Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Mehr noch als bei anderen Indikationen ist der Wirksamkeitsvergleich von Antipsychotika in der Schizophrenie-Therapie problematisch. Nur rund 10% bis 20% aller Patienten sind potenzelle Kandidaten für randomisiert und doppelblind durchgeführte klinische Studien. Die übrigen Patienten kommen wegen Substanzabusus, Suizidalität, antisozialem Verhalten, mentaler und körperlicher Komorbidität oder schlicht aus mangelnder Kooperationsbreitschaft nicht als Studienteilnehmer infrage. Deshalb wird in der Indikation Schizophrenie zur Dokumentation der Wirksamkeit gerne auf Kohorten- bzw. Registerstudien zurückgegriffen. Im Rahmen solcher Datenbankanalysen ergaben sich für Clozapin, Olanzapin und Depotneuroleptika die besten Therapieergebnisse im Vergleich zu keiner Behandlung.
Allerdings bleiben auch in Kohortenstudien trotz Adjustierung auf wichtige konfundierende Faktoren immer noch wichtige Patientencharakteristika unberücksichtigt. Dieser Nachteil kann mit einem Studiendesign umgangen werden, in dem die Patienten ihre eigenen Kontrollen sind. In der Indikation Schizophrenie bietet sich dazu der Vergleich von Phasen mit und ohne antipsychotische Behandlung an, bei dem lediglich auf die Veränderungen im Krankheitsverlauf adjustiert werden muss. Mit einem solchen intraindividuellen Vergleich wurde nun die Real-Life-Wirksamkeit verschiedener Antipsychotika in Hinblick auf Rehospitalisierung und Therapieversagen verglichen.
Methodik und Ergebnisse
Einbezogen in die prospektive populationsbasierte Datenbankstudie waren alle in Schweden erfassten Schizophrenie-Patienten über 16 Jahre, von denen intraindividuell das Risiko für eine stationäre Wiedereinweisung und Therapieversagen im Beobachtungszeitraum von Juli 2006 bis Ende 2013 analysiert wurde. Insgesamt gingen Daten von 29823 Personen in die Analyse ein.
In dem Beobachtungszeitraum wurden 43,7% der Patienten erneut im Krankenhaus behandelt, 71,7% erlebten ein Therapieversagen (Rehospitalisierung, Suizidversucht, Medikationswechsel oder -abbruch oder Tod). Das niedrigste Rehospitalisierungsrisiko hatten Patienten unter
- Depottherapie mit Paliperidon (Paliperidonpalmitat; Hazard-Ratio [HR] 0,51; 95%-KI 0,41–0,64),
- Depottherapie mit Zuclopenthixol (HR 0,53; 95%-KI 0,48–0,57),
- Clozapin (HR 0,53; 95%-KI 0,48–0,58),
- Depottherapie mit Perphenazin (HR 0,58; 95%-KI 0,52–0,65) und
- Depottherapie mit Olanzapin (HR 0,58; 95%-KI 0,44–0,77)
jeweils im Vergleich ohne Antipsychotikamedikation.
Die höchsten Rehospitalisierungsraten errechneten sich unter oralem Flupentixol (HR 0,92; 95%-KI 0,74–1,14), Quetiapin (HR 0,91;95% KI 0,83–1,00) und oralem Perphenazin (HR 0,86; 95%-KI 0,77–0,97). Insgesamt waren die injizierbaren Depot-Antipsychotika mit deutlich niedrigeren Rehospitalisierungsrisiken im Vergleich zu ihren oralen Äquivalenzformulierungen assoziiert – sowohl in der Gesamtkohorte als auch bei den 4603 im Beobachtungszeitraum neu diagnostizierten Patienten (HR 0,78; 95%-KI 0,72–0,84 und HR 0,68; 95%-KI 0,53–0,86).
Die niedrigsten Therapieversagerraten ergaben sich unter Clozapin (HR 0,58; 95%-KI 0,53–0,63) und allen lang wirksamen Antipsychotika-Depotformulierungen (HRs zwischen 0,65 und 0,80) jeweils verglichen mit oralem Olanzapin, dem in dieser Kohorte am häufigsten verordneten Antipsychotikum.
Sensitivitätsanalysen unterstützten die Ergebnisse der primären Datenanalyse.
Fazit und Kommentar der Autoren
Unter naturalistischen Bedingungen sind Clozapin und injizierte Depotneuroleptika die wirksamsten Medikamente zur Rückfallprävention bei Schizophrenie-Patienten. Im intraindividuellen Vergleich mit ihren oralen Äquivalenzpräparaten ist das Rehospitalisierungsrisiko unter den langwirksamen Depotpräparaten um 20% bis 30% reduziert. Insgesamt bestätigt die Studie damit bereits existierende Wirksamkeitsdaten. Und auch die vergleichsweise hohen Rehospitalisierungsraten unter oralem Quetiapin sind aus anderen Studien bekannt. Der hier beschriebene Rezidivraten-Unterschied im Vergleich zu Quetiapin und Depotpräparaten ist klinisch relevant. Quetiapin ist deshalb nicht das Mittel der ersten Wahl für Schizophrenie-Patienten, schlussfolgern die Autoren. Zwar wurden die Dosen nach der Ersteinführung dieses atypischen Neuroleptikums zunächst etwas zu niedrig angesetzt, in der vorliegenden Studienanalyse war die Erhaltungsdosis mit 360 mg/Tag entsprechend 0,90 definierten Tagesdosen (DDD) aber ausreichend.
Quelle
Tiihonen J, et al. Real-world effectiveness of antipsychotic treatments in a nationwide cohort of 29823 patients with schizophrenia. JAMA Psychiatry, Epub ahead of print 7. Juni 2017.
Psychopharmakotherapie 2017; 24(04)