Bipolar-I-Depression bei älteren Patienten

Lurasidon ist wirksam und sicher


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Das atypische Neuroleptikum Lurasidon ist in der Behandlung von Depressionen im Rahmen einer Bipolar-I-Störung auch bei Patienten über 55 Jahren wirksam und sicher. Das ergab die Post-hoc-Analyse von zwei großen, randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudien.

Bipolar-Störungen treten typischerweise schon in jungen Jahren auf, persistieren aber häufig bis in die fünfte Lebensdekade, wobei dann zunehmend die Depressionen im Vordergrund stehen. Auch Erstmanifestationen in fortgeschrittenem Alter sind bekannt.

Zur Behandlung bei depressiven Episoden im Rahmen einer Bipolar-Störung ist in den USA unter anderem das atypische Neuroleptikum Lurasidon (Latuda®) zugelassen (s.a. Psychopharmakotherapie 2015;22:111–3; in Deutschland besteht lediglich eine Zulassung zu Behandlung der Schizophrenie). Die Wirksamkeit der Substanz in dieser Indikation ist in klinischen Studien belegt. Eine Studie speziell bei Patienten über 50 Jahren fehlt allerdings – wie im Übrigen auch für andere Neuroleptika, die für die Behandlung von Bipolar-Depressionen zugelassen sind. Die Ergebnisse der pivotalen klinischen Untersuchungen, in die traditionell bevorzugt jüngere Patienten aufgenommen werden, lassen sich allerdings nicht wissenschaftlich gesichert auf ältere Patienten übertragen, zumal diese häufig anfälliger gegenüber Neben- und Wechselwirkungen sind. Eine Post-hoc-Analyse von zwei klinischen Studien sollte deshalb Aufschluss über Wirksamkeit und Risiken einer Lurasidon-Therapie in Mono- und Zusatztherapie bei Patienten im Alter von über 55 Jahren geben.

Studiendesign

Einbezogen in die Post-hoc-Analyse waren 142 ambulante Patienten über 55 Jahren, die die DSM-IV-Kriterien für eine Bipolar-I-Depression erfüllten. Sie waren in zwei randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien, jeweils über sechs Wochen laufenden Doppelblindstudien behandelt worden: In einer Monotherapie-Studie wurden zwei Lurasidon-Dosierungsbereiche (20–60 mg/Tag und 80–120 mg/Tag) eingesetzt, in einer weiteren Studie Lurasidon in einer Dosierung von 20 bis 120 mg/Tag zusätzlich zu Lithium oder Valproinsäure. Primärer Endpunkt war die durchschnittliche Veränderung des Gesamtscores in der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS).

Ergebnisse

In der Gesamtkohorte der Monotherapie-Studie betrug der Anteil der älteren Patienten 17,4% (88 von 505 Patienten) und in der Zusatztherapie-Studie 15,5% (54 von 348). Der MADRS-Ausgangswert lag in beiden Studien bei ungefähr 30.

In der Monotherapie-Studie veränderte sich der MADRS-Durchschnittswert in Woche 6 unter Lurasidon signifikant stärker als unter Placebo (–14,8 vs. –7,1; p=0,003; Effektgröße 0,83; gepoolte Daten). In der Zusatztherapie-Studie ergab sich kein signifikanter Unterschied bei den durchschnittlichen MADRS-Veränderungen zwischen den beiden Behandlungsgruppen (–13,9 vs. –11,1; p=0,398; Effektgröße 0,26).

Zum Studienabbruch aufgrund von Nebenwirkungen kam es in der Monotherapie-Studie unter Verum und Placebo bei 6,8% vs. 6,9% und in der Zusatztherapie-Studie bei 3,8% vs. 7,1%.

Diskussion

In den Post-hoc-Analysen zweier Placebo-kontrollierter Doppelblindstudien mit Patienten über 55 Jahren mit einer Bipolar-I-Depression erwies sich eine Lurasidon-Monotherapie einer Placebo-Therapie als signifikant überlegen. In der Zusatztherapie zu Lithium oder Valproinsäure ließ sich dagegen nur ein moderater und statistisch nicht signifikanter Effekt nachweisen – eine Beobachtung, die auch unter anderen Substanzen in dieser Indikation gemacht wurde. Der klinische Effekt der Monotherapie war mit mittleren bis großen Effektgrößen sowohl bei der Beobachter-Einschätzung als auch der Patienten-Einschätzung robust. Neben der Depressionssymptomatik besserten sich zusätzlich Lebensqualität und funktionelle Defizite. Der therapeutische Effekt von Lurasidon entsprach dem bei jüngeren Patienten in der jeweiligen Gesamtkohorte. Auch die durchschnittlichen Tagesdosen unterschieden sich in den Therapiearmen nicht von denen jüngerer Patienten: in den beiden Monotherapie-Dosisgruppen 34,6 mg vs. 35,0 mg (ältere vs. jüngere Patienten) bzw. 96,0 mg vs. 91,5 mg, in der Zusatztherapie-Studie 76,2 mg vs. 75,0 mg.

Insgesamt erscheint Lurasidon damit für ältere Patienten über 55 Jahren in gleichem Maße geeignet wie für jüngere Patienten – zumindest den Ergebnissen dieser Post-hoc-Analyse zufolge. Das ausgewertete Patientenkollektiv war allerdings recht klein, sodass sich keine statistisch belastbaren Daten generieren ließen, schränkten die Studienautoren ihre Schlussfolgerung ein.

Quelle

Sajatovic M, et al. Efficacy of lurasidone in adults aged 55 years and older with bipolar depression: post hoc analysis of 2 double-blind, placebo-controlled studies. J Clin Psychiatry 2016, Epub ahead of print.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(06)