Mäßige bis schwere Major Depression

Transkranielle Gleichstromstimulation ist Escitalopram unterlegen


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Patienten mit einer mäßigen bis schweren Major Depression profitieren von einer transkraniellen Gleichstromstimulation weniger stark als von einer Behandlung mit Escitalopram, so das Ergebnis einer monozentrischen Doppelblindstudie. Häufige Nebenwirkungen der Elektrotherapie sind neben Hautirritationen Nervosität und Tinnitus.

Außer der Psychotherapie gibt es kaum brauchbare nichtmedikamentöse Angebote für Patienten mit Major Depressionen. Bei den elektromagnetischen Verfahren hat sich vor allem die transkranielle Magnetstimulation (TMS) etabliert. Als TMS-Alternative steht die transkranielle Gleichstromstimulation (transcranial direct-current stimulation, tDCS) zur Verfügung. Die Methode ist kostengünstiger als die TMS und scheint relativ gut verträglich zu sein, Krämpfe wurden bisher nicht beschrieben. Die Ergebnisse erster klinischer Studien zur Wirksamkeit in der Indikation Major Depression lieferten allerdings inkonsistente Ergebnisse. Der Therapieeffekt scheint zwar dem von Placebo überlegen zu sein, eine Gleichwertigkeit zu medikamentösen Therapien ist bisher aber nicht gesichert. Eine dreiarmige Nichtunterlegenheitsstudie gegen Escitalopram sollte diese Lücke schließen.

Methodik

Einbezogen in die monozentrische doppelblinde Studie waren Erwachsene mit einer unipolaren Depression mit einem Score von 17 und mehr Punkten auf der 17-Item Hamilton Depression Rating Scale (HDRS-17). Sie erhielten randomisiert über zehn Wochen

  • eine tDCS und ein orales Placebo (t-DCS-Gruppe; n=94),
  • eine Schein-tDCS und Escitalopram (Escitalopram-Gruppe; n=91) oder
  • eine Schein-tDCS und ein Placebo (Placebo-Gruppe; n=60).

Die tDCS-Behandlung bestand aus einer 30-minütigen 2-mA-Stimulation des linken und rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex, einem wichtigen Zielgebiet für die Stimmungsregulation. Die ersten 15 Sitzungen fanden täglich außer am Wochenende statt, weitere sieben Sitzungen erfolgten dann in wöchentlichem Abstand. Escitalopram wurde über drei Wochen als 10-mg- und dann als 20-mg-Dosis gegeben.

Primäres Studienziel war die Score-Veränderung in der HDRS-17 zwischen Studienbeginn und nach zehn Wochen. Die Nichtunterlegenheit der tDCS vs. Escitalopram wurde definiert durch die untere Grenze des Konfidenzintervalls für die Differenz des Score-Abfalls zwischen Behandlungsbeginn und -ende, die mindestens 50% der Score-Differenz des Vergleichs Placebo vs. Escitalopram betragen sollte.

Ergebnisse

Der durchschnittliche HDRS-17-Score lag zu Beginn bei 21,7 bis 22,7 Punkten. Er fiel in der Escitalopram-Gruppe um 11,3 (±6,5), in der tDSC-Gruppe um 9,0 (±6,5) und in der Placebo-Gruppe um 5,8 (±7,9) Punkte. Die untere Grenze des Konfidenzintervalls für die Differenz des Score-Abfalls tDCS vs. Escitalopram (Differenz –2,3; 95%-Konfidenzintervall [KI] –4,3 bis –0,4; p=0,69) war geringer als die Nichtunterlegenheitsgrenze von –2,75 (50% der Abnahme unter Placebo minus Escitalopram). Eine Nichtunterlegenheit konnte damit nicht belegt werden.

Escitalopram und tDCS waren beide Placebo überlegen: Die Differenz vs. Placebo betrug in der Escitalopram-Gruppe 5,5 Punkte (95%-KI 3,1–7,8; p<0,001) und in der tDCS-Gruppe 3,2 Punkte (95%-KI 0,7–5,5; p=0,01).

Die Patienten der tDCS-Gruppe zeigten häufiger Hautrötungen, Tinnitus und Nervosität als die Patienten der beiden anderen Gruppen, außerdem entwickelten zwei Patienten der tDCS-Gruppe erstmalig eine Manie. Patienten unter Escitalopram klagten häufiger über Schläfrigkeit und Obstipation.

Fazit der Autoren

Bei Patienten mit einer mäßigen bis schweren Major Depression erreichte eine tDCS nicht die präspezifizierte Grenze für die Nichtunterunterlegenheit gegenüber Escitalopram. Außerdem ergaben sich unter der Elektrotherapie häufiger Nebenwirkungen wie Nervosität und Tinnitus und Lokalreaktionen, zwei Patienten entwickelten eine Manie. Allerdings war die transkranielle Gleichstromstimulation Placebo überlegen. Damit werden die Ergebnisse vorangegangener Studien reproduziert, die der tDCS ebenfalls eine schwächere Wirksamkeit im Vergleich zu einer medikamentösen Behandlung attestiert hatten.

Quelle

Brunoni AR, et al. Trial of electrical direct-current therapy versus escitalopram for depression. N Engl J Med 2017;376:2523–33.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(05)