Protonenpumpenhemmer

Bei regelmäßiger Einnahme steigt das Demenzrisiko


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Die regelmäßige Einnahme von Protonenpumpenhemmern ist bei über 75-Jährigen mit einem erhöhten Risiko für eine Demenzentwicklung assoziiert. Das zeigt eine große Registerstudie mit über 73000 AOK-Versicherten.

Die Zahl der Verordnungen von Protonenpumpenhemmern (PPI), vor allem für ältere Patienten, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Dabei ist einer Beobachtungsstudie zufolge in bis zu 60% der Fälle die gastrointestinale Diagnose nicht ausreichend dokumentiert. Diese Entwicklung ist auch deshalb besorgniserregend, weil Protonenpumpenhemmer mit einem erhöhten Demenzrisiko in Verbindung gebracht werden. Dies zeigte die 2015 publizierte German Study on Aging, Cognition and Dementia in Primary Care Patients (AgeCoDe), in der noch zu Hause lebende Senioren, die PPI einnahmen, im Verlauf der folgenden Jahre signifikant häufiger eine Demenz entwickelten als Senioren ohne PPI-Einnahme (Hazard-Ratio [HR] 1,38; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,04–1,83).

Eine Erklärung für diese Assoziation bieten die unter PPI verminderte Vitamin-B12-Resorption und der damit vor allem bei Älteren einhergehende kognitive Abbau. Außerdem zeigten Experimentalstudien, dass PPI die Beta-Amyloid-Spiegel in den Gehirnen von Mäusen ansteigen ließen.

Die AgeCoDe-Studie umfasste 3327 Studienteilnehmer über 75 Jahre, bei denen umfangreiche neuropsychologische Tests sowie Komorbiditäten und Medikation erfasst wurden. Um weitere Belege für den postulierten Zusammenhang zu gewinnen, wurde – quasi methodisch komplementär zur AgeCoDe-Studie – eine Registerstudie mit Daten der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) durchgeführt. Der Vorteil dieser Registerstudie liegt in der sehr großen Fallzahl. Nachteil ist die vergleichsweise geringe Qualität der Zieldiagnose Demenz – ein Nachteil, den jede Studie aufweist, die auf administrative Daten zurückgreift [1, 2].

Methodik

Einbezogen in die Analyse waren AOK-Versicherte im Alter von über 75 Jahren, die zu Beginn des ausgewerteten Zeitraums von 2004 bis 2011 noch keine Demenz (nach ICD-10) hatten und von denen Arzneimittelverordnungen kontinuierlich über ein mindestens 18-monatiges Intervall verfolgt werden konnten. Als regelmäßig PPI-exponiert wurden Patienten eingestuft, die über einen zusammenhängenden Zeitraum von 18 Monaten mindestens eine PPI-Verordnung pro Quartal erhalten hatten. Eine zeitabhängige Cox-Regressionsanalyse unter Adjustierung auf Störfaktoren wie Alter, Geschlecht, Komorbiditäten und Polypharmazie sollte die eventuelle Assoziation zwischen regelmäßiger PPI-Einnahme und der Diagnose Demenz aufzeigen.

Ergebnisse

Von den 73679 ausgewerteten Patienten erhielten 2950 regelmäßig PPI. 77,9% der Patienten waren Frauen, das Durchschnittsalter betrug 83,8 Jahre.

Patienten mit einer regelmäßigen PPI-Verordnung hatten im Vergleich zu den übrigen Patienten ohne PPI-Verordnung (n=70729, Durchschnittsalter 83,0 Jahre, 73,6% Frauen) mit einem Hazard-Ratio von 1,44 (95%-KI 1,36–1,52; p<0,001) ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Demenz. Dieser Effekt war bei Männern etwas stärker ausgeprägt als bei Frauen.

Bei Untersuchung der drei am häufigsten verordneten PPI ergab sich für Omeprazol und Pantoprazol ein in vergleichbarem Maß und bei Esomeprazol ein etwas stärker erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Demenz (HR 1,51 vs. 1,58 vs. 2,12).

Diskussion und Fazit der Studienautoren

Mit diesen Ergebnissen bestätigt sich erneut die Assoziation zwischen einer PPI-Einnahme und der Entwicklung einer Demenz, schreiben die Studienautoren. Ihr Fazit: Durch eine restriktivere Verordnung von Protonenpumpenhemmern könnte vielleicht der ein oder andere Fall einer Demenz verhindert werden. Das sollte nun in randomisierten klinischen Studien weiter untersucht werden. Auch die biologischen Zusammenhänge müssten noch näher erforscht werden [1].

Kommentar zur Studie

Möglicherweise ist der Zusammenhang zwischen einer PPI-Verordnung und einer Demenzentwicklung aber auch nur indirekt kausal, was zum Teil in dieser Studie schon berücksichtigt wurde, so der Kommentator der Studie [2]. Epidemiologische Studien zeigen nämlich, dass Personen, denen Protonenpumpenhemmer verordnet werden, insgesamt einen schlechteren Gesundheitsstatus haben und damit auch ein erhöhtes Demenzrisiko aufweisen. So könnte beispielsweise Übergewicht vermehrt Arthritis zur Folge haben, deren Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika gerade bei Älteren gerne unter einem „PPI-Schutz“ durchgeführt wird. Oder Ältere mit hohem Alkoholkonsum, die wahrscheinlich schon primär einen Vitamin-B12-Mangel haben, entwickeln eine Gastritis oder gar ein Ulkus und erhalten ebenfalls einen PPI. Übergewicht und die damit einhergehenden metabolischen Erkrankungen sowie erhöhter Alkoholkonsum gelten aber bereits als primäre Risikofaktoren für demenzielle Erkrankungen.

Doch wie die Dinge letztlich auch sein mögen, Verdienst der vorliegenden Studie ist es auf jeden Fall, Arzneimittel als Risikofaktor für die Entstehung einer Demenz in den Fokus gestellt zu haben, so der Kommentator. Dies sei ein neuer Ansatz in der Demenzrisikoforschung.

Quellen

1. Gomm W, et al. Association of proton pump inhibitors with risk of dementia. A pharmacoepidemiological claims data analysis. JAMA Neurol 2016;73:410–6.

2. Kuller LH. Do proton pump inhibitors increase the risk of dementia? JAMA Neurol 2016;73:379–81.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(03)