Langzeitwirkung von Piribedil auf Motorik und Vigilanz


Ergebnisse einer nichtinterventionellen Studie über 2 Jahre

Reinhard Ehret, Berlin, und Karin Lohmüller, Hamburg

ln einer prospektiven, multizentrischen, nichtinterventionellen Studie wurden der klinische Langzeiteffekt und die Verträglichkeit von Piribedil erstmals über zwei Jahre im Praxisalltag untersucht (PIR 008/K). Zum Zeitpunkt der Auswertung lagen die kompletten Daten von 320 Parkinsonpatienten aus 59 Zentren vor. Für diese Langzeitbeobachtung waren Patienten geeignet, die erstmalig Piribedil als Monotherapie oder in Kombination mit Levodopa erhielten oder die aufgrund einer medizinischen Indikation von einem anderen Dopaminagonisten (DA) umgestellt wurden. Die mittlere Piribedil-Dosis betrug etwa 170 mg pro Tag. Nach den ersten 6 Monaten Behandlung mit Piribedil verbesserte sich der UPDRS-III-Wert als Maß für die Motorik um 5,8 Punkte. Die motorische Verbesserung blieb über den gesamten Beobachtungszeitraum erhalten. Auch nach zwei Jahren lag die Schwere der motorischen Symptomatik 2,9 Punkte unter dem Ausgangswert. Ebenso zeigte sich ein positiver Effekt auf die Vigilanz (Epworth sleepiness-scale, ESS): Bei den Patienten mit vorbestehender exzessiver Tagesmüdigkeit konnte die Vigilanz mit Piribedil wiedererlangt werden. Neu eingestellte Patienten entwickelten unter Piribedil keine Tagesmüdigkeit. Des Weiteren zeigte sich bei Patienten mit einer depressiven Symptomatik eine Verbesserung der Stimmung, die gleichsam mit einer leichten Erhöhung der Lebensqualität einherging. Insgesamt wurde die Therapie mit Piribedil von den Patienten gut vertragen. Piribedil hatte in dieser Langzeitstudie über zwei Jahre positive Effekte auf die Motorik, Vigilanz, depressive Symptome und Lebensqualität der Patienten bei guter Verträglichkeit.
Schlüsselwörter: Parkinson, Piribedil, nichtinterventionelle Langzeitstudie, Motorik, Vigilanz, Depression, Lebensqualität
Psychopharmakotherapie 2014;21:150–2.

Der nichtergotamine Dopaminagonist (DA) Piribedil (Clarium®) ist seit sieben Jahren in Deutschland verfügbar. Er wurde auf Basis von zwei randomisierten Doppelblindstudien für die Monotherapie und Kombination beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) zugelassen [2, 7]. Als einziger DA wirkt Piribedil nicht nur dopaminerg, sondern auch noradrenerg. Die Vorteile des noradrenergen Effekts von Piribedil konnten in einer aktuellen 11-wöchigen Phase-III-Studie gezeigt werden. Nach Umstellung von anderen DA auf Piribedil war bei tagesmüden Patienten die Tagesfrische wiederhergestellt, bei einem gleichwertigen Effekt auf die Motorik [3]. Da das IPS eine chronische Therapie erfordert, sollten in dieser Studie die Langzeiteffekte von Piribedil unter Praxisbedingungen erhoben werden.

Abgesehen von der eingeschränkten Motorik leiden viele Parkinsonpatienten auch unter nichtmotorischen Symptomen. Speziell depressive Verstimmungen schränken die Lebensqualität der Patienten stark ein. In der vorliegenden Auswertung nach zwei Jahren Piribedil-Therapie wurden deshalb neben der motorischen Symptomatik mittels der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale, Teil III (UPDRS-III), auch depressive Verstimmungen mit dem Beck’schen Depressions-Inventar (BDI) sowie die Lebensqualität der Patienten mit einer siebenstufigen Skala erfasst. Die Ergebnisse einer Zwischenauswertung dieser Studie nach sechs Monaten wurden bereits publiziert [4]. Nun liegen erstmals prospektive klinische Daten einer zweijährigen Beobachtungsdauer unter Praxisbedingungen vor.

Patienten und Methoden

Im Rahmen der prospektiven, nichtinterventionellen Studie (NIS) sollten die Daten zum Krankheits- und Behandlungsverlauf sowie Langzeiteffekte von Piribedil unter Praxisbedingungen an einem repräsentativen Patientenkollektiv dokumentiert und ausgewertet werden (PIR-008/K; ClinicalTrials.gov ID: NCT01519856). Die Dokumentation der Daten erfolgte mittels eines Online-Systems.

An der NIS nahmen Fachärzte für Neurologie und Nervenheilkunde in Praxen in Deutschland teil, in denen regelmäßig Parkinsonpatienten behandelt werden. Für die Dokumentation im Rahmen der Studie kamen erwachsene Parkinsonpatienten infrage, die Piribedil erstmalig in Mono- oder Kombinationstherapie erhielten. Alle Patienten unter einer Piribedil-Therapie, unabhängig ob es sich um eine Ersttherapie oder eine Umstellung von einem anderen DA handelte, waren für die Dokumentation geeignet. Die motorische Symptomatik wurde mittels UPDRS Teil III dokumentiert, depressive Symptome im BDI erfasst und die Lebensqualität mit einer siebenstufigen visuellen Analogskala gemessen. Der geplante Beobachtungszeitraum umfasste für jeden Patienten zwei Jahre (24 Monate). Dieser konnte optional auf 48 Monate ausgedehnt werden. Beobachtungszeitpunkte waren nach etwa 6, 12, 18 und 24 Monaten vorgesehen. Die Auswertung der einzelnen Parameter erfolgte jeweils für die Patienten mit vollständig vorliegenden Datensätzen.

Ergebnisse

Insgesamt konnten 862 Patienten in die Studie einbezogen werden. Für 320 Patienten liegen die kompletten Zweijahresdaten vor. Diese wurden von 59 Zentren in Deutschland dokumentiert. Die Patienten waren im Mittel 69 Jahre alt und befanden sich überwiegend in den Hoehn & Yahr-Stadien I–III. Der Anteil männlicher Patienten war 63%. Die mittlere Piribedil-Dosierung betrug etwa 170 mg.

Den Verlauf der motorischen Symptomatik über zwei Jahre zeigt die Abbildung 1: Nach 6 Monaten Behandlung mit Piribedil verbesserte sich die Motorik im Mittel um 5,8 Punkte, gemessen anhand der UPDRS-III. Auch nach zweijähriger Behandlung waren die motorischen Symptome schwächer ausgeprägt als zu Beginn der Beobachtungsphase (2,9 Punkte Verbesserung).

Im Bereich der nichtmotorischen Störungen ließ sich mit Piribedil die Vigilanz bei Patienten mit exzessiver Tagesmüdigkeit (Epworth sleepiness scale [ESS] 10) wieder herstellen (Rückgang des ESS-Wertes von 13,8 auf 10 Punkte nach 6 Monaten und auf 9,3 Punkte nach 24 Monaten) (Abb. 2). Die Vigilanz von neu auf Piribedil eingestellten Patienten wurde nicht beeinträchtigt.

Abb. 1. Verbesserung des UPDRS-III-Werts (Unified Parkinson’s disease rating scale, Teil III) über zwei Jahre im Vergleich zum Ausgangswert (für 174 Patienten dokumentiert; Ausgangswert: 28,2 Punkte)

Abb. 2. Verlauf der ESS-Werte (Epworth sleepiness scale) bei Patienten mit exzessiver Tagesmüdigkeit (ESS 10; n=41). Ein höherer Wert bedeutet stärker eingeschränkte Vigilanz. Der Grenzwert für exzessive Tagesmüdigkeit liegt bei 10 Punkten.

Insgesamt 135 Patienten wurden mittels des BDI auf das Vorliegen depressiver Symptome getestet. Es zeigte sich, dass 67 Patienten unter depressiven Symptomen litten. Besonders bei den Patienten mit mittlerer oder schwerer depressiver Ausprägung verbesserte Piribedil die Stimmungslage um durchschnittlich 10,2 bzw. 18,5 Punkte (Abb. 3).

Abb. 3. Absoluter Rückgang depressiver Symptome nach zwei Jahren in Abhängigkeit vom Schweregrad (Prä-Post-Vergleich; n=135 dokumentiert). Klassifikation der Depression laut Beck’schem Depressions-Inventar (BDI): 0–13 Punkte: keine/minimale Depression, 14–19 Punkte: leichte Depression, 20–28 Punkte: mittelschwere Depression, ab 29 Punkten: schwere Depression

Dies spiegelte sich auch in einer diskreten Verbesserung der Lebensqualität wider. Die Verbesserung betrug knapp einen Punkt auf einer 7-stufigen Skala. Der Effekt blieb über die gesamte Beobachtungsdauer von zwei Jahren erhalten.

Die Therapie mit Piribedil wurde sehr gut vertragen. Die häufigsten berichteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen fielen in die Bereiche psychiatrische Erkrankungen, Erkrankungen des Nervensystems oder des Gastrointestinaltrakts (jeweils unter 5%). Es traten drei schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auf (Verwirrtheit, Synkope und kognitive Störung). Alle Patienten waren vollständig wiederhergestellt. Ermüdung oder Ödeme hatten eine Häufigkeit von 0,6%.

Diskussion und Fazit

In der vorliegenden prospektiven Beobachtungsstudie konnte ein deutlicher und über zwei Jahre anhaltender therapeutischer Effekt von Piribedil auf motorische Symptome des IPS gezeigt werden. Der Rückgang um 5,8 Punkte auf der UPDRS-III-Skala entspricht einem klinisch bedeutsamen Unterschied. Der Effekt ist auch nach zwei Jahren mit 2,9 Punkten klinisch relevant [9]. Dies ist insofern bemerkenswert, als es sich beim IPS um eine fortschreitende Erkrankung handelt. Neben den motorischen Symptomen sind auch die nichtmotorischen Symptome für den Patienten bedeutsam [8]. Der Einfluss dieser Symptome auf die Lebensqualität von Parkinsonpatienten ist beträchtlich [6]. Oft sind die nichtmotorischen Symptome nicht doparesponsiv, da hier andere Neurotransmittersysteme wie das noradrenerge oder cholinerge System beteiligt sind [1]. In einer aktuellen Phase-III-Studie konnte gezeigt werden, dass Piribedil nach Umstellung von anderen oralen DA einen gleichwertigen motorischen Effekt hat und darüber hinaus die Tagesfrische (Vigilanz) wiederherstellen kann [3]. Auch in der hier vorgestellten nichtinterventionellen Studie stellte Piribedil die Tagesfrische bei exzessiv tagesmüden Patienten unabhängig von der Vortherapie wieder her. Ingesamt 41 Patienten hatten zu Beginn eine exzessiv erhöhte Tagesmüdigkeit (im Mittel 13,8 Punkte auf der ESS). Nach 6 Monaten war ein mittlerer Wert von 10,0 erreicht (entspricht dem Grenzwert für exzessive Tagesmüdigkeit nach Lachenmeyer 2006 [5]); nach zwei Jahren lag der ESS-Wert bei 9,3. Bei neu eingestellten Patienten blieb mit Piribedil die Vigilanz erhalten (ESS-Mittelwert unter 7). Da Piribedil sowohl eine D3-agonistische Wirkung als auch noradrenerge Effekte besitzt, verwundert es nicht, dass auch in dieser Langzeitstudie antidepressive Effekte beobachtet wurden, die mit einer diskreten Erhöhung der Lebensqualität einhergingen. In einer aktuellen, randomisierten, Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudie bei Parkinsonpatienten mit Apathie und Depression nach tiefer Hirnstimulation bewirkte Piribedil ebenfalls den Rückgang dieser Symptome [10].

Die vorliegenden Langzeitdaten zeigen für Piribedil einen über zwei Jahre anhaltenden positiven Effekt auf Motorik, Tagesfrische und Stimmungslage sowie einen leichten Effekt auf die Lebensqualität von Parkinsonpatienten. Dies kann besonders für berufstätige Patienten und aktive Rentner eine Rolle spielen.

Danksagung

Wir möchten allen Studienzentren für die aktive Teilnahme an der Langzeit-NIS danken.

Interessenkonflikterklärung

Die Mittel für die Durchführung der nichtinterventionellen Studie wurden vom Hersteller von Piribedil, der Desitin Arzneimittel GmbH zur Verfügung gestellt.

Literatur

1. Bonnet AM. Involvement of non-dopaminergic pathways in parkinson’s disease: Pathophysiology and therapeutic implications. CNS Drugs 2000;13:351–64.

2. Castro-Caldas A, Delwaide P, Jost W, Merello M, et al. The Parkinson-Control study: a 1-year randomized, double-blind trial comparing piribedil (150 mg/day) with bromocriptine (25 mg/day) in early combination with levodopa in Parkinson’s disease. Mov Disord 2006;21:500–9.

3. Eggert K, Lohmüller K, Helmstädter C. Einfluss des Non-Ergot Dopaminagonisten Piribedil auf die Vigilanz bei Parkinsonpatienten im Vergleich zu Ropinirol und Pramipexol (PiViCog-PD). 85. Kongress der DGN mit Fortbildungsakademie. Hamburg 2012. Abstract und Poster Nr. 696.

4. Ehret R, Lohmüller K. Reduktion depressiver Symptome und verbesserte Lebensqualität unter Piribedil bei Parkinsonpatienten. Ergebnisse einer Zwischenauswertung nach sechs Monaten. Psychopharmakotherapie 2012;19: 69–71.

5. Lachenmeyer L. Die Beurteilung der Fahreignung von Parkinsonpatienten. NeuroGeriatrie 2006;3:18–22.

6. Martinez-Martin P. The importance of non-motor disturbances to quality of life in Parkinson’s disease. J Neurol Sci 2011; 310:12–6.

7. Rascol O, Dubois B, Castro-Caldas A, Senn S, et al. Early piribedil monotherapy of Parkinson’s disease: A planned seven-month report of the REGAIN study. Mov Disord 2006;21:2110–5.

8. Riedel O, Klotsche J, Spottke A, Deuschl G, et al. Frequency of dementia, depression, and other neuropsychiatric symptoms in 1,449 outpatients with Parkinson’s disease. J Neurol 2010;257:1073–82.

9. Shulman LM, Gruber-Baldini AL, Anderson K.E, Fishman PS, et al. The clinically important difference on the unified Parkinson’s disease rating scale. Arch Neurol 2010;67:64–70.

10. Thobois S, Lhommee E, Klinger H, Ardouin C, et al. Parkinsonian apathy responds to dopaminergic stimulation of D2/D3 receptors with piribedil. Brain 2013;136:1568–77.


Dr. Reinhard Ehret, Schlossstraße 97, 12163 Berlin, E-Mail: dr.ehret@neurologie-berlin.de

Karin Lohmüller, Abteilung Medizin, Desitin Arzneimittel GmbH, Weg beim Jäger 214, 22335 Hamburg

Long-term effects of piribedil on motor activity and vigilance – results of a non-interventional study for two years

In a prospective, multicenter, non-interventional study the long-term clinical effect and tolerability of piribedil in everyday practice were studied for two years (PIR 008/K). At the time of evaluation, the complete data were available from 320 patients documented in 59 specialized Parkinson centers. Patients were eligible for this long-term study if they received the first time piribedil in monotherapy or in combination with levodopa or were converted from another dopamine agonist (DA) due to a medical reason. The average dose of piribedil was about 170 mg per day. After the first 6 months of treatment with piribedil, the UPDRS III (as a measure of motor function) improved by 5.8 points. The motor improvement was maintained over the entire period of observation. Even after two years, the severity of motor symptoms was 2.9 points below baseline. Likewise, a positive effect on vigilance (Epworth sleepiness scale, ESS) was shown. Vigilance could be regained with piribedil in patients with pre-existing excessive daytime somnolence. Newly recruited patients developed no daytime sleepiness under piribedil. Furthermore, in patients with depressive symptoms an improvement of the mood was seen with piribedil, which was accompanied with a slight increase in quality of life. Treatment with piribedil was well tolerated. Piribedil had in this two years long-term study positive effects on motor activity, vigilance, depressive symptoms and quality of life, with good tolerability.

Key words: Parkinson’s disease, piribedil, non-interventional longitudinal study, motor activity, vigilance, depression, quality of life

Psychopharmakotherapie 2014; 21(04)