Therapierefraktäre Schizophrenie bei Frauen

Raloxifen reduziert Krankheitsschwere


Dr.Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Frauen mit einer langjährigen Schizophrenie und Therapieresistenz gegen Antipsychotika profitieren von der Gabe des Estrogenrezeptor-Modulators Raloxifen bei den Parametern Krankheitsschwere und klinische Response. Das ergab eine über zwölf Wochen durchgeführte Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie.

Dass Geschlechtshormone Beginn und Verlauf einer Schizophrenie beeinflussen können, ist seit längerem bekannt. Bei Frauen exazerbieren die Schizophrenie-Symptome in auffälligem zeitlichem Zusammenhang mit abfallenden Estrogenspiegeln – sei es während der follikulären Zyklusphase, post partum oder in der menopausalen Übergangsphase. Experimentell sind modulierende Effekte von Estrogenen auf die an der Schizophrenie beteiligten neurochemischen Prozesse nachgewiesen, in Tierversuchen stiegen unter Estrogenen die Serotonin- und Dopamin-Konzentrationen, in Humanstudien modulierten Estrogene Stressreaktionen.

In den meisten bisher durchgeführten kontrollierten klinischen Studien mit Frauen mit einer therapieresistenten Schizophrenie waren Estrogene antipsychotisch wirksam. Dennoch ist man aufgrund der unerwünschten Effekte auf Brust- und Endometriumgewebe sehr zurückhaltend mit dieser Option. Eine Alternative bietet Raloxifen. Als selektiver Estrogenrezeptor-Modulator entfaltet Raloxifen im Gehirn Estrogen-artige Effekte und in Brust und Gebärmutter überwiegend Estrogen-antagonistische Effekte. Raloxifen wird bisher vor allem in der Osteoporose-Therapie bei postmenopausalen Frauen eingesetzt, üblicherweise in einer Dosierung von 60 mg/Tag. In einer kleinen Pilotstudie sowie einigen Fall-Kontroll-Studien erwies sich der Estrogenrezeptor-Modulator auch in der Schizophrenie-Therapie postmenopausaler Frauen als wirksam. Bei jüngeren Frauen und Männern ist die Substanz deutlich weniger wirksam. In einer ersten Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie wurde der Effekt von hochdosiertem Raloxifen jetzt überprüft.

Studiendesign

Einbezogen in die zwölfwöchige Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie waren 56 Frauen mit einer Schizophrenie oder schizoaffektiven Störung (Alter 40 bis 70 Jahre, Durchschnitt 53 Jahre, durchschnittliche Krankheitsdauer 24 Jahre), die trotz antipsychotischer Medikation noch schwere Symptome hatten. Sie erhielten zusätzlich zu den Antipsychotika entweder 120 mg/Tag Raloxifenhydrochlorid oder Placebo. Primäres Studienziel war die Veränderung des Gesamtscores in der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS).

Ergebnisse

Raloxifen führte im Vergleich zu Placebo zu einem stärkeren Rückgang des PANSS-Gesamtscores (β=–6,37; 95%-Konfidenzintervall [KI] –11,64 bis –1,10; p=0,02; Intention-to-treat-Analyse) und erhöhte die Wahrscheinlichkeit für eine klinische Response, definiert als ein Abfall des PANSS-Gesamtscores von 20% und mehr im Vergleich zum Behandlungsbeginn (Hazard-Ratio 5,79; 95%-KI 1,46–22,97; p=0,01). Bei der allgemeinen Psychopathologie-Subskala der PANSS ergab sich ebenfalls eine im Vergleich zu Placebo signifikante Reduktion (β=–3,72; 95%-KI –6,83 bis –0,61; p=0,02). Bei den PANSS-Subskalen für Positiv- und Negativsymptome zeigte sich kein Effekt von Raloxifen. In der Per-Protocol-Analyse bei den 46 Patientinnen, die die Studie nach den geplanten 12 Wochen beendeten, wurde die statistische Signifikanz für den Effekt von Raloxifen auf den PANSS-Positiv-Symptomscore knapp verpasst (β=–6,37; 95%-KI –4,86 bis 1,93; p=0,05). Auch bei weiteren sekundären Studienendpunkten wie Stimmung, Kognition und Geschlechtshormonspiegeln ergaben sich keine Unterschiede. Die Nebenwirkungsrate von Raloxifen lag auf Placebo-Niveau.

Diskussion

Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Hypothese, dass zusätzlich zur antipsychotischen Standardmedikation gegebenes Raloxifen die Krankheitsschwere gemäß PANSS-Gesamtscore bei Frauen über 40 Jahren mit einer weitgehend therapieresistenten Schizophrenie reduziert. Die allgemeine Psychopathologie wurde durch Raloxifen ebenfalls verbessert, in Bezug auf die Positivsymptomatik zeigte sich eine Tendenz. Kognition und Stimmung sprachen in dieser Studie nicht auf den Estrogenrezeptor-Modulator an.

Insgesamt erscheint Raloxifen damit eine vielversprechende additive Therapieoption für Frauen mit einer langjährigen Schizophrenie mit schwerer Symptomatik, die auf Standard-Antipsychotika nicht (mehr) ansprechen, schreiben die Studienautoren. Die Verträglichkeit des Estrogenrezeptor-Modulators war gut. Dennoch sollte das Risiko für thromboembolische Ereignisse und tödliche Schlaganfälle nicht ignoriert werden – insbesondere bei den oftmals rauchenden und übergewichtigen Patientinnen, erinnern die Autoren.

Quelle

Kulkarni J, et al. Effect of adjunctive raloxifene therapy on severity of refractory schizophrenia in women. A randomized clinical trial. JAMA Psychiatry 2016;73:947–54.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(06)