Bipolar-I-Störung

Celecoxib als Adjuvans bei manischen Episoden


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

In einer sechswöchigen doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Entzündungshemmers Celecoxib im Vergleich zu Placebo als Zusatztherapie zu Na-Valproat bei Patienten mit einer akuten bipolaren Manie untersucht. Primärer Wirksamkeitsparameter war die Veränderung des Scores der Young Mania Rating Scale (YMRS) vom Einschluss bis zum Endpunkt (Woche 6). Sekundärer Parameter war unter anderen die Änderung des Scores der Hamilton Depression Rating Scale (HAMD) von Einschluss bis Woche 6. Nach Woche 3 und 6 hatte sich der YMRS-Score unter Celecoxib signifikant stärker gebessert als unter Placebo. Auch bei den sekundären Parametern war die Celecoxib- der Placebo-Behandlung signifikant überlegen. Zwischen beiden Gruppen gab es keine Unterschiede in der Häufigkeit unerwünschter Ereignisse.
Mit einem Kommentar von Priv.-Doz. Dr. D. Angersbach, Wolfratshausen

Die Rolle des Immunsystems bei psychischen Störungen wurde, mit betontem Hinweis auf Entzündungsmediatoren, schon seit Längerem beschrieben. So wurde eine erhöhte Zahl von T-Zellen in allen Phasen der bipolaren Störung sowie ein Anstieg proinflammatorischer Zytokine (Interleukine [IL] 2, 4 und 6) in der manischen Episode nachgewiesen. In der euthymen Phase normalisierten sich die Werte, mit Ausnahme von IL-4. Der Stimmungsstabilisierer Lithium reduzierte IL-2, IL-6, IL-10 und die Interferon-gamma-Spiegel. Bei Versuchstieren regulierten Stimmungsstabilisierer die Arachidonsäure-Kaskade und senkten die Aktivität von Cyclooxygenase 2 (COX-2) und Prostaglandin E2 (PG-E2) im Gehirn. Es wird daher vermutet, dass antiinflammatorische Substanzen, wie COX-2-Inhibitoren, die Symptome einer bipolaren Erkrankung mildern können.

Celecoxib ist ein selektiver COX-2-Inhibitor, der zur Behandlung verschiedener rheumatischer Erkrankungen in Tagesdosen von 200 bis maximal 400 mg zugelassen ist [1]. Die Substanz senkt Prostaglandin- und Zytokin-Spiegel und wurde in Pilotstudien als Zusatztherapie zu Antidepressiva bei der Behandlung der Major Depression mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt. In der vorliegenden sechswöchigen doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Celecoxib als Zusatztherapie zu Valproinsäure in der Behandlung manischer Symptome einer akuten bipolaren Manie untersucht. Die Studie wurde von Juni 2013 bis August 2014 in zwei iranischen Zentren durchgeführt.

Methoden

Eingeschlossen wurden stationäre Patienten im Alter von 18 bis 50 Jahren mit der Diagnose einer bipolaren Störung und einer akuten moderaten bis schweren manischen Episode nach DSM-IV sowie einem YMRS-Score von 20. Ausgeschlossen waren unter anderen Patienten mit einer Psychose (auch bei einer Manie mit psychotischen Merkmalen), Patienten mit Rapid Cycling und Gegenanzeigen für die Behandlung mit Celecoxib. Weiterhin wurden Patienten mit kardialen Erregungsleitungsstörungen, Schilddrüsenerkrankungen, Suizidalität und geistiger Behinderung ausgeschlossen. Geeignete Patienten wurden randomisiert einer Behandlung mit Celecoxib (2-mal täglich 200 mg) oder Placebo zugeteilt. Die Patienten beider Gruppen erhielten zudem täglich 600 mg Natriumvalproat; nach einer Woche wurde die Dosis auf 800 mg/Tag gesteigert.

Primärer Wirksamkeitsparameter war der Abfall des YMRS-Scores vom Einschluss bis zum Endpunkt. Zu den sekundären Parametern gehörten die Remissionsrate (Remission definiert als YMRS-Score 7), Responserate (50% Reduktion des basalen YMRS-Scores) und die Abnahme des HAMD-Scores vom Einschluss bis zum Endpunkt. Die Beurteilungen wurden beim Einschluss und nach den Wochen 1, 3 und 6 vorgenommen. Unerwünschte Ereignisse wurden zunächst mit einer offenen Frage erfasst, anschließend wurden die Patienten noch gezielt anhand einer Checkliste nach Ereignissen befragt.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 48 Patienten (pro Gruppe n=24) eingeschlossen, von denen je ein Patient pro Gruppe ausschied (Zurücknahme des Einverständnisses bzw. Ausschluss wegen Substanzmissbrauchs). Die restlichen Patienten beendeten die Studie protokollgemäß. Die mittleren Serum-Valproat-Konzentrationen am Tag 42 waren 106±22 µg/ml (Celecoxib) und 110±27 µg/ml (Placebo).

Der YMRS-Score fiel bis Woche 6 in der Celecoxib-Gruppe signifikant stärker als unter Placebo (–29,7±21,78 vs. –21,78±7,16; p<0,001; Abb. 1).

Abb. 1. Änderung des mittleren YMRS-Scores unter Celecoxib und Placebo [mod. nach Arabzadeh et al.]. n.s.: nicht signifikant, *p<0,05, **p<0,01

Bei den Remissionsraten zeigten sich in Woche 1 und 3 noch keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, jedoch war nach Woche 6 die Rate in der Celecoxib-Gruppe signifikant höher als in der Placebo-Gruppe (87% vs. 43,5%; p=0,005). Eine Response zeigten in der Celecoxib-Gruppe alle Patienten, in der Placebo-Gruppe waren es 82%. Die Differenz war statistisch nicht signifikant. Die depressiven Symptome, beurteilt mithilfe der HAMD-Skala, besserten sich unter Celecoxib signifikant stärker als unter Placebo (p<0,001).

Unerwünschte Ereignisse traten in den beiden Gruppen mit gleicher Häufigkeit auf, es gab keine signifikanten Unterschiede. Die häufigsten Ereignisse waren Schläfrigkeit, Ruhelosigkeit und gesteigerter Appetit. Ernsthafte unerwünschte Ereignisse oder Todesfälle wurden nicht berichtet. EKG-Veränderungen wurden nicht festgestellt.

  • Kommentar

Diese Pilotstudie zeigte trotz geringer Teilnehmerzahl klare Ergebnisse: Celecoxib war wirksam als Zusatztherapie zu Valproinsäure in der Behandlung bipolarer manischer Episoden, und auch die begleitenden depressiven Symptome verbesserten sich signifikant. Celecoxib ist weithin nicht als psychotrope, sondern als antiphlogistische Substanz bekannt. Die in dieser Studie gezeigte Wirksamkeit stützt die Vermutung, dass bei affektiven Störungen entzündliche Prozesse ablaufen und entzündungshemmende Substanzen in der Therapie dieser Erkrankungen hilfreich sein können. Bemerkenswert ist die überaus gute Verträglichkeit dieser Zusatzbehandlung. Es gab keine signifikanten und auch nahezu keine numerischen Unterschiede im Auftreten unerwünschter Ereignisse zwischen der Celecoxib- und Placebo-Behandlung. Für die gute Verträglichkeit und Wirksamkeit von Celecoxib spricht auch, dass nahezu alle behandelten Patienten die Studie beendeten.

Wie die meisten anderen hat auch die vorliegende Studie besonders wegen der umfangreichen Ausschlusskriterien kein naturalistisches Design. Zudem gäbe es noch Fragen zu den Methoden der Durchführung. So werden das Randomisierungs- und das Verblindungsverfahren nicht beschrieben und auch die geringe Kohortenstärke und die niedrige Natriumvalproat-Dosis könnten die Aussagefähigkeit der Studie mindern. Allerdings wurde die notwendige Teilnehmerzahl in einer Powerkalkulation ermittelt und gezeigt, dass die Serum-Valproat-Spiegel im oberen Drittel des therapeutischen Bereichs lagen. So wäre doch aufgrund der darin gezeigten Wirksamkeit und guten Verträglichkeit von Celecoxib eine Untersuchung der hier untersuchten Fragestellungen in einer größer angelegten aussagefähigen Prüfung wünschenswert.

Quelle

Arabzadeh S, et al. Celecoxib adjunctive therapy for acute bipolar mania: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Bipolar Disord 2015;17:606–14.

Literatur

1. Fachinformation Celebrex® 100 mg/200 mg Hartkapseln, Juli 2015.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(03)