Psychopharmaka

Trialog mit Betroffenen und ihren Angehörigen


Dr. Claudia Bruhn, Schmölln

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) legt großen Wert auf den aktiven Austausch zwischen Menschen mit psychischen Erkrankungen, ihren Angehörigen und den Therapeuten. Daher haben sich die Trialog-Foren – gemeinsam mit Betroffenen- und Angehörigenverbänden veranstaltete Podiumsdiskussionen – zu einem festen Bestandteil der DGPPN-Jahrestagungen entwickelt.

Die Notwendigkeit des Einsatzes von Psychopharmaka bei psychotischen Erkrankungen wird unter Betroffenen und ihren Angehörigen häufig kontrovers diskutiert. So wird beispielsweise beklagt, dass es unter medikamentöser Therapie zu einer gewissen „Abstumpfung“ oder „Gefühlsleere“ kommt und dass Nebenwirkungen wie Angstzustände, Depression bis hin zu Suizidgedanken, Muskelverkrampfungen (z.B. Zungenschlundkrämpfe) oder Bewegungsstörungen (Dyskinesien) auftreten, die genauso belastend sein können wie die behandelte Erkrankung. Gelegentlich wird auch der Begriff der „pharmakogenen Gewalt“ verwendet, die es zu erkennen und zu beenden gilt.

Sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung

Die von der DGPPN herausgegebene S3-Leitlinie Schizophrenie, die derzeit überarbeitet wird, enthält die Aussage, dass eine Subgruppe von Patienten existiert, die nach einer ersten psychotischen Episode ohne Antipsychotika remittieren. Da jedoch eine klare Identifikation dieser Patienten derzeit nicht möglich ist, kann auch keine generelle Empfehlung zur Therapie ohne Antipsychotika gegeben werden.

Prof. Dr. med. Arno Deister, Itzehoe, hält den Einsatz von Antipsychotika unter sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken weiterhin für sinnvoll und auch effektiv. Mehreren Untersuchungen zufolge kommt es bei ersterkrankten Menschen mit einer schizophrenen Störung bei 52% bis 74% unter Pharmakotherapie innerhalb von etwa drei Monaten zu einer mehr als 50%igen Rückbildung der Symptomatik – insbesondere der Wahnvorstellungen, der Halluzinationen und Denkstörungen. Jedoch nur bei 23% bleibt dieses Ausmaß der Remission über sechs Monate erhalten. Es ist nicht auszuschließen, dass nach fünf Jahren bei über 50% der Patienten noch eine ausgeprägte Restsymptomatik erhalten bleibt.

Zu den klinisch bedeutsamen unerwünschten Wirkungen der Antipsychotika zählen vor allem Bewegungsstörungen, die Einschränkung kognitiver Funktionen, sowie hormonelle, kardiale und metabolische Veränderungen. Daher kommt es darauf an, beim Einsatz der Arzneimittel sorgfältig auf psychische und körperliche Nebenwirkungen zu achten und sie insgesamt so kurz wie möglich zu verabreichen.

Das Recovery-Konzept

Eine wichtige Rolle bei der Behandlung von psychotischen Patienten spielt das Recovery-Konzept. Es handelt sich dabei um ein Modell mit einer weniger Defizit-orientierten Sichtweise auf psychotische Erkrankungen. Die Aufmerksamkeit gilt stärker der Nutzung der individuellen Ressourcen der Patienten. Dabei geht es weniger um Heilung im Sinne von Symptomfreiheit; stattdessen sollen sie in die Lage versetzt werden, trotz ihrer psychischen Probleme ein zufriedenes Leben führen zu können.

Quelle

Johannes G. Bischoff, Kirrweiler; Gudrun Schliebener, Herford; Prof. Dr. med. Arno Deister, Itzehoe; Gabriele Brenner, Stuttgart; Trialog-Forum „Psychopharmaka – Fluch oder Segen – am Beispiel der psychotischen Störung“ veranstaltet im Rahmen der Jahrestagung 2013 der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 28. November 2013.

Literatur

S3-Leitlinie Schizophrenie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Stand: 01.11.2005 (in Überarbeitung), gültig bis 01.11.2010.

Psychopharmakotherapie 2014; 21(04)