Agitiertheit und Aggression

Haloperidol und Droperidol gleich wirksam zur Sedierung bei Erregungszuständen


Priv.-Doz.Dr.Dieter Angersbach, Wolfratshausen

In einer verblindeten kontrollierten Studie erhielten adulte Patienten mit einer akuten Verhaltensstörung intramuskulär entweder 10 mg Haloperidol oder 10 mg Droperidol. Primärer Wirksamkeitsparameter war die Zeit bis zur Sedierung innerhalb von 120 Minuten nach Verabreichung der Prüfsubstanz. Sekundäre Parameter waren die Notwendigkeit einer zusätzlichen Sedierung und die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse. Ohne signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen wurde bei insgesamt 92% der Patienten eine effektive Sedierung erreicht. Mehr Haloperidol- als Droperidol-Patienten benötigten eine zusätzliche Sedierung (13% vs. 5%; p=0,059). Unter Haloperidol traten weniger unerwünschte Ereignisse auf als unter Droperidol (1% vs. 5%; p=0,12).
Mit einem Kommentar von Priv.-Doz. Dr. D. Angersbach, Wolfratshausen

Aggressivität und Gewaltbereitschaft bei Patienten in psychiatrischer Behandlung sind häufig auf akute Psychosen oder Drogenmissbrauch zurückzuführen. Patienten, die sich verbal nicht beschwichtigen lassen und die Einnahme oraler Arzneimittel verweigern, benötigen eine Fixierung und eine unfreiwillige parenterale Sedierung. Es gibt kaum Untersuchungen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln in der Behandlung akuter aggressiver Erregungszustände. In einer S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) zu therapeutischen Maßnahmen bei aggressivem Verhalten werden unter anderen die Antipsychotika Haloperidol und Olanzapin und auch einige Benzodiazepine, wie Lorazepam und Midazolam, als wirksame Arzneimittel empfohlen [1]. Weniger gesichert ist, ob sich mit einer Kombination von Haloperidol mit Promethazin oder Lorazepam eine schnellere Wirkung erzielen lässt als mit den entsprechend hoch dosierten Einzelsubstanzen. Allerdings wird aufgrund klinischer Erfahrungen bei psychotischen Erregungszuständen die alleinige Gabe eines Benzodiazepins ohne ein Antipsychotikum nicht empfohlen.

Ziel der vorliegenden maskierten, randomisierten kontrollierten Doppelblinduntersuchung war ein Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Haloperidol und Droperidol in der Sedierung von Patienten mit einer akuten Verhaltensstörung. Droperidol ist in Deutschland nur zur Vorbeugung und Behandlung von Übelkeit und Erbrechen nach Operationen bzw. durch Morphinderivate im Rahmen der postoperativen patientenkontrollierten Analgesie zugelassen, in Australien aber auch für die Behandlung von Agitiertheit und Aggression. Sein Einsatz war aufgrund von Sicherheitsbedenken in Bezug auf eine QT-Zeitverlängerung seit 2002 zurückgegangen, in letzter Zeit gab es aber erneut Berichte über eine wirksame und gut verträgliche Anwendung in Notfallaufnahmen, deshalb sollte dieser Frage noch einmal kontrolliert nachgegangen werden.

Die Studie wurde von August 2011 bis Juni 2013 in einer australischen psychiatrischen Notfallklinik durchgeführt. Sie wurde von einer Ethikkommission genehmigt und überwacht. Die Patienten wurden wegen ihres mangelnden Urteilsvermögens ohne Einverständniserklärung behandelt.

Methoden

Eingeschlossen wurden Patienten ab 18 Jahren mit Agitiertheit und Aggression, die unfreiwillig in die psychiatrische Notfallklinik eingeliefert worden waren und zur Sedierung eine parenterale Medikation brauchten, weil sie auf eine verbale Beschwichtigung nicht reagierten und/oder eine orale Medikation nicht wirkte. Ausgeschlossen waren Patienten, die freiwillig oral verabreichte Medikamente nahmen oder unter 18 Jahren waren. Die Patienten wurden vom Sicherheitspersonal fixiert, um eine Verabreichung der Studiensubstanz in die Glutealmuskulatur zu ermöglichen. Nach Verabreichung der Prüfsubstanz (jeweils 10 mg Haloperidol oder Droperidol in 2 ml Lösung) wurden sie in einen separaten Raum mit einer Wiederbelebungsausstattung gebracht und die Fixierung wurde beendet. Nach Gabe des Arzneimittels wurden während der folgenden Beobachtungszeit von 120 min Erregungszustand/Sedierungsgrad des Patienten und Vitalparameter in Intervallen von 10 min bestimmt. Die Sedierung wurde mithilfe einer Skala beurteilt (Sedation Assessment Tool, SAT), die ein Jahr vor Beginn der Studie entwickelt worden war (Tab. 1).

Tab. 1. Skala zur Beurteilung der Sedierung (Sedation Assessment Tool, SAT)

Score

Ansprechbarkeit

Sprache

+3

Streitlustig, gewalttätig, ohne Selbstkontrolle

Ständige (Wut-)Ausbrüche

+2

Sehr ängstlich und agitiert

Laute Ausbrüche

+1

Ängstlich/ruhelos

Normal/mitteilsam

0

Wach und ruhig, kooperativ

Spricht normal

–1

Schläft/erwacht aber, wenn der Name gerufen wird

Lallend, auffallend verlangsamt

–2

Reagiert auf physische Reize

Wenige verständliche Worte

–3

Keine Antwort auf physische Reize

Keine

Primärer Wirksamkeitsparameter war die Zeit von der Verabreichung der Studiensubstanz bis zum Abfall des SAT-Scores um 2 oder mehr beziehungsweise bis zu einem Score von 0. Ausbleibende Sedierung war definiert als keine Sedierung innerhalb der Beobachtungszeit von zwei Stunden. Sekundäre Parameter waren die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse und die Notwendigkeit einer zusätzlichen Sedierung innerhalb der Zeit von 60 min nach Verabreichung der Studiensubstanz. Unerwünschte Ereignisse waren unter anderen definiert als eine Atemfrequenz von<12/min, ein systolischer Blutdruck <90 mmHg, eine Herzfrequenz <60/min und das Auftreten extrapyramidalmotorischer Störungen (EPS). Die Stichprobengröße wurde in einer Powerkalkulation bestimmt.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 228 Episoden bei 206 Patienten ausgewertet. Einige Patienten wurden demnach mehrfach im Rahmen der Studie behandelt. Von den 228 Episoden wurden 110 der Haloperidol- und 118 der Droperidol-Gruppe zugewiesen. Das mediane Alter der Patienten war 33 Jahre, 63% waren männlich. Alle Patienten wurden unfreiwillig eingeschlossen. Von ihnen hatten 50% die primäre Diagnose einer psychischen Erkrankung, bei 31% lag eine Verhaltensstörung aufgrund des Gebrauchs von Psychostimulanzien vor. Bei Einschluss hatten 50% einen SAT-Score von +3 und 49% einen Score von +2.

Eine effektive Sedierung wurde bei 210 der 228 Episoden erreicht. Jeweils neun Patienten pro Gruppe wurden nicht sediert. Die mediane Zeit bis zur Sedierung war in der Haloperidol-Gruppe 20 min und in der Droperidol-Gruppe 25 min. Der Unterschied war nicht signifikant (p=0,89). Nach 50 bis 60 min war bei nahezu allen ansprechenden Patienten die Sedierung erreicht.

Eine zusätzliche Sedierung wurde bei 13% der Haloperidol-Patienten und bei 5% der Droperidol-Patienten durchgeführt (p=0,059). Unerwünschte Ereignisse wurden bei 1% der Haloperidol- und 5% der Droperidol-Patienten festgestellt (p=0,12), darunter eine EPS bei einem Droperidol-Patienten.

Die Autoren sehen die Studie als zusätzlichen Hinweis darauf, dass Haloperidol – wie in früheren Untersuchungen – in Monotherapie wirksam ist und dass Droperidol ähnlich wirksam, aber nicht wirksamer ist.

Kommentar

Die Ergebnisse der Studie könnten darauf hindeuten, dass im Vergleich beider Substanzen Haloperidol etwas besser verträglich ist als Droperidol. Allerdings war die Studie nicht darauf ausgerichtet, signifikante Unterschiede bei den sekundären Wirksamkeitsparametern, wie in der Häufigkeit des Auftretens unerwünschter Ereignisse zu entdecken. Hinzu kommt, dass die kurze Beobachtungszeit nur begrenzt Schlüsse auf die Verträglichkeit der Prüfsubstanzen zulässt. So ist von früheren Studien bekannt, dass EPS unter Haloperidol relativ häufig sind, aber oft erst nach längerer Zeit auftreten, also möglicherweise nach Ende der 2-stündigen Beobachtungszeit in dieser Untersuchung. Andererseits liegt die Studie näher an der klinischen Praxis, da die wesentlichen Einschlusskriterien schwere Aggression und Agitiertheit waren, die eine parenterale Applikation der Medikation nötig machten und das Design Patienten mit Drogen- oder Alkoholmissbrauch in der Vergangenheit nicht ausschloss.

Quelle

Calver L, et al. Droperidol v. haloperidol for sedation of aggressive behaviour in acute mental health: randomized controlled trial. Br. J Psychiatry 2015;206:223–8.

Literatur

1. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) (Hrsg.). Therapeutische Maßnahmen bei aggressivem Verhalten in der Psychiatrie und Psychotherapie. Reihe: S2 Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie, Band 2. Heidelberg/Berlin: Springer, 2010.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(04)