Verordnung von typischen und atypischen Antipsychotika (FGA, SGA) nach Versorgungs-Sektoren


Gerd Laux, Haag i. OB/München

Die Verordnung von sogenannten atypischen Antipsychotika (Second generation antipsychotics – SGA) ist Standard der heutigen Schizophrenie-Therapie. Von Aripiprazol, Olanzapin, Paliperidon und Risperidon liegen auch Depot-Formulierungen vor. Non-Compliance/-Adhärenz ist ein zentrales Problem der Behandlung schizophrener Patienten. Die Entwicklung von Depot-Antipsychotika führte bislang nicht zu einer relevanten Verbesserung dieser Situation, nur knapp 10% der Patienten werden derzeit auf ein Depot eingestellt. Die Datenlage zu einer Überlegenheit der Depot-Applikation vs. oraler Medikation ist kontrovers. Die Sektoralisierung des deutschen Versorgungssystems gilt als eine wesentliche Ursache für Ineffizienzen – insbesondere bei Patienten mit schweren chronischen Erkrankungen kommt es zu Kontinuitätsbrüchen. Ergebnisse einer großen Studie zur Versorgung aus sektorenübergreifender Perspektive von fast 38000 Schizophrenie-Fällen zeigen, dass etwa 68% der Patienten fachärztlich versorgt werden, davon 53% ausschließlich. Je nach Arztdichte bestehen erhebliche regionale Unterschiede. Nach Erstdiagnose fand eine Behandlung durch den niedergelassenen Facharzt bei etwa 38% der Patienten binnen sechs Wochen statt. Etwa die Hälfte der Schizophrenie-Patienten hatte im Zeitraum von vier Wochen nach Entlassung aus stationärer Behandlung keine Anschlussbetreuung durch Fachärzte, 21% auch keine hausärztliche Betreuung. Dies steht einer indizierten kontinuierlichen Arzneimitteltherapie entgegen. Die stationäre Wiederaufnahmerate war bei Patienten ohne vertragsärztliche Anschlussbetreuung unmittelbar nach Entlassung signifikant höher. Hinsichtlich der Verordnung von Depot-Antipsychotika zeigten sich deutliche Unterschiede in den Versorgungs-Sektoren (ambulant Hausarzt, Facharzt; PIA; stationär; Heim). Zur Verbesserung der Situation sind die Einführung eines einheitlichen Medikationsplans, eine Optimierung des Schnittstellen-Managements sowie adäquate leistungsgerechte Vergütungsanpassungen dringlich angezeigt.
Schlüsselwörter: Antipsychotika, Pharmakoepidemiologie, Versorgung
Psychopharmakotherapie 2016;23:67–72.

Schizophrene Psychosen gehören zu den häufigen, wichtigen und auch gesundheitsökonomisch relevanten psychischen Erkrankungen. Eine zentrale Rolle für ihre Behandlung spielt die medikamentöse Therapie mit Antipsychotika [16]. Hochpotente typische Neuroleptika (First generation antipsychotics, FGA) oder mehr und mehr sogenannte atypische Antipsychotika (Second generation antipsychotics, SGA) sind gut wirksam in der Akuttherapie und zur Rezidivprophylaxe [2, 9, 16, 21]. Sowohl für die Akutbehandlung als auch die Langzeitbehandlung/Rezidivprophylaxe liegen nationale und internationale Leitlinien vor, beispielsweise die Guideline des Weltverbandes für Biologische Psychiatrie [9]. Für die Langzeitbehandlung werden von einigen Leitlinien Depot-Antipsychotika insbesondere der zweiten Generation (SGA) empfohlen [26]. Lange Zeit wurde debattiert, ob eine intermittierende Applikation einer kontinuierlichen Neuroleptika-/Antipsychotika-Erhaltungstherapie angesichts möglicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen vorzuziehen sei. Longitudinalstudien kamen aber zu dem Ergebnis, dass die kontinuierliche Medikation die beste Rezidivprophylaxe-Strategie für Patienten mit multiplen Episoden ist [8, 27]. Ein Review kam zu dem Ergebnis, dass nach Absetzen der antipsychotischen Medikation 77% der Patienten binnen eines Jahres wieder erkrankten [34].

Antipsychotika-Verordnungen

Dem Arzneiverordnungs-Report sowie dem Arzneimittel-Atlas sind die ambulanten GKV-Verordnungen von Neuroleptika/Antipsychotika in Deutschland zu entnehmen [10, 29]. 2014 wurden 183 Mio. DDD (Defined daily doses) SGA, 75 Mio. DDD niederpotente Neuroleptika und 67 Mio. DDD FGA verordnet [29]. Insgesamt zeigt der Neuroleptika-Verbrauch in den letzten Jahren ein verlangsamtes Wachstum, wobei sich eine Zunahme in der Geriatrie abzeichnet – 60% aller Neuroleptika werden für über 60-Jährige verordnet, die Hälfte der Pflegeheimbewohner mit Demenz erhält ein Neuroleptikum. Indikation für Neuroleptika/Antipsychotika sind keinesfalls nur schizophrene Psychosen, auch wenn die Substanzen in der Regel nur hierfür zugelassen sind („Off-Label-Use“). Der Anteil der SGA liegt jetzt bei 57%, die Substanzen Quetiapin, Risperidon und Olanzapin machen 71% der Verordnungen aus. Es bestehen deutliche regionale Unterschiede in der Antipsychotika-Verordnung.

Daten zur stationären Verordnung von Neuroleptika/Antipsychotika sind unter anderem dem Pharmakovigilanz-System AGATE (Arbeitsgemeinschaft Arzneimitteltherapie bei psychiatrischen Erkrankungen) zu entnehmen. Hiernach gehören Neuroleptika zu den Top-10-Psychopharmaka [28].

Adhärenz-/Compliance-Problem

Ein zentrales Problem der Schizophrenie-Therapie ist die Non-Compliance bzw. Non-Adhärenz. In Studien zeigten sich Prävalenzraten für Non-Compliance von durchschnittlich 41 bis 50%; dem Entlassungsmanagement und der Nachsorge-Organisation wurde hohe Relevanz für die Verbesserung der Compliance-Raten zugeschrieben [18]. Für SGA wurde eine 1-Jahres-Compliance von 55%, für FGA von 50% gefunden [5]. Eine große Studie von fast 4000 Medicaid-Patienten fand sechs Monate nach Entlassung aus stationärer Behandlung bei auf Depot eingestellten Patienten eine bessere Adhärenz im Vergleich zu oraler Behandlung (Non-Compliance-Rate 53% vs. 68%); eine niedrigere Rehospitalisierungsrate fand sich nur für SGA-Depots vs. FGA-Depots. Ein hoher Prozentsatz der Patienten setzt die erforderliche Langzeitmedikation ab [24]. Eine Metaanalyse von randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) fand keinen Unterschied zwischen Depot- und oraler Behandlung [22]. Eine Analyse von 13 Beobachtungsstudien (n=6235) fand eine hohe Varianz der Adhärenz-Raten, als relevante Faktoren fanden sich eine positive Einstellung zur Medikation und vorhandene Krankheitseinsicht [30]. Eine RCT konnte belegen, dass ein Apotheken-Interventionsprogramm (Meds-Help) im Vergleich zum üblichen Vorgehen die Adhärenz verbesserte [33]. Eine Studie bei Psychose-Kranken mittleren und höheren Alters kam zu dem Ergebnis, dass die Non-Compliance-Raten bei Antipsychotika ähnlich waren wie bei Antihypertonika, Antidiabetika und Lipidsenkern, nämlich 36 bis 48% nach einem Jahr [6]. Im Bereich der forensischen Psychiatrie besitzt die Sicherung der medikamentösen Compliance besondere Bedeutung, denn medikamentöse Non-Compliance ist hier ein wesentlicher Prädiktor für Delinquenz; Antipsychotika kommt eine antiaggressive Wirksamkeit zu [31].

Die SOHO(Schizophrenia outpatients health outcomes)-Studie zeigte eindrucksvoll die Bedeutung der Medikamenten-Adhärenz für die Genesung („Recovery“) [25].

Depot-Verordnungen

Angesichts der Tatsache, dass etwa 75% aller Schizophrenie-Patienten wegen hoher Non-Compliance ein Rezidiv erleiden, kommt Depot-Formulierungen – insbesondere nach Einführung von atypischen Antipsychotika (SGA) in Depotform – hohe Bedeutung zu [4, 17, 21]. Die Entwicklung von Depot-Neuroleptika führte aber bislang nicht zu einer relevanten Verbesserung der Non-Adhärenz. Zahlreiche Studien gingen der Frage nach, ob Depot-Antipsychotika insbesondere in Hinblick auf die Compliance einer oralen Langzeitmedikation überlegen sind.

Die Datenlage zur Überlegenheit einer Depot-Behandlung im Vergleich zur oralen Therapie ist kontrovers: In RCTs und RCT-Metaanalysen fand sich meist kein signifikanter Unterschied [13, 14, 22], während in Kohorten- und Beobachtungsstudien beispielsweise in Finnland und in Metaanalysen Depot-Antipsychotika hinsichtlich Rückfällen und Rehospitalisierung günstiger abschnitten [13, 15, 23, 32]. Entscheidend hierfür dürften methodologische Faktoren sein – beispielsweise erfolgt in RCTs für den oralen Behandlungsarm eine intensivere Betreuung als unter Praxisbedingungen.

In den meisten Ländern liegt der Einsatz von Depot-Antipsychotika bei unter 10%, auch in jüngster Zeit [24], obwohl Patientenbefragungen ergeben haben, dass viele Patienten gegenüber einer Depot-Einstellung aufgeschlossen sind. Ein großes Versorgungsklinikum in Oberbayern behandelte in den Jahren 2013 und 2014 von fast 3000 Fällen schizophrener Psychosen 9,8% mit Depot-Antipsychotika. Daten aus der forensischen Psychiatrie ergeben, dass 50 bis 88% der Schizophrenen auf Depots eingestellt werden [31]. Bemerkenswert ist der Versuch, basierend auf klinischen Erfahrungen eine Patientenadhärenz-Typologie aufzustellen [3].

Sektorale Versorgung

Innerhalb der Medizin weist die Psychiatrie das differenzierteste Versorgungssystem auf. Für Patienten mit psychischen Krankheiten bedarf es einer Akut-/Notfallversorgung ebenso wie angesichts des nicht seltenen chronischen Krankheitsverlaufs auch Einrichtungen zur rehabilitativen Versorgung [1]. Abbildung 1 gibt eine Übersicht über die Versorgungs-Sektoren.

Abb. 1. Sektoren der psychiatrischen Versorgung; API: Allgemeinmediziner/praktische Ärzte/Internisten; PIA: psychiatrische Institutsambulanz; RPK: Rehabilitationseinrichtung für psychisch kranke Menschen

Für chronisch kranke Patienten hat sich als Behandlungs- und Versorgungssystem der gemeindepsychiatrische Verbund (GPV) vernetzt mit ambulanter und stationärer Versorgung sowie komplementären Einrichtungen und Diensten etabliert (Abb. 2).

Abb. 2. Versorgung chronisch psychisch Kranker in Deutschland im gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV)

Sektorierung bedeutet die Beteiligung unterschiedlicher Leistungssektoren und Kostenträger mit zahlreichen inter- und intrasektoralen Schnittstellen. Gesundheitspolitisch wird seit längerer Zeit an einer besseren Vernetzung und Integration der sektoralen Versorgung gearbeitet, da die Sektorierung als wesentliche Ursache von Versorgungsdefiziten und Ineffizienzen anzusehen ist. Bei oftmals vergleichbaren Leistungen bestehen teilweise deutliche Vergütungsunterschiede. Es ist zu vermuten, dass die sektorale Behandlungsstruktur nicht rein therapeutisch begründbar, sondern abhängig von vorhandenen Angebotskapazitäten und der Vergütungssituation ist.

Studie zur Versorgung aus sektorenübergreifender Perspektive

Die Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Berufsverbands Deutscher Nervenärzte (BVDN), des Berufsverbands Deutscher Psychiater (BVDP), der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) wurden 2014 in einem zusammenfassenden Bericht vorgelegt [11]. Sie umfasst unter anderem eine Versorgungsanalyse von 37950 Schizophrenie-Fällen der Jahre 2008 bis 2010. Hiernach werden etwa 68% der Patienten fachärztlich versorgt, davon 53% ausschließlich fachärztlich. Je nach Arztdichte bestehen erhebliche regionale Unterschiede. Von psychiatrischen Instituts-Ambulanzen (PIA) wurden knapp 18% versorgt, etwa 15% der Patienten waren binnen eines Jahres mindestens einmal in stationärer Behandlung (seltener, wenn intensivere hausärztliche und/oder fachärztliche Betreuung bestand).

Auf Basis des Bundesarztregisters der KBV sowie der Bevölkerungsstatistik des statistischen Bundesamts lassen sich erhebliche regionale Unterschiede in der Anzahl von Hausärzten und nervenärztlich-psychiatrischen Fachärzten pro 100000 Einwohner eruieren. Unter anderem besteht ein deutliches Gefälle zwischen süddeutschen Regionen und den neuen Bundesländern. Den Anteil der Schizophrenie-Patienten mit mindestens einem Krankenhausaufenthalt nach Regionen gibt Abbildung 3 wieder.

Abb. 3. Bundesweite Verteilung schizophrener Patienten mit mindestens einem Krankenhausaufenthalt [modif. nach 11]

Der Anteil schizophrener Patienten mit ausschließlich fachärztlicher Versorgung nach Stadt und Landkreisen ist in Abbildung 4 wiedergegeben.

Abb. 4. Bundesweite Verteilung schizophrener Patienten mit ausschließlicher Facharztversorgung [mod. nach 11]

Dem IGES-Bericht auf Basis der Barmer-GEK-Daten ist die Häufigkeit von Schnittstellen zu entnehmen [11] (siehe Tab. 1).

Tab. 1. Häufigkeit und Art intersektoraler und fachgebietsbezogener Schnittstellen in der Versorgung von Schizophrenie-Patienten, 2008–2010 [11]

Anzahl Schizophrenie-Patienten

Anteil an Schizophrenie-Patienten insgesamt
[%]1)

Ambulant

Kranken-
haus

Pflege

Rehabilitation

Hausarzt

Facharzt2)

Arzneimittel

12125

41,7

X

X

X

4833

16,6

X

X

X

X

2274

7,8

X

X

1976

6,8

X

X

1901

6,5

X

X

X

X

1289

4,4

X

X

X

1115

3,8

X

601

2,1

X

X

535

1,8

X

X

X

X

X

528

1,8

X

X

X

340

1,2

X

X

X

1) Anzahl der Schizophrenie-Patienten im Gesamtzeitraum 2008–2010 in Analysepopulation=29109

2) Facharzt der Fachgruppe Neurologie, Nervenheilkunde oder Psychiatrie

78% der Schizophrenie-Patienten nahm drei Sektoren der Versorgung in Anspruch, 27% sogar vier.

Nach Erstdiagnose fand eine Behandlung durch den niedergelassenen Facharzt binnen sechs Wochen bei etwa 38% der Patienten statt (durchschnittliche Dauer bis zum Facharztkontakt 16,3 Tage). Ohne Arztkontakt binnen sechs Wochen blieben etwa 22% der Patienten. Abbildung 5 gibt die Verteilung der Schizophrenie-Patienten nach Behandlungssektor vier Wochen bzw. fünf bis zwölf Wochen nach stationärer Behandlung wieder.

Abb. 5. Verteilung der Schizophrenie-Patienten nach Behandlungssektor vier Wochen bzw. fünf bis zwölf Wochen nach einem Schizophrenie-bedingten Krankenhausaufenthalt, 2010 [mod. nach 11]

Generell sollen Schizophrenie-Patienten nicht in einer PIA versorgt werden, wenn gleichzeitig eine psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung durch Vertragsärzte stattfindet. Von den durchschnittlich 18% (11–31%) der Schizophrenie-Patienten mit PIA-Behandlung wurden 87% zusätzlich hausärztlich und 13,5% fachärztlich versorgt. Von 1998 bis 2013 haben sich die Ausgaben für PIA-Behandlungen fast verzehnfacht.

Rund 53% der Schizophrenie-Patienten hatten im Zeitraum von vier Wochen nach Entlassung aus stationärer Behandlung keine Anschlussbetreuung durch Fachärzte, 21% auch keine hausärztliche Betreuung. Dies wird hinsichtlich einer kontinuierlichen Arzneimitteltherapie zu Recht kritisch gesehen. Eine höhere Facharztdichte vergrößerte die Wahrscheinlichkeit einer ambulanten fachärztlichen Anschlussbehandlung nach Krankenhaus-Entlassung.

Eine stationäre Wiederaufnahme nach Entlassung erfolgte innerhalb von einem Monat bei 15%, innerhalb von zwei Monaten bei 21% und innerhalb von drei Monaten bei 24% der Patienten. Die Wiederaufnahmerate war bei Patienten ohne vertragsärztliche Anschlussbetreuung unmittelbar nach Entlassung signifikant höher. Eine bedarfsgerechte (ambulante oder stationäre) Reha-(Anschluss-)Behandlung findet praktisch nicht statt.

Antipsychotika-Verordnungen nach Versorgungssektoren

Basierend auf den Daten von IMS Health verteilt sich die Verordnung von Antipsychotika insgesamt, von Depot-Antipsychotika und dem neuen Depot-Antipsychotikum Aripiprazol (Abilify maintena) nach Versorgungssystem wie in Tabelle 2 dargestellt

Tab. 2. Verordnungen von Antipsychotika in Deutschland nach Versorgungssystem (nur GKV*, 2014/2015; IMS Health)

Wirkstoff(gruppe)

Zähleinheiten1

API

NPN

PIA

Klinik stationär

SGA gesamt

(Atypika, N05A1)

537081407

22%

45%

24%

8%

SGA Depot

587215

5%

41%

44%

11%

FGA gesamt (Typika, N05A9)

495141371

38%

36%

17%

10%

FGA Depot

1428597

49%

28%

16%

7%

Aripiprazol Depot

Umsatzverteilung auf DDD-Basis

1%

26%

33%

38%

API: Allgemeinärzte/Praktiker/Internisten; NPN: Nervenärzte, Psychiater, Neurologen; PIA: psychiatrische Institutsambulanzen; * PKV-Anteile ca. 4–7%; 1Tabletten, Kapseln, Ampullen etc.

Ausblick

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass deutliche Unterschiede in der Verordnung von Antipsychotika in den Versorgungssektoren bestehen.

Als Beispiel für eine Verbesserung der Situation kann das sogenannte Hamburger Modell der integrierten Versorgung (IV) von Patienten mit psychotischen Erkrankungen dienen:

In dieser naturalistischen, prospektiven 4-Jahres-Langzeitstudie zeigte sich eine signifikante und anhaltende Verbesserung der psychotischen Symptomatik, der Alltagsfunktion, der Lebensqualität, der Behandlungszufriedenheit sowie eine starke Verbesserung der Behandlungsadhärenz bei einer Zunahme der Behandlungsdichte und -qualität durch die IV [12, 19]. Aktuell stehen Depressionen und „Burnout“ im Zentrum von Gesundheitsökonomie und -politik. Für die Psychotherapie dieser Störungen werden hohe Summen ausgegeben. Es scheint dringend angezeigt, die Defizite in der Versorgung Psychose-Kranker vor allem durch die Verbesserung sektoraler Schnittstellen aufzugreifen und anzugehen. Beiträge hierzu könnten die Einführung eines einheitlichen standardisierten Medikationsplans und die konsequentere Verordnung von Depot-Antipsychotika sein.

Danksagung

IMS Health, Fr. C. Meisel, Senior Account Manager, stellte dankenswerterweise die Marktstudiendaten der abgerechneten GKV-Rezepte nach ATC aus den Apothekenzentren in Deutschland zur Verfügung, Prof. Dr. P. Zwanzger und Fr. Dr. S. Artmann die Bado-Daten des kbo-Inn-Salzach-Klinikums Wasserburg a. Inn/Freilassing

Interessenkonflikterklärung

GL hat Honorare für Vorträge und wissenschaftliche Tätigkeit in Advisory/Expert Boards sowie Drittmittelforschungsmittel erhalten von den Firmen Bayer, Janssen-Cilag, Lundbeck, Otsuka und SERVIER.

Literatur

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Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Gerd Laux, Institut für Psychologische Medizin (IPM), Oberwallnerweg 7, 83527 Haag i. OB, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität, Nussbaumstraße 7, 80336 München, E-Mail: ipm@ipm-laux.de

Prescription of first and second generation antipsychotics according different psychiatric services

Antipsychotic medications are a central component of effective treatment for schizophrenia, second generation antipsychotics (SGA) like aripiprazole, olanzapine, paliperidone and risperidone are available now as depot medications (long acting injectable, LAI). Nonadherence is a significant and clinically highly relevant problem for the majority of patients. Evidence of potential advantages of LAI regarding compliance and versus oral treatment is controversial. So far only 10% of patients are treated with LAI. In Germany different psychiatric services („Sektorierung“) account for inefficacy and loss of treatment continuity. Studies show that about 68% of schizophrenics are treated by psychiatrics (53% together with GPs). After discharge from hospital half of the patients have no psychiatric outpatient treatment, followed by a higher rate of rehospitalization. Relapse risks are reduced by SGA LAI in some studies. Prescription of FGA und SGA and LAI are different in psychiatric services (GPs, psychiatrists in practice, hospital). The role of LAI is eminent in forensic psychiatry. Optimization of coordination, continuity of care is an emergent goal to improve treatment of schizophrenic patients in different services avoiding interruption and switches of medications. Integrated care models are promising and ongoing.

Key words: Antipsychotics, depot-antipsychotics, service and care

Psychopharmakotherapie 2016; 23(02)