Neue Arzneimittel für die Neurologie


Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden

Liebe Leserinnen und Leser der PPT, es freut mich heute besonders, Sie rechtzeitig zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Lektüre der traditionellen neurologischen Ausgabe der Psychopharmakotherapie einzuladen. Nachdem sich in den vergangenen Jahren der medikamentöse Fortschritt in der Neurologie insbesondere auf dem Gebiet der multiplen Sklerose abspielte, sind in den letzten Monaten erfreulicherweise neue Therapieoptionen auch in anderen Subdisziplinen der Neurologie verfügbar geworden. Wir haben einige maßgebliche davon in diesem Journal herausgegriffen, die neben wichtigen psychiatrischen Themen hier vorgestellt werden.

Auf dem Parkinson-Sektor gab es jahrelang keine Innovationen, bis dann im Mai 2015 Safinamid auf den deutschen Markt kam. Vor wenigen Monaten erhielt der neue Catechol-O-Methyltransferase-(COMT-)Hemmer Opicapon von der EMA die Zulassung für Europa. Wir gehen davon aus, dass dieses Arzneimittel spät in diesem Jahr oder früh in 2017 auch auf den deutschen Markt kommen wird, und zwar unter dem Namen Ongentys®. Müller, Berlin, stellt den neuen Wirkstoff in einer Übersicht vor. Opicapon ist im Vergleich mit den bisher verwanden COMT-Hemmern deshalb von besonderer Bedeutung, weil es nur einmal täglich eingenommen werden muss und im direkten Vergleich mit Entacapon eine etwas höhere Effektivität nachgewiesen hat. Wie immer in Deutschland, bleibt abzuwarten, was der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für dieses Arzneimittel entscheiden wird, insbesondere ob er einen Mehrnutzen oder keinen zusätzlichen Nutzen sieht. Daraufhin wird dann, wie gewohnt, die Preisfrage zu klären sein, und es ist zu hoffen, dass es nicht wie bei dem jüngsten Antikonvulsivum Brivaracetam zu schwierigen Überlegungen bezüglich des Verbleibens auf dem deutschen Markt kommen wird. Ich selbst bin davon überzeugt, dass der neue COMT-Hemmer einen Zusatznutzen bietet, und hoffe sehr auf ein positives Prüfverfahren durch den G-BA.

Frau Schrempf aus Dresden berichtet anlässlich der Einführung von Pitolisant als einer neuen Therapieoption über die aktuelle Therapie der Narkolepsie. Von der neuen Substanz hatten sich auch viele Parkinson-Patienten mit ausgeprägter Tagesschläfrigkeit Besserung erhofft; erste Untersuchungen bei diesen Patienten haben allerdings eher enttäuschende Ergebnisse erbracht, sodass diese Entwicklung anscheinend nicht weiter verfolgt wird. Die Zulassung von Pitolisant ist auf die Behandlung erwachsener Patienten mit Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie beschränkt. Gerade in der Schlafmedizin zeichnen sich neue medikamentöse Möglichkeiten ab, die hier diskutiert werden.

Besonders interessant ist auch der Artikel von Petri, Bad Wildungen, der über CYP-Interaktionen von Dopaminagonisten berichtet. Hierzu ist festzustellen, dass selbst Pharmakologen Interaktionen von mehr als zwei Medikamenten nur schwerlich vorhersagen können und wir bei unseren vielfältigen Verordnungen, gerade bei den älteren neurologisch erkrankten Patienten, den Aspekt der Interaktionen häufig nicht genügend berücksichtigen. Das Universitätsklinikum Dresden hat deswegen, beispielsweise in der Neurologischen Klinik, einen Stationsapotheker eingestellt, um gerade die Fragen der Interaktionen kritisch zu prüfen, um unseren Patienten möglichst wenig Schaden zuzufügen.

Ein wichtiges zukünftiges Thema der PPT wird die Entwicklung von CGRP(Calcitonin gene-related peptide)-Antikörpern zur Prophylaxe der Migräne sein. Außerdem werden weitere Parkinsonmedikamente auf den deutschen Markt drängen, sodass sich aus meiner Sicht erneut bewahrheitet, dass das neurologische Fach zunehmend zu einer therapeutisch aktiven Disziplin geworden ist. Ich freue mich somit, dass wir das Fachgebiet der Neurologie hier prominent darstellen können, und wünsche allen Lesern neue Erkenntnisse.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(05)