Schizophrenie

Brexpiprazol lindert Positiv- und Negativsymptome


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

In zwei Placebo-kontrollierten doppelblinden Zulassungsstudien mit identischem Design erhielten Patienten mit einer akuten Schizophrenie über sechs Wochen einmal täglich eine feste Dosis von Brexpiprazol. Primärer Wirksamkeitsparameter war die Änderung des Scores der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) vom Einschluss bis zum Endpunkt. Sekundäre Parameter waren unter anderen die Änderungen der Scores der Positiv- und Negativ-Subskala der PANSS und des Scores der Clinical Global Impression Scale, Teil Schweregrad der Erkrankung (CGI-S). In beiden Studien führte eine tägliche Dosis von 4 mg – in einer der Studien auch von 2 mg/Tag – im Vergleich mit Placebo zu einer signifikanten Reduktion des PANSS-Scores. Auch die meisten der sekundären Parameter, darunter die Scores der PANSS-Subscales, änderten sich im Vergleich zu Placebo signifikant. Die Behandlung erwies sich als gut verträglich. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen in allen Behandlungsgruppen waren Insomnie, Kopfschmerz und Agitation.
Mit einem Kommentar von Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Eine zufriedenstellende Behandlung der Schizophrenie erfordert neben einer guten Verträglichkeit eine breitgefächerte Symptomkontrolle. Die neueren, sogenannten atypischen Antipsychotika sind zwar verträglicher als die älteren Substanzen, wirken jedoch vorwiegend gegen positive Symptome. Weiterhin haben auch sie zum Teil beeinträchtigende Nebenwirkungen, zum Beispiel Gewichtszunahme, Sedierung, QTc-Intervall-Verlängerung oder extrapyramidal-motorische Störungen (EPMS). Es besteht daher weiterhin der Bedarf nach neuen Substanzen mit einem breiten Wirkungsspektrum und guter Verträglichkeit.

Brexpiprazol (Abb. 1) ist auf der strukturellen und pharmakologischen Basis von Aripiprazol entwickelt worden, hat also eine ähnliche Struktur und ist – wie die Ausgangssubstanz – ein partieller Agonist des Serotonin(5-HT)1A- und des Dopamin-D2-Rezeptors sowie ein Antagonist des 5-HT2A- und des Noradrenalin-α1B/2C-Rezeptors. Im Vergleich mit Aripiprazol zeigt Brexpiprazol jedoch einen partiellen Agonismus mit einer geringeren intrinsischen Aktivität auf den D2-Rezeptor und ist ein stärkerer 5-HT2A-Rezeptor-Antagonist. Brexpiprazol hat also ein geringeres Potenzial, Dopamin-induzierte unerwünschte Wirkungen wie Akathisie, Schlaflosigkeit oder Ruhelosigkeit hervorzurufen. Aufgrund des partiellen D2-Agonismus sind weniger Dopamin-antagonistische Effekte, wie EPMS oder tardive Dyskinesie, zu erwarten als bei einem vollen Antagonisten.

Abb. 1. Brexpiprazol

Brexpiprazol wurde im Juli 2015 von der FDA in den USA zur Behandlung der Schizophrenie und als Zusatztherapie zu einem Antidepressivum zur Behandlung der Major Depression zugelassen. Das Ziel der beiden vorliegenden Placebo-kontrollierten Phase-III-Studien war die Untersuchung der Wirksamkeit und Verträglichkeit dreier fester Dosen von Brexpiprazol (Studie I: 1, 2 und 4 mg/Tag; Studie II: 0,25, 2 und 4 mg/Tag) im Vergleich zu Placebo. Die Studien wurden von 64 bzw. 65 Zentren in Amerika, Europa und Asien durchgeführt: Studie I von Juli 2011 bis Januar 2014, Studie II von August 2011 bis Dezember 2013.

Methoden

Eingeschlossen wurden stationäre Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren mit der DSM-IV-TR-Diagnose einer Schizophrenie und einer akuten Exazerbation. Ausgeschlossen waren Patienten mit der ersten Episode einer Schizophrenie, mit einer weiteren Achse-I-Erkrankung, tardiver Dyskinesie, schwerer Akathisie und mit Substanzmissbrauch in der Vorgeschichte. Die Studien waren in drei Phasen unterteilt: eine 2-wöchige Screening-Phase, eine 6-wöchige doppelblinde Behandlungsphase und eine Nachbeobachtungszeit von 30 Tagen. Die geeigneten Patienten wurden im Verhältnis 2:3:3:3 (Studie I) bzw. 1:2:2:2 (Studie II) randomisiert auf die vier Behandlungsgruppen (3 Brexpiprazol-Dosen + Placebo) aufgeteilt. Es wurde erwartet, dass die niedrigste Dosis (0,25 mg/Tag bzw. 1 mg/Tag Brexpiprazol) unwirksam sein würde, deshalb wurden diesen Kontrollgruppen weniger Patienten zugeteilt. Die Patienten in der 2-mg- und 4-mg-Gruppe begannen mit der Einnahme von 1 mg/Tag. Die Dosis wurde an Tag 5 auf 2 mg und an Tag 8 auf 4 mg/Tag erhöht. Primärer Wirksamkeitsparameter war die Änderung des Scores der PANSS vom Einschluss bis zum Endpunkt (Woche 6). Sekundäre Parameter waren unter anderen die Änderungen der Scores der Clinical Global Impression Scale, Bereiche Schweregrad und Besserung (CGI-S und CGI-I) und die Änderung der Scores der PANSS-Positiv- und PANSS-Negativ-Subskala vom Einschluss bis Woche 6.

Zur Beurteilung der Sicherheit und Verträglichkeit gehörten unter anderen die Erfassung unerwünschter Ereignisse, körperliche Untersuchungen, Laboruntersuchungen und EKG. EPMS wurden mithilfe der Simpson Angus Scale (SAS), Abnormal Involuntary Movement Scale (AIMS) und der Barnes Akathisia Rating Scale (BARS) beurteilt.

Ergebnisse

Patienten

In Studie I wurden 674 Patienten randomisiert (Placebo n=184, Brexpiprazol 1 mg n=120, 2 mg n=186 und 4 mg n=184), in Studie II waren es 636 Patienten (Placebo n=178, Brexpiprazol 0,25 mg n=87, 2 mg n=180 und 4 mg n=178). Es beendeten jeweils mehr Brexpiprazol- als Placebo-Patienten die Studie (Studie I: 67,5, 69,4 und 70,7 vs. 64,1%; Studie II: 62,2, 68,1 und 67,2 vs. 59,2%). In beiden Studien waren die Patienten deutlich krank. Der mittlere PANSS-Score lag bei Einschluss zwischen 93,3 und 96,3 (Studie I) bzw. zwischen 93,4 und 95,9 (Studie II), der mittlere Score der CGI-S-Skala zwischen 4,9 und 5 bzw. zwischen 4,8 und 4,9.

Wirksamkeit

In beiden Studien änderte sich der primäre Wirksamkeitsparameter, die Abnahme des PANSS-Scores vom Einschluss bis Woche 6, im Vergleich zu Placebo signifikant. In Studie I war nur die Behandlung mit 4 mg/Tag der Placebo-Behandlung statistisch überlegen (p=0,0022), während die Ergebnisse in der 1-mg- bzw. 2-mg-Gruppe nur numerisch, aber nicht statistisch besser waren als in der Placebo-Gruppe. In Studie II war sowohl die Behandlung mit 2 mg/Tag (p<0,0001) als auch mit 4 mg/Tag (p=0,0006) der Placebo-Behandlung signifikant überlegen (Abb. 2).

Abb. 2. Mittlere Änderungen des PANSS-Scores bei Patienten mit einer Schizophrenie unter der Behandlung mit drei festen Brexpiprazol-Dosen oder Placebo; *p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001 (jeweils Brexpiprazol vs. Placebo) [Correll et al.]

Auch die Änderungen in den sekundären Wirksamkeitsparametern im Vergleich zu Placebo waren in Studie I nur unter 4 mg/Tag signifikant:

  • CGI-S-Score, p=0,0015
  • CGI-I-Score, p=0,0009
  • PANSS Positive Subscore, p=0,0166
  • PANSS Negative Subscore, p=0, 0231

In Studie II waren sowohl 2 mg/Tag als auch 4 mg/Tag wirksamer als Placebo:

  • CGI-S-Score: 2 mg, p=0,006; 4 mg, p=0,002
  • CGI-I-Score: 2 mg, p=0,0002; 4 mg, p=0,0004
  • PANSS Positive Subscore: 2 mg, p=0,003; 4 mg, p=0,001
  • PANSS Negative Subscore: 2 mg =0,0007; 4 mg, p=0,007

Verträglichkeit

In den Brexpiprazol-Gruppen traten in Studie I mehr und in Studie II weniger unerwünschte Wirkungen auf als in der Placebo-Gruppe (Tab. 1). In beiden Studien gab es unter Brexpiprazol weniger Abbrüche wegen unerwünschter Wirkungen als unter Placebo. Akathisie trat meist innerhalb der ersten drei Behandlungswochen auf, hatte einen milden bis mäßigen Schweregrad und führte in keiner der Studien zu einem Behandlungsabbruch. Die durchschnittliche Gewichtszunahme war mäßig. Anzeichen einer Stoffwechselstörung traten nicht auf. Ebenso blieb das EKG unauffällig. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren Insomnie, Kopfschmerz und Agitiertheit in Studie I und Kopfschmerz, Insomnie und Agitiertheit in Studie II (Tab. 1).

Tab. 1. Verträglichkeitsdaten zu Brexpiprazol

Parameter

Studie I (Kane et al.)

Studie II (Correll et al.)

Brexpiprazol
(1–4 mg/Tag)

Placebo

Brexpiprazol
(0,25–4 mg/Tag)

Placebo

Unerwünschte Wirkungen (UAW)

56,7–63,0%

55,4%

48,9–56,7%

62,0%

Studienabbruch wegen UAW

5,9–9,2%

12,0%

8,2–13,3%

17,4%

Akathisie

4,2–6,5%

7,1%

0–7,2%

2,2%

Gewichtszunahme

1,23–1,89 kg

0,35 kg

1,28–1,45 kg

0,42 kg

Insomnie

12,5–15,2%

14,7%

8,3–8,9%

9,8%

Kopfschmerz

7,5–10,8%

14,7%

9,3–12,2%

8,2%

Agitiertheit

7,1–8,6%

7,1%

4,4–7,2%

10,3%

Nach Ansicht der Autoren zeigten die Studien die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit einer täglich einmaligen Gabe von 4 mg (in Studie II auch 2 mg) Brexpiprazol im Vergleich zu Placebo bei einer akuten Verschlechterung der Schizophrenie.

Kommentar

Die beiden Studien wurden mit einem nahezu identischen Design durchgeführt. Die Ergebnisse sind ebenso fast identisch und zeigen übereinstimmend, dass 4 mg/Tag Brexpiprazol eine wirksame Dosis bei Schizophrenie ist. In Studie II waren 2 mg ebenso wirksam. Die Effektstärke beträgt in dieser Studie 0,36 bis 0,41 für den PANSS-Score, und die Number needed to treat (NNT) für eine Besserung (30% Besserung des PANSS-Scores und CGI-I-Score von 1 und 2) war 6 für 2 mg und 7 für 4 mg. Das ist im indirekten Vergleich mit ähnlichen Studien mit anderen Antipsychotika eher durchschnittlich. Leider war kein direkter Vergleich mit einer aktiven Vergleichssubstanz vorgesehen. Hier wäre besonders der Vergleich mit Aripiprazol von Interesse gewesen, da er hätte zeigen können, ob die pharmakologischen Modifikationen der Ausgangssubstanz auch zu einer Änderung des klinischen Profils geführt haben. Ein Nachteil für die Übertragung der Ergebnisse auf den klinischen Alltag ist die Patientenselektion in diesen Studien, nämlich der Einschluss von Patienten ohne jegliche psychische Begleiterkrankung. Da es sich aber um Zulassungsstudien handelt, ist es verständlich, die Untersuchung der Wirksamkeit der Prüfsubstanz allein auf die Symptome der Schizophrenie zu beschränken.

Quellen

Kane JM, et al. A multicenter, randomized, double-blind, controlled phase 3 trial of fixed-dose brexpiprazole for the treatment of adults with acute schizophrenia. Schizophrenia Research 2015;164:127–35.

Correll CU et al. Efficacy and safety of brexpiprazole for the treatment of acute schizophrenia: A 6-week randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Am J Psychiatry 2015;172:870–80.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(01)