Nichtansprechen auf Antidepressiva

Wechsel des Antidepressivums oder Augmentation bei Patienten mit Depression


Dr. Matthias Desch, Kogl b. Wien

Bei Patienten mit Major Depression, die auf eine dosisoptimierte Antidepressiva-Therapie unzureichend ansprechen, kann der Wechsel auf ein anderes Antidepressivum oder eine Augmentation mit einem zweiten Antidepressivum oder einem atypischen Antipsychotikum versucht werden. Diese Strategien wurden in einer dreiarmigen randomisierten Studie mit dem Antidepressivum Bupropion und dem atypischen Antipsychotikum Aripiprazol vergleichend untersucht.

Mehr als zwei Drittel der Patienten mit Major Depression (MD) erreichen mit der ersten pharmakologischen Therapie keine Remission. Viele Leitlinien empfehlen bei Nichtansprechen einen Wechsel auf ein anderes Antidepressivum oder eine Augmentation mit einem zweiten Antidepressivum beziehungsweise einem atypischen Antipsychotikum. In den USA durchaus gängig ist dabei der Wechsel auf den Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Bupropion oder eine Augmentation mit Bupropion oder Aripiprazol. Für dieses Vorgehen existieren aber bisher keine aussagekräftigen, kontrollierten Studien, lediglich kleinere Studien haben Hinweise auf eine Wirksamkeit ergeben. Um diese Ergebnisse zu untermauern, wurde mit VAST-D (Veterans affairs augmentation and switching treatments for improving depression outcomes) eine entsprechend gepowerte Studie initiiert, deren Resultate kürzlich veröffentlicht wurden [1].

Studiendesign

In die multizentrische, randomisierte und einseitig (Rater-)verblindete Studie wurden 1522 Patienten der US Veterans Health Administration (VHA) mit einer diagnostizierten MD aufgenommen. Die Teilnehmer waren mindestens 18 Jahre alt und sprachen unzureichend auf einen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) oder Mirtazapin in ausreichender Dosis und Therapiedauer an, die normalerweise eine Remission erwarten ließe. Ausgeschlossen waren unter anderem Patienten mit einer bipolaren Störung, Schizophrenie, schizoaffektiven Erkrankungen, anderen Psychosen, Demenz oder suizidalen Gedanken. Die Teilnehmer wurden über 12 Wochen 1:1:1 in folgende drei Gruppen randomisiert:

  • Arm A: Wechsel (Switch) auf Bupropion mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (n=511).
  • Arm B: Bisherige Therapie plus Augmentation mit Bupropion mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (n=506).
  • Arm C: Bisherige Therapie plus Augmentation mit Aripiprazol (n=505)

Dabei konnte je nach Ansprechen und Verträglichkeit Bupropion von 150 mg/Tag auf 300 mg bis 400 mg/Tag und Aripiprazol von 2 mg/Tag auf 5 mg, 10 mg oder 15 mg/Tag hochtitriert werden.

Visitationen erfolgten alle zwei Wochen. Patienten, die eine Remission erfuhren, konnten bei fortgeführter Medikation an einem 24-wöchigen Follow-up teilnehmen.

Der primäre Endpunkt war eine Remission, bestätigt durch den QIDS-C16-Score (siehe Kasten), der an zwei aufeinander folgenden Visitationen innerhalb der 12-wöchigen Behandlungsphase ≤5 Punkte sein musste. Sekundäre Endpunkte beinhalteten unter anderem ein Ansprechen auf die Therapie, definiert als eine mindestens 50%ige Reduktion des QIDS-C16-Scores im Vergleich zum Baseline-Wert und ein CGI-I-Score (Clinical global impression – improvement) von 2 (stark verbessert) oder 1 (sehr stark verbessert) während der Visitationen innerhalb der 12-wöchigen Behandlungsphase.

QIDS-C16

Der QIDS-C16 (16-Item quick inventory of depressive symptomatology – clinician rated) ist ein Fragebogen, anhand dessen der behandelnde Arzt den Schweregrad der depressiven Symptome beurteilt. In 16 Fragen geht es zum Beispiel um Schlafqualität, Appetit, Gewichtszunahme und -abnahme, Konzentrationsfähigkeit, Gemüt und suizidale Gedanken. Der Score reicht von 0 bis 27, je höher der Wert umso schwerer die Symptome.

Studienergebnisse

Am häufigsten waren die Patienten mit einem SSRI vorbehandelt (Sertralin 26,0%, Citalopram 25,2%, Fluoxetin 18,5%, Paroxetin 7,0%, Escitalopram 1,8%), gefolgt von den SSNRI Venlafaxin (13,3%) und Duloxetin (5,1%) sowie dem tetrazyklischen Antidepressivum Mirtazapin (3,1%). Der basale QIDS-C16-Score lag in Arm A und B bei jeweils 16,6; in Arm C bei 16,9. eine modale Tagesdosis von 400 mg wurde in beiden Bupropion-Gruppen nach sechs Wochen erreicht und bis Woche 12 beibehalten. In der Aripiprazol-Gruppe betrug die modale Dosis 5 mg/Tag von Woche 2 bis Woche 10 und 10 mg/Tag in Woche 12. Rund drei Viertel der Patienten beendeten die Studie erfolgreich, am häufigsten im Arm mit Aripiprazol-Augmentation (80,4%), gefolgt von Bupropion-Augmentation (74,7%) und Bupropion-Switch (69,1%).

Den primären Endpunkt, eine Remission, erreichten unter Aripiprazol-Augmentation 28,9%, unter Bupropion-Augmentation 26,9% und unter Bupropion-Switch 22,3% der Patienten. Der Unterschied war zwischen Aripiprazol-Augmentation und Wechsel auf Bupropion signifikant, mit einem relativen Risiko (RR) von 1,30 (p=0,02). Zwischen den beiden anderen Paarungen wurde keine Signifikanz erreicht (Tab. 1). Bei der Zeitspanne, bis eine Remission erreicht wurde, war zwischen allen drei Armen kein Unterschied zu erkennen.

Tab. 1. Ausgewählte Ergebnisse der VAST-D-Studie [1]

Parameter/Vergleich

Messwerte

Relatives Risiko (95%-KI)

p-Wert

Remission

Aripiprazol-Aug vs. Bupropion-Switch

28,9% vs. 22,3%

1,30 (1,05–1,50)

0,02

Aripiprazol-Aug vs. Bupropion-Aug

28,9% vs. 26,9%

1,08 (0,88–1,31)

0,47

Bupropion-Aug vs. Bupropion-Switch

26,9% vs. 22,3%

1,20 (0,97–1,50)

0,09

Therapieansprechen (QIDS-C16-Score)

Aripiprazol-Aug vs. Bupropion-Switch

74,3% vs. 62,4%

1,19 (1,09–1,29)

<0,001

Aripiprazol-Aug vs. Bupropion-Aug

74,3% vs. 65,6%

1,13 (1,04–1,23)

0,003

Bupropion-Aug vs. Bupropion-Switch

65,6% vs. 62,4%

1,05 (0,96–1,15)

0,29

Therapieansprechen (CGI-I)

Aripiprazol-Aug vs. Bupropion-Switch

79% vs. 70%

1,14 (1,06–1,22)

<0,001

Aripiprazol-Aug vs. Bupropion-Aug

79% vs. 74%

1,07 (1,00–1,14)

0,07

Bupropion-Aug vs. Bupropion-Switch

74% vs. 70%

1,07 (0,99–1,15)

0,10

Aug: Augmentation; KI: Konfidenzintervall

Das Therapieansprechen (mindestens 50% reduzierter QIDS-C16-Score) war unter Aripiprazol-Augmentation mit 74,3% signifikant besser als unter Bupropion-Switch (62,4%), beziehungsweise Bupropion-Augmentation (65,6%; Tab. 1). Der Unterschied zwischen den beiden Bupropion-Gruppen war nicht signifikant. Ähnlich sahen die Ergebnisse eines Therapieansprechens mittels CGI-I aus: Patienten des Ariprazol-Augmentation-Arms schnitten im Vergleich zu beiden anderen Armen signifikant besser ab (Tab. 1).

Alle Patienten, die eine Remission erreichten (n=396), nahmen an der Extensionsstudie teil. In der 24-wöchigen Follow-up-Phase kam es bei etwa einem Viertel der Patienten zum Wiederauftreten der Depression (Relapse), ohne signifikante Unterschiede zwischen den drei Studienarmen.

Die Studienmedikation wurde allgemein gut vertragen. Unter Bupropion wurde im Vergleich zu Aripiprazol vermehrt über Angst, reduzierten Appetit, trockenen Mund und erhöhten Blutdruck berichtet. Unter Aripiprazol wurde im Vergleich zu den beiden anderen Armen über Müdigkeit, Akathisie und Somnolenz, sowie erhöhten Appetit und Gewichtszunahme berichtet. Eine Gewichtszunahme von 7% oder mehr kam bei 9,5% unter Aripiprazol-Augmentation vs. Bupropion-Augmentation (1,9%) vs. Bupropion-Switch (2,3%) vor. Der Anteil der Patienten mit Gewichtszunahme erhöhte sich im Verlauf der Extensionsstudie noch weiter.

Fazit der Studienautoren

Die Ergebnisse dieser Studie belegen die Möglichkeiten, die in diversen Leitlinien zur Therapie von Nonrespondern bei Major Depression empfohlen werden. Bislang haben Daten für Aripiprazol und Bupropion als Augmentation zur bisherigen Therapie gefehlt. Dabei hat eine Augmentation der bisherigen Therapie mit Aripiprazol signifikante, aber nur moderat bessere Ergebnisse im Vergleich zur Augmentation mit Bupropion oder einem Wechsel zu einer Bupropion-Monotherapie gezeigt. Besonders bei den unerwünschten Wirkungen muss gerade unter Aripiprazol die Gewichtszunahme berücksichtigt werden, da diese Patienten besonders belasten kann.

Die Studie ist in einigen Punkten auch limitiert: Zum einen ist der Anteil der männlichen Studienteilnehmer (85%) aufgrund der Rekrutierungsquelle verhältnismäßig hoch. Dies entspricht nicht den Daten der Allgemeinbevölkerung, wo der Anteil an Frauen mit einer Major Depression viel höher ist.

Eine große Anzahl an Patienten hat die Einwilligung zur Teilnahme an der Studie aus diversen Gründen zurückgezogen, wodurch aufgrund fehlender Daten bei der Auswertung adjustiert werden musste. Zudem ist die Studiendauer relativ kurz. Ob die Effekte erhalten bleiben, müsste in weiteren Studien evaluiert werden. Ob nicht auch andere Substanzen bzw. atypische Antipsychotika Vorteile hätten, sollte ebenfalls überprüft werden. Zu beachten ist, dass nur in den USA die Atypika Aripiprazol und Brexpiprazol eine Zulassung zur Augmentationsbehandlung der Major Depression haben, hierzulande ist zudem Brexpiprazol nicht erhältlich. Quetiapin (retard) als weiteres Atypikum ist sowohl in den USA als auch in Deutschland zur Zusatzbehandlung bei Major Depression zugelassen.

Maurizio Fava [2] schreibt im Editorial des JAMA, dass die VAST-D-Studie den Stellenwert der zugelassenen Atypika erhöhen könnte, da eine Augmentation meist erst in der vierten Behandlungslinie erfolgt. In VAST-D ist auch ein relativ hoher Anteil an Studienteilnehmern vertreten, die zusätzlich zur Major Depression unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS) leiden. In vorherigen Studien wurde festgestellt, dass eine Therapie mit Aripiprazol besonders bei Patienten mit PTBS wirksam ist. Dies könnte die Ergebnisse verzerren. Andererseits ist auch bekannt, dass insbesondere weibliche Patienten, die verhältnismäßig wenig vertreten waren, von Aripiprazol besser profitieren als männliche Patienten. Ergänzend ist zu bedenken, dass die Patienten nicht bezüglich der Medikation verblindet waren.

Quellen

1. Mohamed S, et al. Effect of antidepressant switching vs augmentation of remission among patients with major depressive disorder unresponsive to antidepressant treatment: The VAST-D randomized clinical trial. JAMA. 2017;318:132–45.

2. Fava M. Lessons learned from the VA augmentation and switching treatments for improving depression outcomes (VAST-D) study. JAMA 2017;318:126–8.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(06):289-296