Fokale Epilepsien

Rationale Kombinationstherapie bei Therapieresistenz


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Durch eine Add-on-Therapie mit Antiepileptika der zweiten Generation, die kaum Interaktionen hervorrufen, haben Patienten mit fokaler Epilepsie, die unter einer Monotherapie keine ausreichende Anfallskontrolle erreicht haben, eine hohe Chance anfallsfrei zu werden. Wichtige Voraussetzungen für eine rationale Kombinationstherapie sind die Kenntnis der Wirkungsmechanismen und des Interaktionsprofils der Kombinationspartner. Die Wirksamkeit von Lacosamid als Add-on-Therapeutikum mit verschiedenen Basistherapien wurde auf einem Presse-Round-Table der Firma UCB im Rahmen der 52. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie e.V. am 15. Mai in Bonn präsentiert.

Mit einer antiepileptischen Monotherapie kann bei einem Teil von Epilepsiepatienten selbst bei mehrmaligem Wechsel der Medikation keine ausreichende Anfallskontrolle erreicht werden. Für diese Patienten kann eine Zusatztherapie in Betracht gezogen werden. Bislang ging man davon aus, dass die Add-on-Therapie mit einem Antiepileptikum mit einem alternativen Wirkungsmechanismus zu einem größeren Zusatznutzen führen kann als die Kombination zweier Substanzen mit dem gleichen Wirkungsmechanismus [1].

Mit Lacosamid (Vimpat®) steht ein für die Zusatztherapie fokaler Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung zugelassenes Antiepileptikum zur Verfügung, das kaum Interaktionen verursacht [2]. Im Gegensatz zu klassischen Natriumkanal-blockierenden Antiepileptika verstärkt Lacosamid nicht die schnelle Inaktivierung spannungsabhängiger Natriumkanäle, sondern selektiv die langsame Inaktivierung und trägt so zur Stabilisierung des Ruhemembranpotenzials bei. Die Substanz weist ein günstiges pharmakokinetisches Profil auf. Sie wird schnell und vollständig resorbiert und ist zu annähernd 100% bioverfügbar [2].

In einer Post-hoc-Analyse der drei Zulassungsstudien mit insgesamt 1308 Patienten wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Zusatztherapie mit Lacosamid untersucht und zwar in Abhängigkeit davon, ob die antiepileptische Basismedikation klassische Natriumkanalblocker beinhaltete oder nicht [3]. Die Ergebnisse zeigen, dass Lacosamid sowohl in Kombination mit klassischen Natriumkanalblockern als auch mit Nicht-Natriumkanalblockern die Anfallsfrequenz im Vergleich zu Plazebo signifikant reduziert und den Anteil der Responder (Anfallsreduktion um 50%) erhöht. Als Add-on-Therapie zu klassischen Natriumkanalblockern (z.B. Levetiracetam, Topiramat oder Valproinsäure) führte Lacosamid (400 mg/Tag) bei 39,9% der Patienten zu einem Ansprechen gegenüber 22,7% unter Plazebo (p<0,01). Bei Patienten, die Nicht-Natriumkanalblocker (definiert als Carbamazepin, Lamotrigin, Oxcarbazepin und Phenytoin) als Basismedikation erhielten, betrug die Responserate 62,3% (versus 25,0% unter Plazebo; p<0,01) bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit [3].

Auch im klinischen Alltag effektiv und verträglich

Die Ergebnisse dieser retrospektiven Analyse wurden in einer prospektiven nichtinterventionellen Studie aus Spanien mit 158 Patienten mit fokalen Epilepsien im Praxisalltag bestätigt [4]. Die Studienteilnehmer waren bereits mit fünf verschiedenen Antiepileptika vorbehandelt und erhielten Lacosamid als Zusatztherapie zu durchschnittlich zwei weiteren Antiepileptika. Nach 12 Monaten erreichten 37,5% der Patienten mit einem Natriumkanalblocker in der Basismedikation und 65,3% der Patienten mit Nicht-Natriumkanalblockern eine Anfallsreduktion um 50% (p=0,01); 17,3% bzw. 34,7% der Patienten wurden anfallsfrei (p=0,017) [4].

Lacosamid in der frühen Kombinationstherapie

Möglicherweise ist es sinnvoll, mit der Zugabe von Lacosamid nicht zulange zu warten. Darauf deuten die Ergebnisse der zweiten Zwischenanalyse der VITOBA(Vimpat added to one baseline AED)-Studie hin, einer sechsmonatigen prospektiven, nichtinterventionellen Studie aus der klinischen Praxis in Deutschland [5]. Im Rahmen der VITOBA-Studie wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Lacosamid in Kombination mit nur einem Basisantiepileptikum untersucht. In die Interimsanalyse wurden die Daten von 330 der 571 Studienteilnehmer mit fokalen Anfällen einbezogen. Die Patienten waren im Mittel mit nur zwei Antiepileptika vorbehandelt. Insgesamt wurden 40,7% der Patienten unter der Zweierkombination anfallsfrei. In der Subgruppe, die Lacosamid als erste Add-on-Medikation erhielt, betrug die Anfallsfreiheitsrate 55,4% und in der Subgruppe der älteren Patienten (65 Jahre) 54,5% [3]. Im Gegensatz zu den anderen Studien [3, 4] ergaben die Interimsdaten allerdings keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Lacosamid hinsichtlich der Wirkungsmechanismen der Basisantiepileptika. Dieses Ergebnis könnte laut Dr. Stephan Arnold, München, ein Hinweis darauf sein, dass die Auswahl bestimmter Kombinationen bei weniger refraktären Patienten nicht so entscheidend ist wie bei Patienten, die bereits mit mehreren Antiepileptika vorbehandelt sind.

Als häufigste unerwünschte Wirkungen im Zusammenhang mit Lacosamid berichteten die Teilnehmer der VITOBA-Studie über Fatigue (10,1% der Patienten), Schwindel (8,7%) sowie Kopfschmerzen und Übelkeit (jeweils 2,2%). Bei 12,5% der Patienten führten die unerwünschten Ereignisse zum Abbruch der Therapie.

Quelle

Dr. Stephan Arnold, München, Prof. Dr. Christian Bien, Bielefeld, Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Freiburg. Presse-Round-Table „Anspruch und Perspektiven in der medikamentösen Epilepsietherapie“ veranstaltet von UCB Pharma GmbH im Rahmen der 52. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie e.V., Bonn, 15. Mai 2015.

Literatur

1. St. Louis EK. Truly “rational” polytherapy: maximizing efficacy and minimizing drug interactions, drug load, and adverse effects. Curr Neuropharmacol 2009;7:96–105.

2. Fachinformation Vimpat®, Stand: Juli 2013.

3. Sake JK, Hebert D, Isojärvi J, et al. A pooled analysis of lacosamide clinical trial data grouped by mechanism of action of concomitant antiepileptic drugs. CNS Drugs 2010;24:1055–68.

4. Villanueva V, López-Gomáriz E, López-Trigo J, et al. Rational polytherapy with lacosamide in clinical practice: results of a Spanish cohort analysis RELACOVA. Epilepsy Behav 2012;23:298–304.

5. Noack-Rink M, et al. Poster auf der 85. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Dresden, 18.–21. September 2013.

Psychopharmakotherapie 2014; 21(05)