Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung


Das Interaktionspotenzial der Alpha-1-Adrenozeptorantagonisten

Holger Petri, Bad Wildungen*

Für die Bewertung des pharmakokinetischen Interaktionspotenzials der Alpha-1-Adrenozeptorantagonisten ist die Affinität zum Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzym 3A4 von maßgeblicher Bedeutung. In der Interaktionstabelle (Tab. 1) wird das Verhalten der Substanzen zu diesem Cytochrom-P450-Isoenzym dargestellt.
Psychopharmakotherapie 2014;21:285–7.

Die verschiedenen Alpha-1-Adrenozeptorantagonisten sind zugelassen zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH), Doxazosin zusätzlich bei essenzieller Hypertonie.

Alfuzosin, Doxazosin und Silodosin

Alfuzosin und Silodosin werden primär über das CYP-Isoenzym 3A4 metabolisiert. Alfuzosin und Silodosin sollen daher nicht mit starken CYP3A4-Hemmern kombiniert werden. Wechselwirkungen mit moderaten CYP3A4-Hemmern besitzen keine klinische Relevanz [4, 5]. Eine Wirkungsabschwächung durch erniedrigte Plasmaspiegel ist möglich bei Komedikation mit starken CYP3A4-Induktoren wie Carbamazepin (Abb. 1).

Abb. 1. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf Cytochrom P450 2D6 und 3A4 (Stand: 10/2014) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]

In-vitro-Daten deuten darauf hin, dass CYP3A4 auch beim Abbau von Doxazosin eine relevante Rolle spielt [6]. In der US-amerikanischen Fachinformation von Boceprevir, einem starken CYP3A4-Inhibitor (Abb. 1), ist die Kombination mit Doxazosin kontraindiziert [7]. Terazosin, das wie Doxazosin zur Behandlung der BPH und bei essenzieller Hypertonie Anwendung findet, wird umfangreich metabolisiert. Die genauen Mechanismen sind unbekannt, eine Beteiligung von CYP-Isoenzymen ist nicht auszuschließen [8]. Die klinischen Konsequenzen für den Menschen sind bei jetzigem Kenntnisstand schwer abzuschätzen.

Tamsulosin

Tamsulosin, die Leitsubstanz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie, ist Substrat von CYP2D6 und CYP3A4. Die Inhibition des CYP3A4-abhängigen Metabolismus führt zu einem stärkeren Anstieg der AUC (Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve) als die Hemmung des CYP2D6-abhängigen Abbaus von Tamsulosin [9]. Folglich wird von einer Komedikation mit starken CYP3A4-Inhibitoren abgeraten [3]. Kritisch ist auch die Verabreichung von moderaten CYP3A4-Hemmern bei Poor Metabolizern (PM) von CYP2D6 oder bei Patienten, die starke CYP2D6-Inhibitoren einnehmen. In einer Untersuchung zeigte sich bei Probanden mit einem Intermediate-Metabolizer(IM)-Phänotyp gegenüber der Vergleichsgruppe mit normaler Stoffwechselleistung (Extensive Metabolizer; EM) eine signifikant erhöhte Exposition von Tamsulosin [2]. In der Regel ist der CYP2D6-Phänotyp des Patienten nicht bekannt. Mit verstärkten Nebenwirkungen des Alpha-1-Adrenozeptorantagonisten sollte bei gleichzeitiger Gabe mit CYP3A4-hemmenden Substanzen gerechnet werden.

Bei Patienten mit einem CYP2D6-Ultrarapid-Metabolizer(UM)-Phänotyp ist bei Komedikation mit CYP3A4-Induktoren von niedrigen Tamsulosin-Plasmaspiegeln auszugehen. Bei fehlendem klinischem Ansprechen ist im Einzelfall eine Dosiserhöhung zu erwägen (in den USA ist Tamsulosin bis 0,8 mg/Tag zugelassen [9], in Deutschland ist die Regeldosis 0,4 mg/Tag).

Alpha-1-Adrenozeptorantagonisten, die weniger spezifisch als Tamsulosin am Blasenhals wirken, können besonders zu Beginn der Therapie zu erheblichem Blutdruckabfall („first dose phenomenon“) führen. Aber auch für Tamsulosin besteht in den ersten acht Tagen nach Therapiebeginn ein zwar nicht sehr großes, aber signifikant erhöhtes Risiko für eine klinisch bedeutsame Hypotension. Vorsicht ist geboten bei Komedikation mit anderen Blutdrucksenkern. Die gegen erektile Dysfunktion eingesetzten Phosphodiesterase-5(PDE-5)-Hemmer (z.B. Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil) können ebenfalls den Blutdruck senken [1]. Es sollte bedacht werden, dass die genannten PDE-5-Hemmer bevorzugt über CYP3A4 abgebaut werden. CYP3A4-Inhibitoren steigern daher das Risiko für einen starken Blutdruckabfall bei Patienten, die neben Tamsulosin einen PDE-5-Hemmer einnehmen.

Literatur

1. Benigne Prostatahyperplasie: Bei Beginn der Behandlung mit Alphablockern, kann es zu starkem Blutdruckabfall kommen. Arzneimittelbrief 2013;48:22.

2. Choi CK, et al. Tamsulosin exposure is significantly increased by the CYP2D6*10/*10 genotype. J Clin Pharmacol 2012;52:1934–8.

3. Fachinformation Alna®. Stand: Dezember 2013.

4. Fachinformation Urorec®. Stand: Dezember 2013.

5. Fachinformation UroXatral®. Stand: März 2014.

6. Full Prescribing Information Cardura® XL. Stand: Juli 2011.

7. Full Prescribing Information Victrelis®. Stand: Juli 2014.

8. Oh EY, et al. Pharmacokinetic and pharmacodynamic consequences of inhibition of terazosin metabolism via CYP3A1 and/or 3A2 by DA-8159, an erectogenic, in rats. Br J Pharmaco 2007;151:24–34.

9. Troost J, Tatami S, Tsuda Y, Mattheus M, Mehlburger L, Wein M, Michel MC. Effects of strong CYP2D6 and 3A4 inhibitors, paroxetine and ketoconazole, on the pharmacokinetics and cardiovascular safety of tamsulosin. Br J Clin Pharmacol 2011;72:247–56.


*Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2014;35:431–3.

Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.

Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de

Psychopharmakotherapie 2014; 21(06)