Polypharmazie in der Behandlung depressiver Störungen


Max Schmauss, Augsburg, und Thomas Messer, Pfaffenhofen

Viele der derzeit gültigen Therapiestandards empfehlen in der Behandlung psychischer Erkrankungen nachdrücklich eine Monotherapie. In der klinischen Praxis werden jedoch in der Depressionsbehandlung mehr oder weniger häufig Kombinations- oder Augmentationsbehandlungen durchgeführt. Eine international konsentierte Definition existiert bislang nicht, sodass nachfolgend eine Kombination als die gleichzeitige Verordnung von zwei oder mehreren Antidepressiva von einer Augmentation als der simultanen Verordnung eines Antidepressivums mit einem oder mehreren (Psycho-)Pharmaka einer anderen Kategorie unterschieden wird. In diesem Beitrag sollen die wesentlichen Kombinations- und Augmentationsstrategien bei depressiven Erkrankungen dargestellt werden.
Schlüsselwörter: Polypharmazie, therapieresistente Depression, Kombinationstherapie mit Antidepressiva, Augmentationstherapien, Lithiumaugmentation
Psychopharmakotherapie 2014;21:237–50.

Für die Akutbehandlung depressiver Störungen wurde in den vergangenen 60 Jahren eine Vielzahl vergleichbar wirksamer Antidepressiva entwickelt. Sie stellen neben der Elektrokonvulsionstherapie das bisher wirksamste und am besten belegte Therapieverfahren bei schweren Depressionen dar. So lässt sich auch in Metaanalysen die depressive Symptomatik durch eine antidepressive Behandlung innerhalb von vier bis acht Wochen wirksamer reduzieren als durch Gabe von Plazebo (Level A) [7, 247].

Neben den klassischen Trizyklika stehen uns heute Antidepressiva der 2. Generation (Mianserin, Maprotilin, Trazodon) und der 3. Generation wie die SSRI (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin) und andere neue Substanzen mit unterschiedlichem Wirkprinzip (Mirtazapin [NaSSA], Duloxetin und Venlafaxin [SSNRI], Reboxetin [SNRI], Bupropion [SNDRI], Moclobemid [RIMA], Agomelatin [MASSA] und Tianeptin [GMO]) zur Verfügung.

Die Wirksamkeit, insbesondere der Antidepressiva der 3. Generation (SSRI, SSNRI, RIMA, NaSSA, SNRI, SNDRI, Agomelatin) im Vergleich zu Plazebo und den Trizyklika ist gut untersucht und größtenteils mit ausreichend hoher statistischer Aussagekraft belegt [48].

Trotz dieser Fortschritte hat auch heute noch für alle Antidepressiva Gültigkeit, was vor über 50 Jahren bereits das Imipramin in seiner Wirksamkeit limitierte: Die Erfolgsrate liegt bei höchstens 70% – unabhängig von der Stoffklasse und dem Wirkstoff einzelner antidepressiver Arzneimittel [157, 158, 160].

Die Behandlung der verbleibenden 30% an Patienten, die auf eine antidepressive Behandlung überhaupt nicht oder nur unzureichend ansprechen, stellt deshalb ein ernstzunehmendes und gewichtiges Problem in der psychiatrischen Versorgung dar [56, 58, 109, 236].

Polypharmazeutische Behandlungsstrategien

Zur Behandlung der Therapieresistenz auf Antidepressiva wurden eine Reihe unterschiedlicher pharmakologischer Behandlungsstrategien entwickelt [58, 68, 89, 90, 100, 154, 157, 158, 164–167, 175, 196, 197, 237, 255, 256].

Kombinations- und Augmentationstherapien mit Antidepressiva gehören zu den wichtigsten Behandlungsstrategien bei therapieresistenten Depressionen. Sie sollen im Folgen ausführlich dargestellt werden. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Faktoren, die die Auswahl eines Kombinators beziehungsweise Augmentors beeinflussen können.

Tab. 1. Wahl des Kombinators/Augmentors

Patient

Medikation

Symptom

  • Alter
  • Geschlecht
  • Response
  • Unverträglichkeiten
  • Komorbidität
  • Residualsymptome
  • Nebenwirkungsprofil
  • Interaktionsprofil
  • Sicherheit (auch bei Überdosis)
  • Handling
  • Wirksamkeit bei Subtyp
  • Wirksamkeit bei Residualsymptom
  • Angst
  • Agitiertheit
  • Kognition/Exekutivfunktionen
  • Anhedonie
  • Suizidalität
  • Schlafstörungen

Kombinationstherapien

In den Kombinations- bzw. Augmentationstherapien soll der therapeutische Effekt der Antidepressiva durch Kombination mit einem zweiten Antidepressivum bzw. Augmentation mit einem anderen Arzneistoff gesteigert werden [72, 79, 89, 212, 223, 224]. Eine Kombinations-/Augmentationstherapie kann insbesondere bei den Patienten indiziert sein, die bereits eine teilweise Response auf die Initialtherapie gezeigt haben und für die das Risiko besteht, die Response zu verlieren, wenn die Initialtherapie abgesetzt wird. Das Hinzufügen eines zweiten Antidepressivums zu einer bereits bestehenden Antidepressiva-Behandlung im Sinne einer Kombinationsbehandlung kann eine bessere Response hervorrufen als eine Monotherapie [255]. Sinnvolle Antidepressiva-Kombinationen basieren auf komplementären, synergistischen Wirkungsmechanismen [14, 157, 158, 222, 223]. In der stationär psychiatrisch-psychotherapeutischen Depressionsbehandlung besteht bei einem Großteil aller Patienten die medikamentöse Therapie aus einer Kombinations- bzw. Augmentationsbehandlung [101], darunter am häufigsten Kombinationen bzw. Augmentationen aus einem Antidepressivum und einem Neuroleptikum oder einem Benzodiazepin. Einen Überblick über die Häufigkeit entsprechender Kombinations- bzw. Augmentationsstrategien im Rahmen einer stationär psychiatrischen Depressionsbehandlung gibt Tabelle 2.

Tab. 2. Psychopharmakologische Behandlung depressiver Patienten im stationären Setting [%], Mehrfachnennung [aus 110]

Antidepressiva

  • Keine

6,5

  • Tri-/tetrazyklische Antidepressiva (TCA), Maprotilin, Mianserin

58,5

  • Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI)

44,6

  • Noradrenerg-spezifisch-serotonerge Antidepressiva (NAS(S)A)

17,4

  • Monoaminoxidasehemmer (MAOH)

3,1

Neuroleptika

52,7

Andere (Benzodiazepine u.a.)

64,2

Kombinationsbehandlung

  • Keine

24,9

  • Antidepressiva + Neuroleptika

39,5

  • Antidepressiva + Benzodiazepine

31,7

  • Mindestens zwei Antidepressiva

21,0

  • Antidepressiva + Phasenprophylaxe

10,9

  • Antidepressiva + Neuroleptika + Phasenprophylaxe

9,5

  • Antidepressiva + andere

7,2

Probleme bei der Pharmakotherapie

  • Wechsel des Antidepressivums

29,9

  • Therapieresistenz

22,8

  • Erhebliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen

12,5

  • Mangelnde Compliance

4,4

Trizyklika bzw. Tetrazyklika und MAO-Hemmer

MAO-Hemmer sind effektive Antidepressiva, die in der Behandlung der Depression eine spezifische Stellung innehaben [129]. Sie erhöhen die präsynaptische Konzentration von Noradrenalin, Serotonin und Dopamin durch Hemmung der Monoaminoxidase. Bei irreversiblen MAO-Hemmern resultiert daraus die Notwendigkeit einer spezifischen tyraminarmen Diät, um hypertensive Krisen zu vermeiden [99]. Wechselwirkungen mit anderen Antidepressiva, aber auch nichtpsychiatrischen Arzneimitteln sind zu beachten, um ein Serotoninsyndrom zu verhindern. MAO-Hemmer sind jedoch eine sichere und effektive Behandlungsoption depressiver Störungen [242].

Trizyklika und MAO-Hemmer wurden bis 1962 unter der Annahme eines synergistischen Effekts bei der Behandlung von depressiven Syndromen häufig kombiniert [163]. In der Folgezeit wurden diese Kombinationen jedoch aufgrund von Berichten über die allgemeine Toxizität der Einzelsubstanzen und unerwünschter Wirkungen im Tierversuch wesentlich kritischer betrachtet [142, 200]. Hinzu kamen Fallberichte über schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei der Anwendung dieser Therapieform [Übersicht: 226], sodass diese Art der medikamentösen Behandlung schließlich als kontraindiziert angesehen wurde [55, 235]. Später wurden die Angaben über schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen von verschiedenen Autoren einer kritischen Prüfung [264, 265] unterzogen und es wurde festgestellt, dass ernsthafte oder sogar tödliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen praktisch nur bei Überdosierungen aufgetreten waren. Darüber hinaus waren Mehrfachkombinationen mit anderen Psychopharmaka oder größere Alkoholmengen beteiligt. In fast allen Fällen hatten die Behandlungen mit einem MAO-Hemmer begonnen und dann war ein Trizyklikum hinzugefügt worden, manchmal sogar bei parenteraler Verabreichung.

Klinische Wirksamkeit

Es wird angenommen, dass Anfang der 60er-Jahre Kombinationstherapien von Trizyklika mit irreversiblen MAO-Hemmern (Isocarboxazid, Phenelzin, Tranylcypromin) etwa 4 bis 5% aller Antidepressiva-Verordnungen ausmachten [148], obwohl bis zu diesem Zeitpunkt lediglich kasuistische Berichte die Wirksamkeit dieser Therapieform dokumentierten.

Bis heute sind eine Reihe offener und kontrollierter Studien über den klinischen Effekt einer derartigen Kombinationstherapie veröffentlicht. Daraus lässt sich ableiten, dass eine derartige Kombination bei einzelnen therapieresistenten depressiven Patienten effektiv sein könnte [Übersichten: 64, 135]. Zahlreiche retrospektive und offene Untersuchungen [28, 95, 220] dokumentieren mit einer 55- bis 80%igen Erfolgsquote die Effektivität einer Kombinationstherapie bei therapieresistenten Depressionen sehr gut, die methodische Qualität dieser teilweise relativ alten Studien ist jedoch diskussionswürdig bis unzureichend.

Die in einem Großteil der offenen Studien beschriebene gute Wirksamkeit einer Kombinationstherapie wird von kontrollierten klinischen Studien zudem nicht gestützt. In einer Studie [65] war beispielsweise trotz einer geringen Fallzahl die Elektrokrampftherapie einer Kombinationstherapie mit Antidepressiva (Amitriptylin, Phenelzin) überlegen. Als Kritik an dieser Studie ist anzumerken, dass die durchschnittliche Dosierung von Amitriptylin mit 71 mg/Tag und Phenelzin mit 24 mg/Tag relativ gering waren.

Young et al. (1979) teilten 135 depressive ambulante Patienten unter Doppelblindbedingungen fünf Behandlungsverfahren zu (Isocarboxazid, Phenelzin oder Trimipramin als Monotherapie sowie Phenelzin plus Trimipramin oder Isocarboxazid plus Trimipramin als Kombinationstherapien) und stellten eine Überlegenheit von Trimipramin allein im Vergleich zu den beiden Kombinationstherapien fest [268].

White et al. [268] und Razzani et al. [206] berichten über Untersuchungen an 30 bzw. 60 hospitalisierten depressiven Patienten, die unter kontrollierten Bedingungen über vier Wochen entweder mit einer Monotherapie aus Amitriptylin (bis 300 mg/Tag) oder Tranylcypromin (bis 40 mg/Tag) bzw. einer Kombinationstherapie aus Amitriptylin (bis 150/mgTag) und Tranylcypromin (bis 20 mg/Tag) behandelt wurden. In beiden Untersuchungen führte die Kombinationsbehandlung im Vergleich zu den Monotherapien zu keinem besseren Behandlungsergebnis [206, 264].

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen ebenfalls O’Brien et al. (1993) in ihrer Studie [181] (bei der Diskussion der Ergebnisse der kontrollierten Untersuchungen im Vergleich zu den offenen Studien ist festzuhalten, dass die kontrollierten Untersuchungen [65, 181, 206, 264, 268] nicht bei therapieresistenten depressiven Patienten durchgeführt worden sind).

Dies kann als Erklärung dafür angesehen werden, dass in diesen Studien die Kombinationstherapie sich einer Monotherapie als nicht überlegen gezeigt hat. Primäre Indikationen für diese insgesamt ungenügend evaluierte Kombinationstherapie ist jedoch primär die therapieresistente Depression, bei der sich mehrere alternative Behandlungsmethoden als unwirksam gezeigt haben [185, 265].

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter einer Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva und MAO-Hemmern können im Wesentlichen in zwei Kategorien aufgeteilt werden [105]:

  • Als weniger schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden Symptome angegeben, die sich aus einem möglichen Synergismus zwischen den unerwünschten Arzneimittelwirkungen der beiden Einzelsubstanzen ergeben, wie orthostatische Hypotension, Kopfschmerzen, Blasenentleerungsstörungen und Schwindel. Diese Symptome verschwinden häufig spontan bei Fortsetzung der Therapie oder können durch eine Dosisänderung behoben werden [102]. Wiederholt wurde festgestellt, dass sich Häufigkeit und Schweregrad unerwünschter Arzneimittelwirkungen unter einer Kombinationstherapie mit trizyklischen Antidepressiva und MAO-Hemmern nicht von denen einer Monotherapie unterscheiden [229, 239, 267]. Schmauß et al. (1988) berichten sogar über eine geringere Frequenz unerwünschter Arzneimittelwirkungen unter einer Kombinationstherapie im Vergleich zur vorausgegangenen Monotherapie mit tri-/(tetra-)zyklischen Antidepressiva [220].
  • Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter einer Kombinationsbehandlung sind gekennzeichnet durch eine delirante Symptomatik mit starker motorischer Unruhe, eine Erhöhung der Körpertemperatur, eine Tonuserhöhung der Muskulatur, Krampfanfälle, hypertensive Krisen, Koma und schließlich den Exitus. Nach Pare (1985) handelt es sich dabei um unspezifische Reaktionen, die auch durch eine Überdosierung von nur einer der beteiligten Substanzen herbeigeführt werden können [201]. V. Oefele et al. (1988) weisen jedoch darauf hin, dass die Häufigkeit schwerwiegender unerwünschter Arzneimittelwirkungen von der Art der Kombinationsbehandlung abhängt [182]. So beobachteten die Autoren unter einer Kombination von Amitriptylin und Tranylcypromin eine nahezu identische Häufigkeit unerwünschter Arzneimittelwirkungen wie unter den Einzelsubstanzen, während im Gegensatz dazu eine Kombination aus Clomipramin und Tranylcypromin eine im Vergleich zu den Einzelsubstanzen deutlich erhöhte Nebenwirkungsrate und sogar einen Fall mit letalem Ausgang aufwies. Die besondere Problematik dieser Kombination war bereits seit Jahren auf der Grundlage von theoretischen Überlegungen, tierexperimentellen Untersuchungen und klinischen Beobachtungen vermutet worden. So stützten sich verschiedene Mitteilungen [26, 46, 200] auf kasuistische Beobachtungen. Die tierexperimentellen Untersuchungen von Marley und Wozniak (1983) weisen auf eine Rolle der Serotonin-Wiederaufnahmehemmung für die Entstehung der unerwünschten Arzneimittelwirkungen hin [149]. Bei den bisher vorliegenden Vergleichsstudien von Kombinations- und Monotherapie wurde in keinem Fall Clomipramin eingesetzt, in den Übersichtsarbeiten wurde aufgrund von Fallberichten zuweilen ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter der Kombination mit Imipramin angegeben [226]. In den von v. Oefele et al. (1988) mitgeteilten Fällen handelt es sich um unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die nach dem vorgeschriebenen Prozedere, also nach der Zugabe eines MAO-Hemmers zu einem trizyklischen Antidepressivum aufgetreten waren [182]. Unter dem umgekehrten Prozedere – also der Clomipramin-Zugabe zu einem irreversiblen MAO-Hemmer – musste die Therapie noch wesentlich häufiger, nämlich bei 56% der so behandelten Patienten aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen – hauptsächlich aufgrund eines Serotoninsyndroms – abgebrochen werden [5]. Das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen erscheint also unter der Kombination des Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Clomipramin mit einem MAO-Hemmer erheblich. Der Mechanismus der Syndromentstehung mit Fieber, Tremor und Unruhe ist weiterhin unklar, derartige Symptome wurden unter Überdosierungen bei Monotherapien in der Literatur jedoch bereits beschrieben (200). Auch erscheint nach v. Oefele et al. (1988) die Höhe der Dosis der verordneten Substanzen für das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen nicht ohne Belang [182]. So weisen die Autoren darauf hin, dass in etwa der Hälfte der Fälle die unerwünschten Nebenwirkungen nach Erhöhung der Tranylcypromin-Dosis auftraten.

Zusammenfassende Bemerkungen

Die Kombination trizyklischer Antidepressiva mit MAO-Hemmern kann unter bestimmten Kriterien (tyraminarme Diät, Beachtung der Interaktion mit anderen Arzneimitteln, Blutdruckkontrollen) sicher durchgeführt werden [185]. Trotzdem sollte aber diese Behandlung nur im stationären Rahmen oder durch einen erfahrenen Facharzt erfolgen. Folgende Regeln sind zu beachten [159]:

  • MAO-Hemmer nach vorheriger Gabe des Antidepressivums einschleichend dazugeben; die umgekehrte Reihenfolge ist nur mit größter Vorsicht durchzuführen.
  • Dosierung bis zu 20 mg Tranylcypromin
  • Keine Kombination von antriebssteigernden Antidepressiva im Sinne des Kielholz-Schemas mit MAO-Hemmern
  • Keine Kombination von Clomipramin und anderen stark serotonergen Antidepressiva (alle SSRI und SSNRI sowie Mirtazapin) mit MAO-Hemmern (Gefahr des Serotonin-Syndroms!)
  • Keine Kombination von parenteraler Antidepressiva-Gabe mit MAO-Hemmern
  • Nach Anwendung einer solchen Kombination gelten für die weitere Therapie die gleichen Regeln wie nach einer Monotherapie mit einem MAO-Hemmer.

Eine Kombination von Trizyklika mit dem reversiblen und selektiven MAO-A-Hemmer Moclobemid ist gut möglich. Auch Koenig und Wolfersdorf (1997) berichten über eine offene Studie mit 23 therapieresistenten depressiven Patienten, in der eine Kombination von 300 mg Moclobemid mit Tri- oder Tetrazyklika bei nahezu 60% der behandelten Patienten zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik führte [132]. Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden von den Autoren im Rahmen dieser Kombinationstherapie nicht beschrieben. Koenig et al. (1997) berichten im Weiteren, dass die Kombination von Moclobemid mit Trimipramin bzw. Maprotilin zu einem signifikanten Anstieg der Trimipramin- und einem nichtsignifikanten Anstieg der Maprotilin-Plasmaspiegel führt, ohne dass jedoch eine Korrelation zwischen dem Serumspiegel dieser Antidepressiva und dem klinischen Behandlungsergebnis in der offenen Studie festzustellen gewesen wäre [131].

SSRI und MAO-Hemmer

Vergleichbare unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie unter der Kombination von Clomipramin mit Tranylcypromin wurden auch für die Kombination des SSRI Fluoxetin mit einem irreversiblen MAO-Hemmer berichtet [96, 245]. Beasley et al. fassten 1993 die bis zu diesem Zeitpunkt gemeldeten unerwünschten Arzneimittelwirkungen dieser Kombinationsbehandlung zusammen und kamen zu dem Schluss, dass von der Kombination Fluoxetin plus irreversibler MAO-Hemmer aufgrund der bedrohlichen Nebenwirkungen dringend abzuraten sei [25]. Auch Keltner und Harris (1994) wiesen auf die Gefahr eines potenziell letalen Serotonin-Syndroms bei der Kombination von irreversiblen MAO-Hemmern mit einem SSRI hin [127]. Hodgman et al. (1997) beschreiben kasuistisch auch das Auftreten eines schweren Serotonin-Syndroms mit Hyperthermie und Koma bei einer langfristig mit Tranylcypromin behandelten Patientin nach Einnahme einer einzigen Tablette des SSNRI Venlafaxin [115].

Bezüglich der Wirksamkeit, aber auch der Verträglichkeit des reversiblen MAO-Hemmers Moclobemid in Kombination mit den SSRI Sertralin bzw. Fluvoxamin liegen zum Teil positive Erfahrungen vor [123].

Ebert et al. (1995) führten bei 36 therapieresistenten depressiven Patienten entweder eine Fluvoxamin-Monotherapie oder eine Kombinationsbehandlung von Fluvoxamin und Moclobemid durch und stellten eine klinische Überlegenheit der Kombinationstherapie über die SSRI-Monotherapie fest. Die Kombinationstherapie wurde zudem größtenteils problemlos toleriert [82].

Neuvonen et al. (1993) berichten hingegen über fünf Todesfälle unter einer Kombination von Moclobemid mit Citalopram bzw. Clomipramin [176]. Auch in der Untersuchung von Hawley et al. (1996) klagten alle 19 untersuchten Patienten unter einer Moclobemid/Paroxetin- bzw. Fluoxetin-Kombination über starke serotonerge Nebenwirkungen bis hin zu einzelnen Symptomen des Serotonin-Syndroms [114]. Diese äußerst schlechte Verträglichkeit der Kombinationsbehandlung wurde von den Autoren als eine mögliche Erklärung für die niedrige Responserate von 32% aufgeführt.

Auch Lejoyeux et al. (1994) weisen darauf hin, dass eine Interaktion von Moclobemid mit SSRI ein schweres serotonerges Syndrom zur Folge haben kann [139].

Zusammenfassend ist deshalb davon auszugehen, dass auch eine Kombination von Moclobemid mit einem SSRI mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten des Serotonin-Syndroms assoziiert zu sein scheint [63], obwohl Tierversuche beispielsweise keine Interaktionen mit Fluvoxamin bzw. nur eine geringe Interaktionswahrscheinlichkeit für Fluoxetin nahelegen. Bei Fluoxetin ist darüber hinaus angesichts einer langen Eliminationshalbwertszeit nicht nur bei der Kombination, sondern auch beim Umsetzen auf reversible oder irreversible MAO-Hemmer besondere Vorsicht geboten [259]. Eine Kombinationstherapie eines reversiblen MAO-Hemmers mit einem SSRI sollte aufgrund der dargestellten Probleme erst nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten aufgegriffen werden. Dabei ist auf eine niedrige Anfangsdosis, langsame einschleichende Aufdosierung und sorgfältiges Drug-Monitoring der Patienten zu achten [37].

Behandlung des Serotonin-Syndroms

Nach dem sofortigen Absetzen der entsprechenden Pharmaka stehen eine engmaschige Überwachung des Patienten und eine symptomorientierte Therapie im Vordergrund. Diese umfasst physikalische und medikamentöse Maßnahmen zur Senkung der Körpertemperatur (keine Gabe von Pethidin) sowie Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution unter Berücksichtigung der erhöhten Verluste durch Schwitzen und Fieber [39].

Möglich ist auch die Gabe von Benzodiazepinen zur Senkung des Muskeltonus und zur Behandlung einer assoziierten psychomotorischen Unruhe. Die Effektivität von Dantrolen zur Reduktion der gesteigerten Wärmeproduktion wird in den letzten Jahren eher zurückhaltend beurteilt. Die Serotonin-Rezeptorantagonisten sollen die Dauer des Serotonin-Syndroms verkürzen, allerdings ist das Serotonin-Syndrom selbst von kurzer Dauer, und ob die medikamentöse Behandlung tatsächlich zu einer weiteren Verkürzung der Krankheitsdauer führt, ist unklar [116]. Bei schwerwiegenden Verlaufsformen ist eine symptomatische Therapie jedoch möglicherweise nicht ausreichend, sodass eine Therapie mit 5-HT2-Rezeptorantagonisten wie Cyproheptadin probatorisch durchgeführt werden kann.

Trizyklika und SSRI

Weilburg et al. (1989) berichteten erstmals retrospektiv über 30 Patienten, die nach einer ineffizienten Monotherapie mit einem Trizyklikum zusätzlich Fluoxetin in einer Dosierung von 20 bis 60 mg erhalten hatten [262]. Da Fluoxetin die hepatische Metabolisierung anderer Antidepressiva beeinflussen und damit die Plasmaspiegel dieser Substanzen erhöhen kann [258], hatten die Autoren die TCA-Dosis vor der Fluoxetin-Gabe reduziert. Bei 86% der Patienten kam es zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik, wobei der Zeitpunkt zwischen Tag 1 und Tag 28 nach Beginn der Kombinationstherapie lag. Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden nicht beobachtet. Weitere positive Ergebnisse einer TCA-SSRI- bzw. SSRI-TCA-Kombination bei therapieresistenten Depressionen werden von verschiedenen Autoren [213, 214, 228, 263, 270] berichtet.

Der Behandlungserfolg einer derartigen Antidepressivakombination (TCA + SSRI bzw. SSRI + TCA) wird auf einen möglichen synergistischen Effekt der Antidepressiva zurückgeführt. Dies wird durch tierexperimentelle Befunde gestützt, bei denen die gleichzeitige Verabreichung beider Substanzen zu einer schnelleren und ausgeprägteren „Beta-Down“-Regulation adrenerger Rezeptoren führt [13]. Einen guten Überblick über die bisher durchgeführten TCA-SSRI- bzw. SSRI-TCA-Kombinationen geben Nelson (1998) [165] und Lam et al. (2002) [135]. Ein wesentliches Problem dieser Kombinationstherapie besteht in der Tatsache, dass die TCA Substrate der Cytochrom-P450-2D6-Isoenzyme (CYP2D6) darstellen, sodass es zu einer Erhöhung der TCA-Plasmaspiegel bei gleichzeitiger Verabreichung bestimmter SSRI (z.B. Fluoxetin) kommen kann. Massiv erhöhte Trizyklikaspiegel beinhalten das Risiko kardialer Toxizität, eines Delirs oder eines epileptischen Anfalls. Es empfiehlt sich eine engmaschige Kontrolle der Plasmaspiegel, gegebenenfalls muss die Dosierung der Trizyklika reduziert werden.

SSRI und noradrenerges Trizyklikum

Studien an Tiermodellen geben die theoretische Basis für die Kombination von noradrenergen und serotonergen Antidepressiva: Die Kombination des vorwiegend noradrenergen Trizyklikums Desipramin mit dem SSRI Fluoxetin erzielt eine schnellere Down-Regulation von Beta-Adrenorezeptoren als Desipramin allein [13].

Resultate darauf basierender erster klinischer Studien ergaben, dass Patienten, die kombiniert behandelt wurden, eine schnellere Response zeigten [164]. Eine dreiarmige Studie ergab, dass die Remissionsraten bei der Kombinationstherapie (50%) höher waren als bei einer Therapie mit jedem Wirkstoff allein (Desipramin 0%, Fluoxetin 7%) [164].

Fava et al. (1994) evaluierten in einer randomisierten Doppelblindstudie die Wirksamkeit unterschiedlicher Behandlungsstrategien bei 41 Nonrespondern, die auf eine achtwöchige Behandlung mit Fluoxetin (20 mg/Tag) unzureichend respondierten. Insgesamt 25% der mit Fluoxetin plus Desipramin und 29% der mit einer Lithium-Augmentation behandelten Patienten zeigten eine Response. Keine dieser beiden Strategien war jedoch so wirksam wie die Dosissteigerung (40–60 mg/Tag) von Fluoxetin allein (53% Responserate) [92]. Die Unterschiede zwischen diesen drei Behandlungsgruppen waren am Ende der Behandlung jedoch nicht statistisch signifikant. Die Analyse der Studiendaten legte den Schluss nahe, dass partielle Responder eher von einer Hochdosierung des ursprünglichen Antidepressivums und Nonresponder vielmehr von einer Augmentations- oder Kombinationsbehandlung profitieren.

Zwei Arbeiten von Fava et al. (2002) und Perlis et al. (2004) berichten über eine randomisierte kontrollierte Studie mit 386 depressiven Patienten, die ebenfalls mit Fluoxetin (20 mg/Tag) über acht Wochen behandelt wurden. Alle 101 Nonresponder (<50% Besserung im Vergleich zum Ausgangswert) wurden über vier Wochen entweder mit 40 bis 60 mg/Tag Fluoxetin, einer Kombinationsbehandlung 20 mg Fluoxetin/25 bis 50 mg Desipramin oder einer Lithium-Augmentation (300–600 mg/Tag) von 20 mg/Tag Fluoxetin weiterbehandelt. 42,4% der Patienten respondierten auf die Fluoxetin-Hochdosisbehandlung, 29,4% auf die antidepressive Kombinationsbehandlung Fluoxetin/Desipramin und 23,5% auf die Lithium-Augmentation von Fluoxetin. Die Unterschiede zwischen den drei Behandlungsgruppen waren auch hier statistisch nicht signifikant [93, 203].

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Nelson et al. (2004), die ebenfalls keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen einer Monotherapie mit Fluoxetin (20 mg/Tag) bzw. Desipramin (Serumspiegel: 160 ng/ml) und einer Kombinationstherapie Fluoxetin/Desipramin feststellen konnten [170].

SSRI und Mianserin

Die Kombination von Fluoxetin (20 mg/Tag) mit Mianserin (30–60 mg/Tag) erwies sich in drei kontrollierten Studien als wirksam und sicher [62, 97, 144]. In allen drei Studien zeigte sich die Kombinationstherapie einer Monotherapie mit dem jeweiligen Antidepressivum statistisch signifikant überlegen.

Licht und Quitzau (2002) behandelten 295 Nonresponder nach einer sechswöchigen Behandlung mit 50 bis 100 mg Sertralin über weitere fünf Wochen in einem offenen Studiendesign entweder mit 100 mg Sertralin plus Plazebo, 200 mg Sertralin plus Plazebo oder 100 mg Sertralin plus 30 mg Mianserin. Das erstaunliche Ergebnis dieser Studie zeigt vergleichbare Responseraten für 100 mg Sertralin (70%) und die Kombinationstherapie (67%), jedoch deutlich schlechtere Behandlungsergebnisse für die Sertralin-Hochdosistherapie (200 mg) (56%) [140].

SSRI und Reboxetin

Untersuchungen haben ergeben, dass die adaptive Veränderung der 5-HT1A-Rezeptoren und der zentralen Alpha2-Adrenorezeptorsensitivität (gemessen mit 8-OH-DPAT- oder Clonidin-induzierter Hypothermie) häufiger zu beobachten war, wenn der SNRI Reboxetin in Kombination mit einem SSRI verabreicht wird, als wenn jeder Wirkstoff allein gegeben wird [111]. Dies gab Anlass für entsprechende Kombinationstherapie-Untersuchungen.

In einer sechswöchigen Studie [112] wurde der SNRI Reboxetin (4 mg/Tag) zur bestehenden SSRI-Therapie hinzugegeben, wobei die Dosierung ab der zweiten Woche auf 8 mg/Tag erhöht werden konnte. Es zeigte sich eine signifikante Abnahme im MADRS-Score bei 20 Patienten, die die sechswöchige Behandlung vollendeten, wobei acht Patienten (33%) eine Remission (MADRS-Score 10) erreichten.

Eine von Fleishaker (2000) durchgeführte Interaktionsstudie [98] belegt die Sicherheit einer Fluoxetin-Reboxetin- [143] bzw. Citalopram-Reboxetin-Kombinationstherapie [75].

Eine weitere prospektive Studie (n=61) ergab unter der Kombination Reboxetin mit einem SSRI, Venlafaxin oder Mirtazapin Responsequoten von 54% und Remissionsquoten von 46% [215].

SSRI und Mirtapazin

Mirtazapin ist ein Antidepressivum mit komplexen pharmakologischen Wirkungsmechanismen, zu denen unter anderem ein Antagonismus an Alpha2-Rezeptoren gehört. Es erhöht die Aktivität in noradrenergen und serotonergen Systemen über einen anderen pharmakologischen Wirkungsmechanismus als über die Wiederaufnahmehemmung.

In einer offenen Studie behandelten Carpenter et al. (1999) 20 Patienten mit schwerer Depression oder dysthymer Störung, die auf Standardantidepressiva keine Response zeigten, zusätzlich mit Mirtazapin (15–30 mg/Tag) über einen Zeitraum von vier Wochen. Insgesamt respondierten 55% der Patienten auf diese Kombinationstherapie [49]. Auch in einer randomisierten kontrollierten Studie konnten Carpenter et al. (2002) an 26 therapieresistenten Patienten die Überlegenheit einer Kombinationstherapie mit Mirtazapin versus einer Monotherapie mit einem SSRI, SSNRI oder Bupropion zeigen [50].

Eine Studie von Debonnel et al. (2000) ergab bei therapieresistenten depressiven Patienten eine signifikant höhere Response-Rate für die Kombination von Paroxetin und Mirtazapin im Vergleich zu Monotherapien mit jeweils einer der beiden Substanzen [71]. Die Kombinationstherapie SSRI und Mirtazapin kann auch zur Besserung der SSRI-induzierten sexuellen Dysfunktion beitragen [88]. Wesentliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen dieser Kombinationsstrategie sind Gewichtszunahme und Sedation [49, 50]. In der STAR*D-Studie (einer prospektiven, randomisierten, jedoch nicht Plazebo-kontrollierten Studie) ergaben sich eher mäßige Remissionsraten für eine Venlafaxin-Mirtazapin-Kombination (13,7%) und sehr mäßige Remissionsraten für eine Tranylcypromin-Hochdosistherapie (6,7%) als vierte Behandlungsoption für Patienten mit einer Major Depression, wobei die Venlafaxin-Mirtazapin-Kombination ein deutlich besseres Verträglichkeitsprofil zeigte als die Tranylcypromin-Hochdosistherapie.

Blier et al. (2009) konnten in einer sechswöchigen randomisierten Doppelblindstudie eine deutliche Überlegenheit einer Paroxetin-Mirtazapin-Kombination vs. den entsprechenden Paroxetin- bzw. Mirtazapin-Monotherapien feststellen [33]. In einer Folgestudie behandelten Blier et al. (2010) 105 depressive Patienten über ebenfalls sechs Wochen im Rahmen einer randomisierten Doppelblindstudie mit Fluoxetin (20 mg/Tag) + Plazebo, Fluoxetin (20 mg/Tag) + Mirtazapin (30 mg/Tag), Venlafaxin (225 mg/Tag) + Mirtazapin (30 mg/Tag) oder Bupropion (150 mg/Tag) + Mirtazapin (30 mg/Tag). Alle drei Kombinationstherapien waren der Fluoxetin-Monotherapie bezüglich der Remissionsraten signifikant überlegen und vergleichbar gut verträglich [34]. Die Autoren schließen aus den Ergebnissen ihrer Studien, dass eine antidperessive Kombinationstherapie im Vergleich zu einer Monotherapie die Chance auf eine Remission verdoppeln könnte [33, 34].

SSRI und Bupropion

Bupropion (Amfepramon), das strukturell mit Amphetaminen verwandt ist, wirkt selektiv auf das noradrenerge und dopaminerge System.

In einer an Fluoxetin-Nonrespondern durchgeführten Studie lässt sich eine mäßige Response bei 35% der mit einer Fluoxetin-Bupropion-Kombination behandelten Patienten feststellen [39].

Weitere Fallserien und offene Studien ergaben ebenfalls positive Resultate [36, 136, 150, 151, 238] für die Kombination von Bupropion mit SSRI bzw. SSNRI [193].

Der wesentliche Nachteil dieser Kombinationstherapie besteht jedoch im gelegentlichen Auftreten von Tremor [36] und selten auch Panik [269] als unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Auch wurden Bedenken wegen des Risikos von Krampfanfällen während der Kombinationstherapie geäußert [103].

Einen Vorteil dieser Kombinationstherapie könnte jedoch der positive Effekt von Bupropion auf die SSRI-induzierten sexuellen Funktionsstörungen darstellen [54, 70, 134].

In einer Übersichtsarbeit kommen Zisook et al. (2006) zum Ergebnis, dass die Kombination eines SSRI bzw. eines SSNRI mit Bupropion im Allgemeinen gut verträglich ist und sowohl die antidepressive Wirksamkeit bei Therapieresistenz wie auch die SSRI- bzw. SSNRI-assoziierten sexuellen Nebenwirkungen verbessern kann [271].

In dem bereits mehrfach erwähnten STAR*D-Projekt zeigte die Kombination aus Citalopram und Bupropion mit einer etwa 30%-Remissionsrate im Vergleich mit der Augmentation von Citalopram mit Buspiron diskrete Wirksamkeits- und Verträglichkeitsvorteile bei depressiven Patienten, die nicht ausreichend auf eine Citalopram-Monotherapie angesprochen hatten [27, 257].

In den sogenannten CO-MED-Trials (Combining medications to enhance depression outcomes) wurden 665 ambulante depressive Patienten in einer einfach-blinden, prospektiven randomisierten Studie über eine zwölfwöchige Akutphase und eine 28-wöchige Erhaltungsphase entweder monotherapeutisch mit Escitalopram (bis zu 20 mg/Tag) plus Plazebo oder mit einer Kombinationstherapie entweder aus Escitalopram (bis zu 20 mg/Tag) plus Bupropion ret. (400 mg/Tag) oder aus Venlafaxin ret. (bis zu 300 mg/Tag) plus Mirtazapin (45 mg/Tag) behandelt [216]. Keine der beiden untersuchten Kombinationstherapien zeigte sich dabei der Escitalopram-Monotherapie hinsichtlich der Response- bzw. Remissionsraten nach 12 bzw. 28 Wochen überlegen. Die Venlafaxin-Mirtazapin-Kombinationstherapie war zudem häufiger mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen assoziiert als die Escitalopram-Monotherapie. Auch bei Differenzierung der in die Studie eingeschlossenen Patienten in melancholic/nonmelancholic MDD(Major depressive disorder)-Patienten ergaben sich keinerlei Vorteile für eine der beiden Kombinationstherapien versus der Escitalopram-Monotherapie [216]. Bei Patienten mit komorbiden internistischen Erkrankungen bot zudem keine der beiden Kombinationstherapien Vorteile gegenüber der Escitalopram-Monotherapie unabhängig vom Ausmaß und der Anzahl komorbider internistischer Erkrankungen [162].

Zusammenfassende Beurteilung der Kombinationstherapien

Kombinationstherapien zweier Antidepressiva werden im klinischen Alltag sehr häufig durchgeführt. Sinnvolle Antidepressivakombinationen nutzen den Vorteil komplementärer Wirkungsmechanismen, um einen synergistischen Nutzen zu erzielen [135, 250]. Vorteile einer Kombinationstherapie bestehen in der Fortführung einer partiellen Response auf eine Monotherapie und dem gleichzeitig damit verbundenen Vermeiden der Gefahr einer Verschlechterung depressiver Symptome durch Absetzen des partiell wirksamen Antidepressivums. Nachteile dieser Strategie bestehen in dem Risiko von Antidepressiva-Wechselwirkungen, einer möglichen Potenzierung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und höheren Behandlungskosten. Obwohl Kombinationsstrategien in der klinischen Praxis oft angewandt werden, gibt es nur sehr wenig kontrollierte Studien, um ihren Nutzen und ihre Wirksamkeit zu belegen (Evidenzlevel C, dies trifft jedoch nicht auf Kombinationstherapien mit Mirtazapin zu, die in den Studien [33, 34] statistisch signifikante Vorteile gegenüber SSRI-Monotherapien [Paroxetin, Fluoxetin] zeigten). Wichtig erscheint darauf hinzuweisen, dass die Zugabe eines SSRI zu einem trizyklischen Antidepressivum einen erhöhten Blutspiegel und eine verzögerte Metabolisierung des trizyklischen Antidepressivums herbeiführen kann, was eventuell ein erhöhtes Toxizitätsrisiko der trizyklischen Medikation nach sich zieht. Die Kombination eines irreversiblen MAO-Hemmers mit einem SSRI oder anderen Antidepressiva, die auf das serotonerge System wirken (z.B. Clomipramin, Venlafaxin, Mirtazapin und Duloxetin), sollte aufgrund des Serotonin-Syndroms unter allen Umständen vermieden werden.

Augmentationstherapien

Augmentationstherapie bedeutet im Rahmen der Depressionsbehandlung, einen zweiten Wirkstoff, bei dem es sich um kein Antidepressivum handelt, zum Antidepressivum hinzuzufügen, mit dem Ziel, den antidepressiven Effekt zu verbessern, wenn zuvor keine oder nur eine teilweise Response erreicht wurde.

Augmentation mit Schilddrüsenhormonen

Klinische Wirksamkeit

Positive Effekte niedrig dosierter Triiodthyronin(T3)-Therapie als Zusatz zu einer Trizyklikabehandlung wurden in einer großen Anzahl von offenen Studien mit mehr als 200 Patienten beschrieben, wobei in den meisten Studien 25 bis 37,5 µg/Tag eingesetzt werden, um die Response auf trizyklische Antidepressiva zu potenzieren [18, 124].

Eine dreiarmige, doppelblinde, kontrollierte Studie zeigte ähnliche Wirksamkeit der Augmentation mit T3 und Lithium im Vergleich zu Plazebo [120, 121].

Insgesamt ließen sich in einer Metaanalyse [6] jedoch keine eindeutigen Resultate zugunsten der T3-Augmentation von Trizyklika feststellen.

Bisher liegen nur zwei prospektive offene Studien zur Wirkung einer T3-Augmentation von SSRI bei therapieresistenten depressiven Patienten vor.

Agid und Lerer (2003) beschreiben 40% Responder auf eine T3-Augmentation von SSRI, wobei erstaunlicherweise alle T3-Responder Frauen waren [3]. Die Autoren stellten deshalb die Hypothese einer differenziellen geschlechtsspezifischen Wirksamkeit einer T3-Augmentation von SSRI auf.

Iosifescu et al. (2005) berichten über 35% Responder und 30% Remitter einer T3-Augmentation von SSRI bei 20 therapieresistenten depressiven Patienten [118].

Auch die STAR*D-Studie (eine prospektive, randomisierte, jedoch nicht Plazebo-kontrollierte Studie) kommt mit Remissionsraten von 24,7% nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 9,6 Wochen nicht gerade zu völlig überzeugenden Resultaten einer T3-Augmentation als dritter Behandlungsoption für Patienten mit einer majoren Depression [178].

Die Autoren einer geringen Anzahl von offenen Studien (15) berichteten bei Verwendung von höheren, supraphysiologischen Dosierungen von Levothyroxin (T4) über Responseraten von über 50% bei therapieresistenten depressiven Patienten.

Zusammenfassend ist zur Wirkung der Augmentationstherapie trizyklischer und neuerer Antidepressiva mit T3 anzuführen, dass der antidepressive Effekt dieser Behandlung üblicherweise in den ersten zwei bis drei Wochen eintritt und die Behandlung bei unzureichendem Erfolg auch nach diesem Zeitraum wieder abgesetzt werden kann. Auch im Falle einer Remission der depressiven Symptomatik und Schilddrüsenhormongabe kann nach vier bis fünf Wochen ein Absetzversuch unternommen werden, ohne dass ein Rezidiv zu erwarten ist [243].

Insgesamt ist jedoch unklar, weshalb eine niedrige T3-Dosierung bei chronischer Applikation zu erhöhten Spiegeln der T3-Konzentration im Serum oder gar in einzelnen Organen führen sollte. Denn eine T3-Zusatzmedikation wird über den bekannten Feedback-Mechanismus zu einer Hemmung des TSH sowie im Folgenden der T4-Sekretion führen, und somit werden vermutlich innerhalb relativ kurzer Zeit die physiologischen T3-Spiegel wieder hergestellt sein. Genau dieser Mechanismus könnte auch vielleicht die oben beschriebene Wirkung von T3 in der Zeitachse erklären: In den ersten vier Wochen ließ sich eine antidepressive Wirkung in einigen Studien nachweisen, nach Ablauf von vier Wochen aber in keiner einzigen mehr [24]. Joffe et al. (1984) stellten demgegenüber die Hypothese auf, dass der antidepressive Effekt von T3 gerade aufgrund der über den Feedback-Mechanismus erzeugten Senkung der Serum-T4-Spiegel hervorgerufen werden könnte [119] – sozusagen in Analogie der entsprechenden Wirkungsmechanismen von Antidepressiva [24].

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Nahezu alle Studienautoren, in deren Untersuchungen T3 in einer Dosierung von 25 bis 50 µg pro Tag zu Standarddosen von trizyklischen Antidepressiva und SSRI verabreicht wurde, haben diese Kombinationsbehandlung als sicher bezeichnet. Sie erhöht weder die Zahl der üblichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen einer der beiden Substanzen, noch produziert sie signifikante additive Effekte [106, 249, 266].

Augmentation mit Lithium

Klinische Wirksamkeit

Lithium als Monotherapie scheint neben seinem antimanischen und rezidivprophylaktischen Effekt auch eine gewisse antidepressive Wirksamkeit bei depressiven Erkrankungen zu besitzen [125].

Wesentlich größeres klinisches Interesse als die Monotherapie bei depressiven Erkrankungen hat jedoch in den letzten Jahren der Effekt von Lithium in Kombination mit trizyklischen und nicht trizyklischen Antidepressiva bei therapieresistenten Depressionen erlangt. Von bisher zehn vorliegenden Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudien zur Wirksamkeit einer Lithium-Augmentationstherapie zeigen zwei Studien [177, 244] ein negatives und acht Studien ein positives Ergebnis mit einer Responserate von bis zu 50%.

Eine Metaanalyse [16] über neun Plazebo-kontrollierte Studien mit insgesamt 234 Patienten (Frauen:Männer = 7:4) bestätigte, dass Lithium-Augmentation einer Plazebo-Augmentation bei unipolarer schwerer Depression mit einer durchschnittlichen Responserate von 45% versus 18% (p<0,001) über alle Studien überlegen ist.

Eine weitere Metaanalyse [60] über zehn Plazebo-kontrollierte Studien (die von Bauer u. Döpfmer 1999 inkludierten neun Studien plus die Studie von Nierenberg et al. 2003) mit insgesamt 269 Patienten bestätigt mit einer Lithium-Responderrate von 41% versus 14,2% Plazebo-Responderrate die Position von Lithium als bestdokumentierte und evidenzbasierte Augmentationssubstanz bei therapieresistenter Depression.

Dies wird auch in einer vor kurzem veröffentlichten naturalistischen Studie [130] belegt. Köhler et al. (2013) behandelten 135 primäre Antidepressiva-Nonresponder mit vier unterschiedlichen Behandlungsalternativen, nämlich Lithium-Augmentation (LiAugm), Antipsychotika-Augmentation (SGA-Augm), Kombination zweier Antidepressiva (AD-Comb) oder einem Antidepressiva-Switch (AD-Switch). Hierbei zeigten Patienten mit einer Lithium-Augmentation und einer Antipsychotika-Augmentation signifikant bessere Therapieergebnisse (HAMD-Skala, BDI-Skala) als die Patienten, die mit einer Antidepressiva-Kombination oder einem Antidepressiva-Switch behandelt wurden. Die Remissionsraten betrugen für LiAugm 89,3%, SGA-Augm 86,2%, AD-Comb 42,9% und AD-Switch 40,7%.

Bisher existiert keine antidepressive Substanz, die mit ausschließlich erfolgloser Lithium-Augmentation verbunden ist. Während es nach Meinung einiger Autoren [42, 225] für den therapeutischen Effekt keine Rolle spielt, mit welchem Antidepressivum die jeweilige Vorbehandlung erfolgt, wurde das negative Ergebnis der Studie von Nierenberg et al. (2003) unter anderem mit dem primär noradrenergen Profil des verwendeten Antidepressivums Nortriptylin erklärt [60].

Das praktische Vorgehen bei der Lithium-Augmentationstherapie wird in [19, 225, 272] übersichtlich zusammengefasst. Bei Patienten, die auf eine Lithium-Augmentationstherapie ansprechen, sollten wirksame Lithium-Dosen (Serumspiegel: 0,6–0,8 mmol/l) zusätzlich zum Antidepressivum über einen Zeitraum von mindestens 12 Monate nach der Remission verabreicht werden [17, 19, 22, 43]. Diese Empfehlung beruht auf den Ergebnissen einer differenzierten Studie von Bauer et al. (2000) [17]. Die Autoren untersuchten erstmals, ob bei Lithium-Augmentationsrespondern Lithium nach kurzer Zeit wieder abgesetzt werden kann und eine alleinige Antidepressivatherapie über etwa sechs Monate ausreicht oder ob die Fortführung von Lithium zusätzlich zur Gabe des Antidepressivums für eine effektive Erhaltungstherapie erforderlich ist. Im mehr als viermonatigen Beobachtungszeitraum erlitten 7 von 15 Lithium-Augmentationsrespondern, die mit Plazebo und dem Antidepressivum weiterbehandelt worden waren, einen Rückfall, während alle 14 Lithium-Augmentationsresponder, die zusätzlich zum Antidepressivum doppelblind Lithium erhalten hatten, stabil blieben. Hieraus lässt sich die Empfehlung ableiten, Responder auf eine Lithium-Augmentation im Sinne einer Erhaltungstherapie für sechs bis zwölf Monate mit der Augmentation aus Antidepressivum und Lithium weiter zu behandeln.

Die bisher vorliegende Literatur liefert keine validen Responseprädiktoren für ein Ansprechen auf eine Lithium-Augmentation. Alter, Geschlecht und Art des augmentierten Antidepressivums zeigen keinen signifikanten Einfluss [45]. Zudem finden sich konträre Ergebnisse zur Frage, ob eine besonders schwer ausgeprägte depressive Symptomatik mit einer geringeren oder mit einer höheren Ansprechwahrscheinlichkeit einhergeht [42, 45].

Als Wirkungsmechanismen für die Lithium-Augmentation wurden zunächst vor allem die dem Lithium eigenen serotonergen Effekte (u.a. auf die Syntheserate für Serotonin) sowie gegebenenfalls zusätzlich modulatorische Eingriffe in die Regulation der Rezeptorsensibilität oder das Second-Messenger-System diskutiert [19, 44, 45, 225].

Adli et al. (2007) stellten fest, dass die Response auf eine Lithium-Augmentation bei therapieresistenter Depression mit einem Glykogen-Synthase-Kinase-3-beta-50T/C-Single-Nucleotide-Polymorphismus assoziiert ist [1, 22].

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Der Beginn der Therapie mit einer vollen Lithium-Erhaltungsdosis wird von den meisten Patienten problemlos vertragen und kann deshalb zur routinemäßigen Anwendung empfohlen werden. Dies ist ausdrücklich hervorzuheben, da es bei Lithium-Behandlungen im Allgemeinen üblich ist, die Dosis allmählich zu steigern. Die somatischen Nebenwirkungen der Augmentationstherapie entsprechen den unter Lithium im Allgemeinen auftretenden [73, 225, 272]. Hawley et al. beschreiben die in Tabelle 3 genannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen einer Lithium-Augmentation/SSRI-Augmentation. Die bekannten Kontraindikationen für Lithium gelten selbstverständlich auch bei der Augmentationstherapie.

Tab. 3. UAW einer Lithium-SSRI-Augmentation in abnehmender Häufigkeit [aus 113]

Nausea/Erbrechen

Sedierung/Müdigkeit

Tremor

Konzentrationsstörungen

Verstopfung

Vermehrtes Schwitzen

Durst/trockener Mund

Durchfall

SSRI: Selective serotonin reuptake inhibitor; UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkung

Vor- und Nachteile einer Lithium-Augmentationstherapie bei therapieresistenten Depressionen sind in Tabelle 4 dargestellt.

Tab. 4. Vor- und Nachteile einer Lithium-Augmentationstherapie bei therapieresistenten Depressionen [aus 272]

Vorteile

  • Gute Wirksamkeit
  • Kurze Wirklatenz in einer Subgruppe depressiver Patienten
  • Gute Verträglichkeit
  • Keine signifikanten pharmakokinetischen Interaktionen

Nachteile

  • Höheres UAW-Risiko bei älteren Patienten
  • Drug-Monitoring erforderlich
  • Risiko eines Serotonin-Syndroms bei Clomipramin und SSRI möglich
  • Fehlen von Daten bezüglich der Absetzlatenz

SSRI: Selective serotonin reuptake inhibitor; UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkung

Augmentation mit Antipsychotika

Während man vor 20 bis 30 Jahren noch davon ausging, dass die Augmentation von Antidepressiva mit Antipsychotika außer bei wahnhaften Depressionen in der Behandlung der therapieresistenten Depressionen keine Vorteile zeigt, sind seit nunmehr etwa zehn Jahren Studien vorhanden, die den Nutzen einer Augmentationsbehandlung mit atypischen Antipsychotika bei Depressionen belegen [196, 231, 233]. Offene Studien mit Risperidon [184, 205], Olanzapin [76, 146, 248], Quetiapin [2, 80], Ziprasidon [81, 191] oder Aripiprazol [104, 192, 227] zeigen ebenso positive Ergebnisse wie eine Reihe Plazebo-kontrollierter randomisierter Doppelblindstudien. Im Folgenden soll der aktuelle Wissensstand über die antipsychotische Augmentationstherapie für die einzelnen atypischen Antipsychotika differenziert dargestellt werden.

Olanzapin

Shelton et al. (2001) veröffentlichten die erste randomisierte und Plazebo-kontrollierte Doppelblindstudie zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Augmentation eines Antidepressivums mit atypischen Antipsychotika bei therapieresistenten Depressionen [231]. Nonresponder auf mindestens zwei verschiedene Antidepressiva (keine SSRI) wurden in der ersten Studienphase mit bis zu 40 mg/Tag Fluoxetin über sechs Wochen behandelt. Fluoxetin-Nonresponder wurden anschließend monotherapeutisch entweder mit Fluoxetin oder Olanzapin oder mit einer Augmentationsbehandlung von Olanzapin und Fluoxetin über acht Wochen behandelt. Die Olanzapin-Fluoxetin-Augmentationstherapie zeigte dabei in den entsprechenden Skalen (HAMD, MADRS, CGI) eine signifikante Überlegenheit gegenüber den Monotherapien.

Die Autoren einer anderen, groß angelegten Studie [232] kamen bei 500 SSRI- und Nortriptylin-Nonrespondern zu dem Ergebnis einer schnelleren Wirksamkeit einer primären Augmentation von Olanzapin und Fluoxetin versus den entsprechenden Monotherapien.

Auch Thase et al. (2008) stellten eine signifikante Überlegenheit für eine Olanzapin-Fluoxetin-Augmentation gegenüber einer Monotherapie mit Fluoxetin oder Olanzapin bei Fluoxetin-Nonrespondern fest [253]. In dieser Studie traten in der Olanzapin-Gruppe allerdings auch signifikant mehr Abbrecher aufgrund einer Gewichtszunahme auf. So nahmen die Patienten während der Olanzapin-Augmentationstherapie über acht Wochen durchschnittlich um etwa 5 kg zu, während die Patienten mit einer Fluoxetin-Monotherapie lediglich 0,5 kg an Gewicht zunahmen.

In einer Studie von Corya et al. 2006 bei 483 depressiven Patienten zeigte eine Olanzapin-Fluoxetin-Augmentation nach zwölfwöchiger Behandlung eine numerische, jedoch keine statistisch signifikante Überlegenheit über eine Fluoxetin- bzw. Venlafaxin-retard-Monotherapie [57].

Quetiapin

Seit Herbst 2010 ist Quetiapin in seiner retardierten Darreichungsform als erstes atypisches Antipsychotikum in Europa zur augmentativen Behandlung der unipolaren Depression zugelassen. Die Zulassung bezieht sich dabei nur auf eine augmentative Therapie bei depressiven Patienten, die unzureichend auf eine Monotherapie mit einem Antidepressivum angesprochen haben. Der empfohlene zugelassene Dosisbereich in dieser Indikation beträgt 150 bis 300 mg/Tag. Dieser Zulassung liegen zwei große randomisierte kontrollierte Studien zugrunde.

Bauer et al. (2009) behandelten 400 therapieresistente depressive Patienten, die auf eine Monotherapie mit unterschiedlichen Antidepressiva nicht angesprochen hatten, mit einer Quetiapin-Augmentation [20]. Bereits nach einwöchiger und dann auch nach sechswöchiger Behandlung zeigte sich dabei eine signifikant bessere Wirksamkeit der Quetiapin-Augmentation (sowohl für die 150-mg/Tag- als auch für die 300-mg/Tag-Dosierung) im Vergleich zu einer Plazebo-Augmentation eines Antidepressivums.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen El Khalili et al. (2010) in einer zweiten, groß angelegten, randomisierten, kontrollierten Augmentationsstudie mit retardiertem Quetiapin bei ebenfalls über 400 therapieresistenten depressiven Patienten [84].

In beiden Studien [20, 84] waren in der Quetiapin-Augmentationsgruppe Mundtrockenheit, Erschöpfung und Müdigkeit die am häufigsten beklagten unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Das Gewicht und die erhobenen metabolischen Parameter (Blutzucker, Blutfette, usw.) unterschieden sich nach der Behandlung zwischen der Quetiapin- und der Plazebo-Augmentationsgruppe nicht signifikant.

Risperidon

Mahmoud et al. (2012) publizierten die erste randomisierte kontrollierte Doppelblindstudie über eine Risperidon-Augmentationstherapie mit einem Antidepressivum [145]. Sie hatten 274 depressive Patienten mit Therapieresistenz unter einem Antidepressivum entweder mit Risperidon oder Plazebo augmentiert, und ein signifikant besseres Ergebnis für die Risperidon-Augmentationsgruppe bezüglich Response und Schwere der depressiven Symptomatik erhalten. Zudem war die Remissionsrate in der Augmentationsgruppe doppelt so hoch wie in der Plazebo-Gruppe.

Reeves et al. (2008) untersuchten bei einer kleinen Gruppe von 23 depressiven Patienten die Wirkung einer Risperidon-Augmentation versus einer Plazebo-Augmentation über acht Wochen. Die Risperidon-Augmentation war am Ende der Behandlung der Plazebo-Augmentation bezüglich der Response- und Remissionsraten numerisch, jedoch nicht statistisch überlegen [207]. Keitner et al. (2009) konnten bei 97 depressiven Patienten eine signifikante Überlegenheit der Risperidon-Augmentation gegenüber der Plazebo-Augmentation bezüglich der Remissionsraten nach vier Wochen nachweisen, bezüglich der Responseraten gab es in dieser Studie eine numerische, jedoch keine statistisch signifikante Überlegenheit [126].

In den drei dargestellten Risperidon-Augmentationsstudien [126, 145, 207] lassen sich keine signifikanten Drop-out-Raten aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen feststellen. Die am häufigsten aufgeführten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren Mundtrockenheit, ein gesteigerter Appetit und Müdigkeit.

Aripiprazol

Zur Wirksamkeit einer Aripiprazol-Augmentation bei depressiven Patienten liegen drei randomisierte Plazebo-kontrollierte doppelblinde Multicenterstudien [29, 30, 147] vor. In allen drei Studien wurde bei Patienten, die auf eine sechswöchige Behandlung mit einem SSRI oder Venlafaxin nicht angesprochen hatten, eine Augmentation mit Aripiprazol beziehungsweise Plazebo durchgeführt. In allen drei Studien konnte bereits ab der zweiten Behandlungswoche für die Aripiprazol-Augmentation eine signifikante Verbesserung der depressiven Symptomatik gezeigt werden, zwischen den Aripiprazol- und den Plazebo-Gruppen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Abbrecherquoten [171–174]. Die am häufigsten berichteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter der Aripiprazol-Augmentation waren Akathisie, Schlafstörungen und Unruhe.

Zusammenfassende Beurteilung der Augmentation von Antidepressiva mit atypischen Antipsychotika

Zwei Metaanalysen [172, 194] haben Augmentationsstrategien mit atypischen Antipsychotika inzwischen als wirksame Behandlungsmöglichkeit bei therapieresistenter Depression etabliert. Die nunmehr vorliegenden Daten belegen eine gute Wirksamkeit im Vergleich zur Plazebo-Augmentation, zum anderen zeigt sich unter Antipsychotika-Augmentation auch ein schneller Wirkeintritt des antidepressiven Effekts. So zeigen sich in einer Reihe von RCT (randomized controlled trials) bereits nach ein bis zwei Wochen signifikante Effekte der jeweiligen Antipsychotika-Augmentation.

Konstantinidis et al. (2012) weisen in ihrer Analyse des internationalen AMSP-Pharmakovigilanz-Datenmaterials darauf hin, dass die schon relativ hohe Verordnungshäufigkeit (12,8%) von Antipsychotika im Jahr 2000 auf 28,3% im Jahr 2007 gestiegen war [133]. Die zur Augmentationstherapie notwendigen Dosierungen sind deutlich geringer als in der Schizophrenie-Behandlung üblich.

Wie in Tabelle 5 dargestellt, liegen die Dosierungen für Olanzapin bei 2,5 bis 10 mg/Tag, für Quetiapin bei 150 bis 300 mg/Tag, für Risperidon bei 1 bis 2 mg/Tag und für Aripiprazol bei 5 bis 15 mg/Tag. Der Therapieeffekt sollte nach spätestens zwei Wochen eingetreten sein [85]. Ist dies nicht der Fall, sollte eine Änderung der Behandlungsstrategie erfolgen [85].

Barbee et al. (2004) weisen darauf hin, dass ein nachfolgender Wechsel des atypischen Antipsychotikums bei Nonresponse Erfolg versprechend sein kann [11].

In der Metaanalyse von Nelson et al. (2009) werden differenzielle Effekte der Wirksamkeit von Olanzapin, Quetiapin, Risperidon und Aripiprazol untersucht, wobei sich bezüglich der Response keine deutlichen Unterschiede zwischen den Effektstärken feststellen ließen [172].

In einem systematischen Review von zwölf RCT kamen Edwards et al. 2013 zu dem Ergebnis, dass Augmentationen mit Lithium beziehungsweise mit atypischen Antipsychotika in der Behandlung therapieresistenter Depressionen eine vergleichbare Wirksamkeit besitzen und zwischen diesen beiden Augmentationsstrategien kein statistisch signifikanter Unterschied besteht [83]. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass eine Lithiumaugmentation deutlich kostengünstiger als eine Augmentation mit atypischen Antipsychotika ist [83].

Augmentation mit Estrogenen

Bei depressiven Frauen wurden vereinzelt Therapieerfolge durch Augmentation von trizyklischen Antidepressiva mit Estrogenen erzielt [230, 234]. Es liegen bisher jedoch keine doppelblind Plazebo-kontrollierten Studien vor, die die Wirksamkeit dieser Augmentationsstrategie belegen würden.

Augmentation mit Stimulanzien

Darüber hinaus gibt es Einzelfallberichte beziehungsweise offene Studien, dass Methylphenidat (10–40 mg/Tag) die Wirksamkeit von trizyklischen Antidepressiva [53], MAO-Hemmern [94] und SSRI [246] bzw. Dexamphetamin (5–20 mg/Tag) die Wirksamkeit von Fluoxetin [108, 141] bei therapieresistenten Depressionen verstärkt. Die wesentlichen Probleme in der Augmentation mit Psychostimulanzien sind das Missbrauchspotenzial und die relativ kurze Halbwertszeit dieser Substanzen. Psychostimulanzien führen zudem häufig zu Angst, Unruhe und Schlafstörungen und sollten deshalb primär zur Einnahme in den Morgenstunden verordnet werden. Obwohl der Effekt teilweise nur vorübergehend ist [94], scheinen Psychostimulanzien relativ schnell die Wirksamkeit der Antidepressiva zu augmentieren. Eine ausgezeichnete Übersicht über die Bedeutung der Psychostimulanzien in der Therapie psychischer Erkrankungen findet sich in [260].

Augmentation mit Modafinil

Modafinil ist eine vigilanzsteigernde Substanz, die mit den gängigen Stimulanzien Amphetamin und Methylphenidat nicht verwandt ist. In therapeutischen Dosen besitzt Modafinil keinen Einfluss auf die bisher bekannten Neurotransmitterrezeptorsysteme im Gehirn [210]. Soweit bisher bekannt, beruht die Verbesserung der Aufmerksamkeit bzw. des Wachseins auf noch nicht exakt bestimmten Mechanismen, die im vorderen Hypothalamus stattfinden [152]. Diese Mechanismen unterscheiden sich deutlich von denen der bisher bekannten Stimulanzien wie Amphetamin und Methylphenidat.

Eine vor kurzem veröffentlichte Metaanalyse von sechs RCT bei insgesamt 910 Patienten mit unipolarer (4 RCT) und bipolarer (2 RCT) Depression ergab signifikante Effekte einer Modafinil-Augmentation sowie bezüglich der Besserung auf der HAMD-Skala wie auch der entsprechenden Remissionsraten im Vergleich zu einer Plazebo-Augmentation. Die Verträglichkeit von Modafinil war ausgezeichnet und vergleichbar mit Plazebo [107]. Goss et al. (2013) schließen aus den Ergebnissen, dass Modafinil eine sichere und wirksame Augmentationsstrategie bei depressiven Episoden im Rahmen unipolarer wie auch bipolarer Depressionen darstellt [107].

Augmentation mit Buspiron

Buspiron ist ein Azaspirodecandion, das als partieller Serotoninagonist am 5-HT1A-Rezeptor wirkt. Buspiron hat möglicherweise antidepressive Eigenschaften, wenn es in einer Monotherapie bei depressiven Patienten verordnet wird [209]. Nachdem kasuistische Mitteilungen eine Potenzierung des antidepressiven Effekts von SSRI durch Buspiron beschrieben hatten, wurden offene Studien [78, 121] über die Wirksamkeit einer Buspiron-Augmentation von SSRI bei therapieresistenter Depression durchgeführt und kamen zu dem Ergebnis, dass die Buspiron-Augmentation (20–30 mg/Tag) von SSRI eine nützliche Alternative bei therapieresistenten Depressionen darstellen könnte.

Zusammenfassend haben die bisher veröffentlichten offenen Studien die Wirksamkeit einer Buspiron-Augmentationstherapie mit einer Responderrate von 43 bis 100% gezeigt. Eine randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Studie zur Buspiron-Augmentation an 119 Patienten mit Nonresponse auf eine vierwöchige Monotherapie mit Fluoxetin bzw. Citalopram zeigte jedoch keinen Unterschied in der Responderrate im Vergleich zur Plazebo-Gruppe (51% bzw. 47%) [137].

Augmentation mit Antikonvulsiva

Alle Antikonvulsiva (Valproinsäure, Carbamazepin, Lamotrigin, Gabapentin), die in der Phasenprophylaxe bipolar affektiver Störungen eingesetzt werden, werden gelegentlich auch in der Augmentationsbehandlung therapieresistenter unipolarer Depressionen verwendet.

Valproinsäure erwies sich in Kasuistiken und einer nichtkontrollierten Studie als antidepressiv wirksam [66, 128].

Bisher wurde eine Plazebo-kontrollierte, doppelblinde Untersuchung zu Valproinsäure bei 43 bipolar depressiven Patienten über acht Wochen durchgeführt. In der Intent-to-treat-Analyse zeigten dabei 43% der mit Valproinsäure im Vergleich zu 27% der mit Plazebo behandelten Patienten eine Remission. Für eine statistisch relevante Aussage war jedoch die Anzahl der Patienten in dieser explorativen Studie zu gering [217].

Carbamazepin ist ebenfalls auf seine antidepressive Wirksamkeit untersucht worden, erscheint aber hierbei dem Lithium unterlegen [9].

Die antidepressive Wirksamkeit von Lamotrigin als Augmentation bei therapieresistenter Depression ist bisher in einigen Fallserien und offenen Studien [10, 211] belegt, erste Plazebo-kontrollierte Doppelblindstudien ergaben jedoch keine signifikanten Unterschiede zu einer Paroxetin- [180] bzw. Fluoxetin-Monotherapie [12]. Die antidepressive Wirksamkeit von Lamotrigin bei bipolaren Depressionen ist gut dokumentiert [47].

Eine Übersicht über den Einsatz von Antikonvulsiva in der Augmentation der antidepressiven Medikation findet sich in [77].

Augmentation mit dopaminergen Substanzen

Die Augmentation mit dopaminergen Substanzen stellt eine interessante Strategie in der Behandlung therapieresistenter depressiver Störungen dar. Bouckoms und Mangini (1993) berichten in einer offenen Studie über einen positiven Effekt von Pergolid (0,25–2 mg/Tag) in der Augmentation einer antidepressiven Behandlung [38].

Darüber hinaus gibt es Berichte über die Wirksamkeit einer antidepressiven Augmentation mit den dopaminergen Substanzen Amantadin (200–400 mg/Tag) [155], Bromocriptin [117] und Pramipexol (0,375–0,75 mg/Tag) [241].

Eine prospektive Studie von Pramipexol (durchschnittliche Dosierung 0,84 mg/Tag) in der Augmentation von TCA und SSRI zeigt eine 55%ige Responserate bei 31 stationär behandelten Patienten mit uni- oder bipolarer Depression [138].

Wie bei einer Reihe anderer Augmentationsstrategien sind die meisten der bisher vorliegenden Studien unkontrolliert und beinhalten eine relativ geringe Fallzahl [51].

In einer vor kurzem veröffentlichen randomisierten Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudie augmentierten Cusin et al. (2013) 60 ambulante SSRI- und SSNRI-Nonresponder entweder mit bis zu 2 mg Pramiprexol oder Plazebo [61]. Die Autoren konnten dabei bezüglich einzelner Parameter mäßige, aber statistisch signifikante Vorteile der Pramiprexol-Augmentation versus Plazebo feststellen, bezüglich des Responderanteils ergab sich für die Pramiprexol-Gruppe eine numerische, jedoch statistisch nicht signifikante Überlegenheit (40% vs. 23%). Die Autoren schließen aus ihrer Studie, dass die Pramiprexol-Augmentation in einer Dosierung von etwa 1,5 mg/Tag eine sichere und möglicherweise wirksame Behandlungsalternative bei therapieresistenten Depressionen darstellt.

Ein zusätzlicher Vorteil dopaminerger Substanzen in der Augmentation der Antidepressiva könnte in der Besserung der SSRI-induzierten sexuellen Dysfunktion liegen.

Augmentation mit Pindolol

Pindolol ist ein Beta-Adrenorezeptorantagonist, der auch 5-HT1A- und 5-HT1B/1D-Autorezeptoren blockiert und deshalb ein negatives Feedback von gesteigertem somatodendritischem Serotonin (5-HT) unterbinden kann [67]. Ein möglicher Vorteil der Pindolol-Augmentation bei der Behandlung von therapierefraktären Patienten wurde in zwei offenen Studien demonstriert [8, 31]. Bei kontrollierten Studien konnte jedoch kein eindeutiger Vorteil gegenüber Plazebo gezeigt werden [161, 202]. Insgesamt erscheint die Effektivität der Pindolol-Augmentation auf Basis Plazebo-kontrollierter Studien nicht ausreichend belegt [183]. Es ist unklar, ob die verabreichte Pindolol-Dosis tatsächlich zur ausreichenden Besetzung des 5-HT1A-Rezeptors führen kann.

Augmentation mit Benzodiazepinen

In der Depressionsbehandlung spielt die Gabe von Benzodiazepinen eine große Rolle. Vor allem bei Patienten mit stuporösen, suizidalen oder ängstlichen Syndromen werden gerne Benzodiazepine wie Lorazepam hinzugegeben, um eine partielle Symptombesserung zu erreichen bis die Wirklatenz der zur Verfügung stehenden Antidepressiva überbrückt werden kann. Das Absetzen der Benzodiazepine nach Eintreten der Antidepressivaresponse gestaltet sich jedoch nicht immer völlig unproblematisch, da es doch gelegentlich zu einer teilweise deutlichen Verschlechterung der Symptomatik kommt.

In einer relativ geringen Anzahl an Studien hat man sich unter kontrollierten Bedingungen mit der Frage auseinandergesetzt, ob Benzodiazepine per se als Antidepressiva wirksam sind und unter welchen Umständen eine Kombinations- bzw. Augmentationstherapie sinnvoll erscheint.

Vor allem Alprazolam hat sich als rasch antidepressiv wirksame Substanz erwiesen und könnte als sinnvolle Ergänzung im Rahmen einer Kombinationstherapie in Betracht gezogen werden [204, 261].

Unter theoretischen Aspekten ist eine additive Gabe von Benzodiazepinen nicht uninteressant, da Benzodiazepine keinen primären Effekt auf Wiederaufnahme oder Abbau der biogenen Amine besitzen, sondern die GABA-erge Aktivität verstärken und somit in die Kombination mit Antidepressiva ein zusätzliches Wirkprofil einbringen [87].

Augmentation mit Yohimbin

Eine aufgrund theoretischer Überlegungen sehr interessante Kombination – nämlich die eines trizyklischen Antidepressivums mit Yohimbin, einer primär Alpha2-Rezeptor-blockierenden Substanz – zeigte bei der Behandlung therapieresistenter depressiver Patienten bisher keine therapeutische Wirksamkeit [52, 221].

Augmentation mit Folat und S-Adenosyl-Methionin (SAMe)

Folat und S-Adenosyl-Methionin sind Substanzen, die in Methylierungsprozesse im Gehirn stark involviert sind. Diese Substanzen sind extensiv in der Depressionsbehandlung untersucht worden und aus der Literatur lassen sich gewisse antidepressive Eigenschaften dieser Substanzen feststellen [41, 86, 190, 197–199, 218, 240].

Resler et al. (2008) konnten in einem kleinen (n=27) RCT die therapeutische Überlegenheit einer SSRI-Methylfolat-Augmentation (20 mg Fluoxetin + 10 mg Methylfolat) über eine Fluoxetin-Monotherapie zeigen [208].

Aktuell existieren eine offene [4] und zwei randomisierte kontrollierte Studien [197, 198] zur Wirksamkeit einer SAMe- bzw. Folat-Augmentation zur Behandlung therapieresistenter depressiver Patienten.

In einem ersten RCT augmentierten Papakostas et al. (2010) SAMe in einer Dosierung von zweimal 800 mg/Tag versus Plazebo bei 73 SSRI-Nonrespondern über sechs Wochen. Die Responseraten (anhand der HAMD-Skala) lagen für die SAMe-Augmentationsgruppe bei 36,1% versus 17,6% für die Plazebo-Augmentationsgruppe, die Remissionsraten lagen bei 25,8% versus 11,7%. Diese Unterschiede waren statistisch signifikant und klinisch bedeutsam.

In einem zweiten RCT untersuchten Papakostas et al. (2012) die Wirkung einer L-Methylfolat-Augmentation bei SSRI-Nonrespondern. Sie stellten fest, dass lediglich 15 mg/Tag, jedoch nicht 7,5 mg/Tag L-Methylfolat bei SSRI-Nonrespondern einen zusätzlichen antidepressiven Effekt im Vergleich zu Plazebo besitzen (SSRI + 15 mg L-Methylfolat: 32% Responder; SSRI + Plazebo 15% Responder). Unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren unter der L-Methylfolat-Augmentation nicht häufiger zu beobachten als unter der Plazebo-Augmentation.

Augmentation mit niedrig dosiertem Testosteron bei Frauen

Miller et al. (2008) berichten über den positiven Effekt einer niedrig dosierten Testosteron-Augmentation als Augmentationsstrategie zu SSRI im Rahmen einer offenen Studie bei neun therapieresistenten depressiven Frauen. Nach einem Behandlungszeitraum von acht Wochen waren 66% der behandelten Frauen Responder und 33% Remitter. RCT liegen zu dieser Augmentationsstrategie bisher nicht vor [156].

Zusammenfassende Beurteilung der Augmentationstherapien

Unter den zur Verfügung stehenden Augmentationsoptionen ist die Wirksamkeit der Lithium-Augmentation anhand einer großen Zahl von Doppelblindstudien am besten dokumentiert und kann unter Evidenzaspekten (Level A) im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans bei allen Patienten empfohlen werden, die sich als resistent auf eine Pharmakotherapie mit zwei unterschiedlichen Antidepressiva in genügend hoher Dosierung und über einen genügend langen Zeitraum gezeigt haben.

Die Augmentation von Antidepressiva mit Schilddrüsenhormonen ist in einer Reihe von kasuistischen und offenen Studien als effizient beschrieben, kontrollierte Studien, in denen die Wirksamkeit solcher Augmentationsstrategien überprüft wurde, liegen jedoch nur wenige vor. Die bisher publizierten Untersuchungen legen jedoch den Schluss nahe, dass die Augmentation von Antidepressiva mit Schilddrüsenhormonen überlegenswerte Behandlungsalternativen bei Therapieresistenz auf Antidepressiva sind. Im Gegensatz zur Lithium-Augmentation stellen sie in einem Gesamtbehandlungsplan zurzeit jedoch eine nachgeordnete Therapiealternative (Evidenzlevel B) dar. Weitere kontrollierte Studien zu dieser Augmentationsstrategie erscheinen dringend angezeigt.

Augmentationsstrategien mit atypischen Antipsychotika wie Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Aripiprazol und Ziprasidon sind in den letzten Jahren unter klinischen Bedingungen zunehmend häufiger durchgeführt worden, umfangreiche Plazebo-kontrollierte Studien und zwei aktuelle Metaanalysen unterstützen die Wirksamkeit dieser Behandlungsstrategie (Evidenzlevel A). Die zur Augmentationstherapie notwendigen Dosierungen sind deutlich geringer als in der Schizophreniebehandlung üblich.

Augmentationsstrategien mit Buspiron, Modafinil, dopaminergen Substanzen und Folaten sind in den letzten Jahren häufig im Rahmen von Fallserien und offenen Studien mit guten Ergebnissen untersucht worden, umfangreiche Plazebo-kontrollierte Doppelblindstudien zu diesen Strategien liegen bisher jedoch, außer für SAMe und L-Methylfolat, nicht vor. Weitere kontrollierte Studien zu diesen Augmentationsstrategien erscheinen hier dringend indiziert.

Eine Übersicht über die wichtigsten Augmentationsstrategien einschließlich Hinweisen zu den wichtigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen findet sich in Tabelle 5.

Augmentationen mit Stimulanzien, Yohimbin, Fenfluramin und Pindolol stellen interessante klinische Forschungsansätze in der Behandlung therapieresistenter Depressionen dar, spielen derzeit in der klinischen Praxis jedoch eher eine untergeordnete Rolle.

Tab. 5. Häufige Augmentationsstrategien bei therapieresistenten Depressionen

Behandlungsstrategie

Mechanismus

Klassifizierung

Evidenz-level

Dosis

Anwendungshinweise

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)

Lithium

Phasenprophylaktikum

A

  • 2×400 mg/Tag Lithiumcarbonat
  • Spiegel 0,6–0,8 mmol/l
  • Augmentation mind. 3–4 Wochen durchführen
  • UAW-Risiko bei älteren Patienten (z.B. Tremor)
  • Serotonin-Syndrom bei Augmentation von SSRI und Clomipramin selten aber möglich

Atypische Antipsychotika

Atypische Antipsychotika

(D2- und 5-HT2-Antagonismus)

A

  • Niedrige Dosierungen (z.B. 2,5–10 mg Olanzapin, 1–2 mg Risperidon, 5–15 mg Aripiprazol, 150–300 mg Quetiapin)
  • Besserung von Grübeln und Angst
  • Arzneimittelinteraktionen beachten!
  • Verstärkung von UAW wie Gewichtszunahme bzw. anticholinerge Effekte möglich

Triiodthyronin (T3)

Schilddrüsenhormon

B

  • 25–50 µg/Tag T3
  • Keine Änderung der Plasmaspiegel der Antidepressiva
  • Üblicherweise gut verträglich, keine kardiotoxischen Effekte mit TCA, gelegentlich Tremor

SAMe bzw.

L-Methylfolat

Folate

B

  • SAMe 1600 mg/Tag
  • L-Methylfolat 15 mg/Tag
  • Gut verträglich

Modafinil

Vigilanzsteigernde Substanz

Wirkungsmechanismus im vorderen Hypothalamus

B

  • 200–400 mg/Tag Modafinil
  • Gute Verträglichkeit
  • Unruhe
  • Abhängigkeitspotenzial nicht eindeutig geklärt

Buspiron

5-HT1A- und D2-Rezeptor-Antagonist

C

  • 5–20 mg/Tag Buspiron
  • Besserung von Angst und Unruhe
  • Besserung der UAW der SSRI (sexuelle Dysfunktion) möglich

Dopaminagonisten

Dopaminagonisten

C

  • Amantadin 200–400 mg/Tag
  • Pramipexol 0,375–0,75 mg/Tag
  • Möglicherweise sogar Besserung SSRI-induzierter sexueller Dysfunktion

SSRI: Selective serotonin reuptake inhibitor; UAW: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Glossar

AMSP

Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie

BDI

Beck-Depressions-Inventar

CGI

Clinical global impression scale

GABA

Gamma-Aminobuttersäure

GMO

Glutamatmodulator

HAMD

Hamilton rating scale for depression

MADRS

Montgomery-Åsberg depression rating scale

MAO

Monoaminoxidase

MAOH

Monoaminoxidasehememmer

MASSA

Melatonin-Agonist und spezifischer Serotonin-Antagonist

MDD

Major depressive disorder

NaSSA

Noradrenergic and specific serotonergic antidepressant

RCT

Randomized controlled trial

RIMA

Reversible inhibitor of MAO A

SAMe

S-Adenosyl-Methionin

SNDRI

Selective noradrenalin and dopamin reuptake inhibitor

SNRI

Selective noradrenalin reuptake inhibitor

SSRI

Selective serotonin reuptake inhibitor

TCA

Tri-/tetrazyklische Antidepressiva

TSH

Thyreoidea-stimulierendes Hormon

UAW

Unerwünschte Arzneimittelwirkung

Interessenkonflikterklärung

MS gibt als potenzielle Interessenkonflikte die folgenden Firmen an: Aristo, Astra Zeneca, Lundbeck, Merz, Otsuka, Pfizer

TM gibt als potenzielle Interessenkonflikte die folgenden Firmen an: Janssen-Cilag, Lundbeck, Servier, Trommsdorff

Literatur

Das Literaturverzeichnis als PDF.


Prof. Dr. Max Schmauss, Bezirkskrankenhaus Augsburg, Dr.-Mack-Straße 1, 86156 Augsburg, E-Mail: m.schmauss@bkh-augsburg.de

Priv.-Doz. Dr. Thomas Messer, Danuvius Klinik GmbH, Krankenhausstraße 8, 85276 Pfaffenhofen

Current use of comedication and polypharmacy in depressive disorders

Many of the current standards in therapy insist on monotherapy of psychiatric disorders. In clinical practice combination and augmentation therapy in the treatment of depression are more or less common. An international definition is not available. Therefore combination is defined as prescription of two or more antidepressants, while augmentation means adding a drug of another category to an antidepressant. This article wants to illustrate the essential strategies of combination and augmentation in the treatment of depressive disorders.

Key words: Polypharmacy, depression resistant to therapy, combination therapy with antidepressants, augmentation therapy, augmentation with lithium

Psychopharmakotherapie 2014; 21(06)