Psychopharmaka in der Schwangerschaft


Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Gerd Laux, Haag i. OB/München

Mit dem vorliegenden Heft schließen wir den 22. Jahrgang der PPT ab – auf über 300 Seiten haben wir Ihnen einen umfassenden Sammelband zu aktuellen Themen und Entwicklungen in der Psychopharmakotherapie geboten. Als neue Therapieansätze wurden Silexan, Vortioxetin, Lurasidon, Perampanel, Nabiximols und Safinamid vorgestellt, in Übersichtsarbeiten wurden unter anderem die Themenkreise Fahrtauglichkeit, Kognition unter Antidepressiva und das oft vernachlässigte Problem der Psychopharmakotherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgegriffen.

Pharmakopolitische Themen waren die frühe Nutzenbewertung, das AMNOG und die Zusatznutzen-Problematik.

Buchbesprechungen und Kommentare gab es unter anderem zum jährlich vielzitierten Arzneiverordnungs-Report, fortgesetzt wurde die illustrierte Serie zu den Wechselwirkungen. Von den Kurzberichten aus der internationalen Literatur und von Kongressen besonders hervorzuheben ist eine neue US-amerikanische Publikation (PLoS ONE September 2015) zu Ergebnissen der Psychotherapie-Forschung in der Depressionsbehandlung: Sie zeigt, dass es auch bei Studien zur Psychotherapie ein „underreporting“ gibt, dass also Studien mit negativem Ergebnis nicht nur in der Pharmakotherapie nicht veröffentlicht werden („Pharmaindustrie-Bias“). Auch für die Psychotherapie kann demnach die Wirksamkeit zu hoch eingeschätzt werden, was bei Leitlinien-Revisionen (z.B. zurzeit S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression) berücksichtigt werden sollte.

Dieses Schwerpunktheft widmet sich dem Thema Schwangerschaft und Psychopharmakotherapie – in keinem Feld dürfte die Abwägung von Nutzen und Risiko so wichtig, verantwortungsvoll und schwierig sein. K. Broich und Mitarbeiter vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn, geben aus regulatorischer Sicht umfassend-profunde Übersichten zu der Verordnung von Antidepressiva und Antipsychotika in der Schwangerschaft. Sie konstatieren allgemein, dass die Risiken der Nichtbehandlung einer Depression während der Schwangerschaft eher unterschätzt, Risiken einer medikamentösen Therapie eher überschätzt werden. Die vorliegenden umfangreichen Erfahrungen werden zusammengefasst, und es wird auch auf den häufigen Fehler hingewiesen, eine bestehende und wirksame Pharmakotherapie bei Eintritt einer Schwangerschaft abrupt abzusetzen.

Bergemann, Rodewisch, gibt einen Überblick zur Mood-Stabilizer-Therapie mit Lithium, Carbamazepin, Lamotrigin und Valproinsäure. Letztere ist absolut kontraindiziert.

Ein meist vernachlässigtes Thema ist „Analgetika in der Schwangerschaft“: Erschreckend häufig erfolgt eine unkontrollierte Selbstmedikation (OTC), deshalb war es uns angesichts der Häufigkeit des Symptoms Kopfschmerz wichtig, in zwei Beiträgen den aktuellen Kenntnisstand zu Kopfschmerzmitteln und speziell zur Migränetherapie in der Schwangerschaft darzustellen. Die Empfehlungen von Fachgesellschaften variieren hier stark, bezuggenommen wird von den Autoren deshalb überwiegend auf die Empfehlungen des von der Charité und dem Bundesgesundheitsministerium geförderten Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie Berlin (www.embryotox.de), auf die Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und Bewertungen des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC). Zu den Medikamenten erster Wahl zählen hiernach Paracetamol und Amitriptylin. – Im nächsten Jahrgang wird zur thematischen Abrundung noch ein Beitrag zur Gabe von Tranquilizern und Hypnotika in Schwangerschaft und Stillzeit folgen.

Wie immer wünschen wir unseren Lesern viel Freude und Erkenntnisgewinn bei der Lektüre – bis zum „Wiederlesen“ im Jahre 2016!

Psychopharmakotherapie 2015; 22(06)