Therapeutisches Drug-Monitoring

Hilfe bei Dosisoptimierung in Neurologie und Psychiatrie


Dr. Claudia Bruhn, Schmölln

Therapiebegleitende Plasmaspiegel-Bestimmungen (TDM) sind ein wertvolles Hilfsmittel zur Anpassung von Arzneistoff-Dosierungen an die individuellen Besonderheiten von Patienten. Auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) im November in Berlin wurde jedoch bemängelt, dass das TDM in der Praxis trotz großer Vorteile noch zu selten eingesetzt wird.

Ein TDM ist immer dann hilfreich, wenn sich die Krankheitssymptome trotz ausreichender Dosierung nicht verbessern (Non-Response), ungewöhnlich starke Nebenwirkungen auftreten oder der Verdacht besteht, dass der Patient sein Medikament nicht wie verordnet anwendet (Non-Compliance).

TDM hilft bei Aufdeckung klinisch relevanter Interaktionen

Auch bei der Aufdeckung noch unbekannter, aber klinisch relevanter Interaktionen aufgrund von Enzyminduktion bzw. -inhibition ist ein TDM häufig ein nützliches Werkzeug. So hat beispielsweise eine kürzlich publizierte Studie [4] gezeigt, dass bei Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren (PPI), die bekanntermaßen häufig unkritisch verordnet oder für die Selbstmedikation erworben werden, die Serumkonzentrationen des Antidepressivums Venlafaxin deutlich variieren können.

Venlafaxin wird in der Leberzelle hauptsächlich durch Cytochrom P450 (CYP) 2D6 sowie auch CYP2C19 zum Hauptmetaboliten O-Desmethylvenlafaxin (ODV) umgewandelt. Ein weniger bedeutsamer Abbauweg ist die N-Demethylierung durch CYP3A4 und CYP2C19 zu N-Desmethylvenlafaxin (NDV). Die PPI Omeprazol und Pantoprazol sind CYP2C19-Inhibitoren. Mithilfe von TDM wurde in der Studie festgestellt, dass bei Patienten, die einen der beiden PPI einnahmen, höhere Venlafaxin-Konzentrationen im Vergleich zu Patienten ohne PPI-Einnahme auftraten.

Einsatz ist auf wenige Substanzen beschränkt

Obwohl man mit Plasmaspiegel-geleiteter Therapie sehr viel schneller auf Non-Response, Non-Compliance, Interaktionen oder unerwünschte Wirkungen reagieren kann und die Behandlung dadurch nicht nur sicherer, sondern auch kostengünstiger werden kann, ist TDM in den meisten Ländern bisher nur auf wenige Substanzen mit geringer therapeutischer Breite beschränkt. Experten beklagen auch, dass ein Großteil des Wissens auf diesem Gebiet nicht in der Praxis ankommt. Darüber hinaus sind hochwertige klinische Studien, die nicht nur die medizinischen, sondern auch die ökonomischen Vorteile von TDM zeigen, derzeit rar. Dabei könnte für praktisch alle in psychiatrischen Indikationen eingesetzten Substanzen bei bestimmten Problemstellungen ein TDM sinnvoll sein [3]. Experten empfehlen, das TDM bereits in der Frühphase der Behandlung einzusetzen [1].

Expertengruppe hat Leitlinien erarbeitet

Die TDM-Expertengruppe der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP; www.agnp.de) hat Best-Practice-Guidelines für das TDM in Neurologie und Psychiatrie erarbeitet. Die erste Version wurde 2004 veröffentlicht. 2011 erfolgte eine Erweiterung, derzeit werden die Leitlinien überarbeitet. Die Verfasser zeigen sich optimistisch, dass TDM ein Standard in der Behandlung von Patienten mit psychiatrischen Indikationen werden könnte. Kontrollierte Studien sind noch nötig um zu zeigen, dass beispielsweise die Erhöhung der Ansprechraten und die Reduktion von Nebenwirkungen durch Dosisanpassung nicht nur für die Patienten positiv ist, sondern auch im Gesundheitssystem Kosten sparen kann, beispielsweise indem die Verweildauer im Krankenhaus verkürzt wird. Erste Studien dazu wurden bereits durchgeführt [1, 2].

Quelle

Dr. med. Michael Paulzen, Aachen, Prof. Dr. rer. nat. Christoph Hiemke, Mainz, Prof. Dr. med. Kai G. Kahl, Hannover; Symposium „Aktuelle Psychopharmakologie und therapeutisches Drug-Monitoring psychiatrischer Erkrankungen“, Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 23. November 2016.

Literatur

1. Haji EO, et al. Association between citalopram serum levels and clinical improvement of patients with major depression. J Clin Psychopharmacol 2011;31:281–6.

2. Haji EO, et al. Potential cost-effectiveness of therapeutic drug monitoring for depressed patients treated with citalopram. Ther Drug Monit 2013;35:396–401.

3. Hiemke C. Consensus guideline based therapeutic drug monitoring (TDM) in psychiatry and neurology. Curr Drug Deliv 2016;13:353–61.

4. Kuzin M, et al. Effects of proton pump inhibitors (PPI) on the serum concentrations of venlafaxine. Pharmacopsychiatry 2015;25–A32, doi: 10.1055/s-0035–1557970.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(02)