Klinisch isoliertes Syndrom

Verhindert Minocyclin den Übergang in eine MS?


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Das Tetracyclinantibiotikum Minocyclin kann möglicherweise den Übergang eines klinisch isolierten Syndroms (CIS) in eine manifeste multiple Sklerose (MS) aufhalten, so das Ergebnis einer prospektiven Placebo-kontrollierten Studie.

Nach einem ersten klinischen demyelinisierenden Ereignis (klinisch isoliertem Syndrom, CIS) ist das Risiko einer Konversion in eine manifeste multiple Sklerose (MS) hoch. Verschiedene Untersuchungen hatten gezeigt, dass Minocyclin immunmodulierende Eigenschaften hat und Effekte bei Patienten mit MS zeigt. Minocyclin ist ein oral applizierbares Tetracyclinantibiotikum mit guter Verträglichkeit, das selten Resistenzen hervorruft.

In einer prospektiven Placebo-kontrollierten Studie wurde deshalb in zwölf kanadischen MS-Kliniken untersucht, ob Minocyclin bei Patienten mit einem CIS das Risiko der Konversion in eine MS verringern kann. Zwischen Januar 2009 und Juli 2013 erhielten Studienteilnehmer mit einem ersten demyelinisierenden Ereignis innerhalb der letzten 180 Tage zweimal täglich 100 mg Minocyclin (n=72) oder Placebo (n=70). Die Behandlung dauerte so lange, bis eine MS diagnostiziert wurde oder maximal 24 Monate nach Randomisierung.

Primärer Endpunkt war die Konversion in eine MS, diagnostiziert anhand der McDonald-Kriterien 2005, innerhalb von sechs Monaten nach Randomisierung.

Die Studienteilnehmer waren im Mittel knapp 35,8 Jahre alt. Rund 68,3% waren Frauen. Der mittlere EDSS-Wert betrug 1,5, das CIS hatte durchschnittlich 83,5 Tage gedauert.

In der Minocyclin-Gruppe hatte sich bei 23 Studienteilnehmern, in der Placebo-Gruppe bei 41 nach sechs Monaten eine MS entwickelt. Dies bedeutete eine nichtadjustierte Senkung des absoluten Risiko um 27,6 Prozentpunkte (p=0,001). Wurde die Zahl der Gadolinium-anreichernden Läsionen zu Studienbeginn berücksichtigt, betrug die adjustierte Risikosenkung nach sechs Monaten 18,5 Prozentpunkte (43% mit Minocyclin vs. 61,5% mit Placebo, p=0,01).

Alle untersuchten MRT-Parameter waren in Monat sechs in der Minocyclin-Gruppe besser als in der Placebo-Gruppe. In Monat 24 waren die nicht adjustierten MRT-Befunde, nicht jedoch die adjustierten Werte mit Minocyclin-Behandlung signifikant besser.

Nebenwirkungen waren in der Minocyclin-Gruppe häufiger (86,1 vs. 61,4%, p=0,001). Häufige unerwünschte Wirkungen von Minocyclin waren Hautausschlag, Zahnverfärbungen und Benommenheit.

Die Studie war kürzer und kleiner als andere Therapiestudien zum CIS. Dies bedeutet eine Einschränkung ihrer Aussagekraft. Die Studie hat zwar ihren vordefinierten primären Endpunkt erreicht, aber die Ergebnisse müssen in weiteren Untersuchungen bestätigt werden.

Quelle

Metz LM, et al. Trial of minocycline in a clinically isolated syndrome of multiple sclerosis. N Engl J Med. 2017;376:2122–33.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(04)