Dravet-Syndrom

Cannabidiol reduziert Anfallshäufigkeit


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Cannabidiol, ein Bestandteil der Hanfpflanze mit geringer psychoaktiver Wirkung, konnte bei Kindern mit dem Dravet-Syndrom im Vergleich zu Placebo die Anfallsfrequenz senken. Allerdings ging dieser Erfolg mit einer größeren Nebenwirkungsrate einher.

Beim Dravet-Syndrom handelt es sich um eine seltene genetische Form einer epileptischen Enzephalopathie, die im Kindesalter auftritt. Seine Ursache liegt in der Loss-of-Function-Mutation des SCN1A-Gens. Dieses Gen kodiert einen Bestandteil des spannungsabhängigen Natriumkanals. Da der Kanal vor allem auf hemmenden Interneuronen exprimiert wird, kommt es durch seinen Ausfall zu einer Übererregbarkeit des Gehirns. Infolgedessen treten bei den betroffenen Kindern bereits in den ersten Lebenswochen und -monaten epileptische Anfälle auf, die mit herkömmlichen Antikonvulsiva oft nicht effektiv behandelt werden können. In den meisten Fällen ist der Verlauf der Erkrankung deshalb ungünstig und mit einer mittleren oder schweren geistigen Behinderung oder aufgrund der Anfallshäufigkeit auch mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität verknüpft.

Cannabidiol kommt als zweithäufigstes Cannabinoid in Cannabis sativa vor. Im Unterschied zum häufigsten Cannabinoid der Pflanze, dem Tetrahydrocannabinol (THC), zeichnet sich Cannabidiol durch eine geringe psychoaktive Wirkung aus. Erste Ergebnisse einer offenen Studie mit Cannabidiol, durchgeführt an Kindern und jungen Erwachsenen mit unterschiedlichen Epilepsien, fielen Erfolg versprechend aus.

Studienziel und -design

Ziel der vorliegenden randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie war es, Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabidiol bei therapieresistentem Dravet-Syndrom im Vergleich zu Placebo zu untersuchen. Für die Studie wurden 120 Kinder und junge Erwachsene zwischen 2 und 18 Jahren mit Dravet-Syndrom in 23 klinischen Zentren in den USA und Europa rekrutiert. Die Probanden waren im Mittel 9,8 Jahre alt, 52% waren männlich. Alle Teilnehmer hatten vor Beginn der Studie mehrfach in der Woche Anfälle erlitten, obwohl bei ihnen im Mittel bereits vier verschiedene Antikonvulsiva (Bereich 0 bis 26) eingesetzt worden waren; am häufigsten waren dabei Clobazam, Valproinsäure, Stiripentol, Levetiracetam und Topiramat.

Nach einer vierwöchigen Vorphase, in der die aktuelle antikonvulsive Therapie fortgesetzt wurde, wurden die Patienten randomisiert im Verhältnis 1:1 in folgende zwei Studienarme aufgeteilt und erhielten zusätzlich:

  • Cannabidiol in einer oralen Zubereitung (100 mg/ml); die Dosis wurde innerhalb von zwei Wochen auf täglich 20 mg/kg eingestellt und dann über einen Zeitraum von 12 Wochen beibehalten, anschließend folgten eine zehntägige Ausschleichphase und eine vierwöchige Nachbeobachtungsphase
  • Placebo in einem äquivalenten Volumen

Primärer Studienendpunkt war die Veränderung der Anfallshäufigkeit während der 14-wöchigen Behandlungsperiode im Vergleich zu der vierwöchigen Vorlaufphase.

Studienergebnis

In der Cannabidiol-Gruppe ging die Anfallsfrequenz im Median von 12,4 auf 5,9 pro Monat zurück, im Placebo-Arm dagegen lediglich von 14,9 auf 14,1 (Tab. 1). Der Unterschied im Rückgang der Anfallsfrequenz war statistisch signifikant (p=0,01).

Tab. 1. Veränderung der Anfallsfrequenz bei Patienten mit Dravet-Syndrom unter der Therapie mit Cannabidiol; ** p<0,01 [nach Devinsky et al.]

Variable

Cannabidiol (n=61)

Placebo
(n=59)

Adjustierte Differenz [Prozentpunkte (95%-KI)]

Anfälle pro Monat [Median (Spanne)]

  • Vor Therapiebeginn (Baseline)

12,4 (3,9 bis 1717)

14,9 (3,7 bis 718)

  • Unter Cannabidiol

5,9 (0,0 bis 2159)

14,1 (0,9 bis 709)

Prozentuale Veränderung der Anfallsfrequenz [Median (Spanne)]

–38,9 (–100 bis 337)

–13,3 (–91,5 bis 230)

–22,8
(–41,1 bis –5,4)**

KI: Konfidenzintervall

Den sekundären Endpunkt Senkung der Anfallsrate um mindestens 50% erreichten unter Cannabidiol 43% der Patienten, unter Placebo 27%. Dies ergab ein Odds-Ratio von 2,00 (95%-KI 0,93–4,30; p=0,08).

Der Gesamtzustand der Kinder, bestimmt anhand der „Caregiver Global Impression of Change“-Skala, verbesserte sich bei 62% in der Cannabidiol-Gruppe um wenigstens eine von sieben Kategorien gegenüber 34% aus dem Placebo-Arm (p=0,02).

Während mit Cannabidiol die Häufigkeit sämtlicher Anfallstypen signifikant reduziert werden konnte, ließ sich im Hinblick auf die nichtkonvulsiven Anfälle kein deutlicher Rückgang feststellen. Eine komplette Anfallsfreiheit verzeichneten 5% der Kinder mit Cannabidiol, dagegen erreichte keiner der Teilnehmer mit Placebo dieses Ziel (p=0,08).

Unerwünschte Begleiteffekte der Therapie traten unter Cannabidiol häufiger auf als unter Placebo, bei acht Patienten wurde die Behandlung deshalb abgebrochen, gegenüber einem unter Placebo. Zu den Nebenwirkungen, die mit Cannabidiol häufiger auftraten als in der Placebo-Gruppe, zählten Diarrhö, Erbrechen, Müdigkeit bis zur Somnolenz sowie Fieber. Bei einigen Probanden, die gleichzeitig mit Valproinsäure und Cannabidiol therapiert wurden, kam es zu einem Anstieg der Leberwerte (Aminotransferase-Aktivität).

Fazit der Studienautoren

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie versprechen neue Behandlungsoptionen mit dem nicht psychoaktiv wirkenden Cannabinoid Cannabidiol für das bislang nur schwer therapierbare Dravet-Syndrom bei Kindern. Allerdings wurden die Erfolge unter der Begleitmedikation herkömmlicher Antikonvulsiva erzielt. Auch war die Therapie mit Cannabidiol nicht frei von Risiken; im Vergleich zu Placebo kam es häufiger zu schweren Nebenwirkungen. Möglicherweise resultieren einige dieser unerwünschten Effekte aus Interaktionen mit den gleichzeitig eingesetzten Antikonvulsiva, wie die Erhöhung der Aminotransferase-Spiegel unter der Komedikation mit Valproinsäure. Das Ziel künftiger Studien sollte es deshalb sein, weitere Daten zur Langzeitwirksamkeit und -sicherheit von Cannabidiol in der Therapie Dravet-Syndroms zu sammeln.

Quelle

Devinsky O, et al. Trial of cannabidiol for drug-resistant seizures in the Dravet syndrome. N Engl J Med 2017;376:2011–20.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(05)