre Netzwerk-Metaanalyse durchsuchten die Autoren verschiedene Datenbanken (Tab. 1). Eingeschlossen wurden Placebo-kontrollierte Studien und Head-to-Head-Vergleiche mit 21 Antidepressiva der ersten und zweiten Generation, die zur akuten Behandlung von Erwachsenen (18 Jahre alt, beide Geschlechter) eingesetzt worden waren. Die Studienteilnehmer mussten eine schwere depressive Störung nach standardisierten Kriterien aufweisen. Ausgeschlossen wurden quasi-randomisierte oder unvollständige Studien, und solche, bei denen 20% der Teilnehmer eine bipolare Störung, psychotische oder behandlungsresistente Depression oder eine schwere Begleiterkrankung hatten.

Tab. 1. Studiendesign [nach Cipriani et al., 2018]

Erkrankung

Major Depression

Studienziel

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antidepressiva im Vergleich

Studiendesign

Metaanalyse

Durchsuchte Datenbanken

Cochrane Central Register kontrollierter Studien; CINAHL (Cumulative Index to Nursing & Allied Health Literature); Embase; LILACS-Datenbank (Latin American and Caribbean Health Sciences Literature); Medline; Medline In-Process; PsycINFO; Websites der Zulassungsbehörden; internationale Register für veröffentlichte und unveröffentlichte, doppelblinde, randomisierte kontrollierte Studien

Sponsor

Metaanalyse: National Institute for Health Research Oxford Health Biomedical Research Centre and the Japan Society for the Promotion of Science

Einbezogene Studien: 78% gesponsert von pharmazeutischen Firmen

Studienregisternr.

CRD42012002291 (PROSPERO)

Primäre Endpunkte waren die Wirksamkeit (Ansprechrate) und die Akzeptanz (Therapieabbrüche).

Studienergebnisse

Die Autoren identifizierten 28552 Publikationen. In die Analyse wurden 522 randomisierte, kontrollierte Studien mit insgesamt 116477 Teilnehmern einbezogen. Die Studien waren von 1979 bis 2016 mit 21 verschiedenen Antidepressiva bzw. Placebo durchgeführt worden. 87052 Teilnehmer waren einem aktiven Arzneimittel und 29425 Placebo zugewiesen worden. Das Durchschnittsalter betrug 44 Jahre; 62% der Teilnehmer waren Frauen. Die mediane Dauer der Akutbehandlung betrug acht Wochen.

46 der 522 Studien (9%) zeigten ein hohes Verzerrungspotenzial, 380 (73%) ein mäßiges und 96 (18%) ein niedriges. Die Evidenzlage war moderat bis sehr niedrig.

Untersuchte Antidepressiva waren stets wirksamer als Placebo

Für den Vergleich „Antipressivum versus Placebo“ wurden 432 Studien eingeschlossen. Alle untersuchten Antidepressiva waren wirksamer als Placebo, mit Odds-Ratios (OR) zwischen 2,13 (95%-Wahrscheinlichkeitsintervall [CrI] 1,89–2,41) für Amitriptylin und 1,37 (95%-CrI 1,16–1,63 ) für Reboxetin.

Die größte Abbruchrate wies Clomipramin auf (OR 1,30; 95%-CrI 1,01–1,68). Nur Agomelatin (OR 0,84; 95%-CrI 0,72–0,97) und Fluoxetin (0,88; 0,80–0,96) waren mit weniger Therapieabbrüchen assoziiert als Placebo.

Je älter die Studie war, desto größer waren die berichteten Unterschiede zwischen Verum und Placebo.

Head-to-Head-Vergleich zeigt Unterschiede

Im Head-to-Head-Vergleich (Tab. 2) zeigten sich in den 194 einbezogenen Studien Agomelatin, Amitriptylin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin wirksamer als andere Antidepressiva (OR 1,19–1,96). Am wenigsten wirksam waren Fluoxetin, Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon (OR 0,51–0,84). In Bezug auf die Akzeptanz schnitten Agomelatin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin und Vortioxetin besser ab als andere Antidepressiva (OR 0,43–0,77). Die höchsten Abbrecherquoten zeigten Amitriptylin, Clomipramin, Duloxetin, Fluvoxamin, Reboxetin, Trazodon und Venlafaxin (OR 1,30–2,32).

Auffallend war, dass sich bei den Head-to-Head-Studien das neuere, experimentelle Arzneimittel stets signifikant wirksamer zeigte als die Kontrollsubstanz. Wurde dieser „Neuigkeitsaspekt“ in den Auswertungen berücksichtigt, reduzierten sich die Unterschiede zwischen den einzelnen Antidepressiva.

Fazit der Studienautoren

Alle identifizierten Antidepressiva zeigten sich bei Erwachsenen mit Major Depression wirksamer als Placebo. Im Head-to-Head-Vergleich schwankten Wirksamkeit und Akzeptanz je nach Arzneimittel und Vergleich.

Interessanterweise hatten Studien zu Depressionen bei Kindern und Jugendlichen ergeben, dass in dieser Patientegruppe Fluoxetin eines der wenigen wirksamen Antidepressiva war [1]. Ob diese abweichenden Resultate auf unterschiedliche Mechanismen bei einer Despression von Erwachsenen versus Jugendlichen zurückzuführen ist oder oder auf die geringere Anzahl an Studien bei Jugendlichen, beibt offen.

Quelle

Cipriani A, et al. Comparative efficacy and acceptability of 21 antidepressant drugs for the acute treatment of adults with major depressive disorder: a systematic review and network meta-analysis. Lancet 2018, Feb 21. doi: 10.1016/S0140–6736(17)32802–7. [Epub ahead of print].

Literatur

1. Cipriani, A, et al. Comparative efficacy and tolerability of antidepressants for major depressive disorder in children and adolescents: a network meta-analysis. Lancet 2016;388:881–90.

2. DGPPN, BÄK, KBV, AWMF (Hrsg.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, 2. Auflage. Version 5. 2015. DOI: 10.6101/AZQ/000364. www.depression.versorgungsleitlinien.de [Zugriff am 28.02.18].

Psychopharmakotherapie 2018; 25(02):81-90