Therapie der multiplen Sklerose

Von Beginn an die Folgen auf die Fatigue und die Kognition bedenken


Christine Vetter, Köln

Bei der Behandlung der multiplen Sklerose (MS) rücken neben der Hemmung der Schubrate und der Behinderungsprogression zunehmend auch begleitende Symptome wie die Fatigue sowie Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit in den Fokus. Es sollte idealerweise schon mit der initialen Therapie versucht werden, auch diese Komplikationen der Erkrankung langfristig günstig zu beeinflussen, rieten Experten bei einem von Sanofi Genzyme veranstalteten Workshop.

Die Mehrzahl der MS-Patienten leidet unter einer Fatigue, wodurch die Lebensqualität zum Teil massiv geschmälert wird. Immerhin gibt rund jeder dritte Patient an, die abnorme Ermüdung und Erschöpfung stelle das am stärksten belastende Symptom der MS dar [11]. Neben der Fatigue ist auch die oft sich im Laufe der Erkrankung einstellende Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit ein relevantes Problem, zumal dadurch die Arbeits- und schließlich auch die Berufstätigkeit infrage gestellt sein kann [7].

Es sollte daher von Beginn der Behandlung an darauf geachtet werden, eine Option zu wählen, für die in Studien positive Effekte auch auf solche Symptome dokumentiert wurden. Ein Beispiel hierfür ist der Wirkstoff Teriflunomid (Aubagio®), dessen klinische Wirksamkeit hinsichtlich der Schubrate und der Hemmung der Behinderungsprogression konsistent in zwei Zulassungsstudien dokumentiert wurde [8, 9]. In der Phase-III-Studie TOWER wurde außerdem anhand des Parameters FIS (Fatigue impact scale) eine signifikant geringere Zunahme der Fatigue bei mit Teriflunomid behandelten Patienten gegenüber Patienten der Placebo-Gruppe erwirkt [2].

Teriflunomid: Hohe Therapiezufriedenheit

Das dürfte sich auf die Therapiezufriedenheit auswirken, die unter Teriflunomid ausgesprochen gut ist, wie die Daten der Phase-IV-Studie Teri-PRO dokumentieren. In der Studie zeigte sich in allen mittels des TSQM (Treatment satisfaction questionnaire for medication) erfragten Bereichen eine signifikante Verbesserung der Behandlungszufriedenheit bei Patienten, die zuvor eine Interferon-Therapie erhalten hatten. Auch nach der Umstellung von Glatirameracetat auf Teriflunomid war eine höhere Therapiezufriedenheit zu registrieren mit signifikantem Unterschied bei den Parametern „Allgemeine Zufriedenheit“, „Nebenwirkungen“ und „Einfachheit“ [3]. Nach einem Wechsel von einer anderen oralen Therapie auf Teriflunomid resultierte generell ein Vorteil in puncto Zufriedenheit gegenüber Dimethylfumarat und im Bereich „Einfachheit“ auch bei der Umstellung von Fingolimod auf Teriflunomid [3].

Auch hinsichtlich der Kognition ergab sich in der Teri-PRO-Studie ein positiver Effekt für Teriflunomid: Während anfangs 41% der Studienteilnehmer angaben, nicht oder nur minimal kognitiv beeinträchtigt zu sein, waren es nach einer nur 24-wöchigen Behandlung mit Teriflunomid 48% [4].

Alemtuzumab: Geringere Abnahme des Hirnvolumens

Das Nachlassen der kognitiven Leistungsfähigkeit kann mit der bei der MS forcierten Hirnatrophie zusammenhängen. Dass auch dieser Parameter therapeutisch positiv zu beeinflussen ist, zeigen Studiendaten zu Alemtuzumab (Lemtrada®), einem bei aktiver MS indizierten Antikörper. So konnte in den Studien CARE-MS I und II über einen Beobachtungszeitraum von fünf Jahren dokumentiert werden, dass Alemtuzumab den Verlust des Hirnvolumens verlangsamen kann, und zwar bis in den bei Gesunden üblichen Bereich [5, 12].

Alemtuzumab wird als Impulstherapie in zwei Behandlungsphasen im Abstand von einem Jahr verabreicht. Die Behandlung führt zu einer Art Reset des Immunsystems, was sich in einer langfristigen klinischen Wirksamkeit niederschlägt: Nach einem Beobachtungszeitraum von sechs Jahren sind Studien zufolge noch 72% der Patienten ohne eine über sechs Monate bestätigte Behinderungsprogression. Bei 43% war sogar eine Verbesserung bestehender Behinderungen zu beobachten [6].

Aus der Phase-II-Studie CAMMS223 liegen mittlerweile Daten über zehn Jahre vor: Dabei wurde auch über diesen langen Zeitraum nach der Alemtuzumab-Gabe eine Stabilisierung oder sogar Verbesserung des EDSS (Expanded disability status scale) dokumentiert [10]. Außerdem wurde für Alemtuzumab eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität über fünf Jahre gezeigt [1].

Quelle

Prof. Dr.Dr. Pasquale Calabrese, Basel, Prof. Dr. Mark Obermann, Seesen, Prof. Dr. Martin Stangel, Hannover, Prof. Dr. Peter Rieckmann, Bamberg, MS-Workshop „3. MS Special(ists)“, Hamburg, 9. August 2017, veranstaltet von Sanofi-Genzyme.

Literatur

1. Arroyo GR, et al. ECTRIMS, London, 2016: Poster P768.

2. Confavreux C, et al. Lancet Neurol 2014;13: 247–56.

3. Coyle PK, et al. AAN, Boston, 2017: P3–363.

4. Coyle PK, et al. ECTRIMS, Barcelona, 2015: Poster 562.

5. De Stefano N, et al. CNS Drugs 2014;28:147–56.

6. Fox EJ, et al. ECTRIMS Kongress, London, 2016: P1150.

7. Glanz BI, et al. Value Health 2012;15:1029–35.

8. Kappos L, et al. Mult Scler J 2013;19(S1): 74–558, P618.

9. O’Connor P, et al. N Engl J Med 2011;365: 1293–303.

10. Selmaj KW, et al. 32th ECTRIMS Congress, London/UK, 2016: Poster P679.

11. Tedeschi G, et al. J Neurol Sci 2007;263:15–9.

12. Traboulsee A, et al. ECTRIMS, London, 2016: Poster P1181.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(06):289-296