Major Depression

Agomelatin vergleichbar wirksam wie klassische Antidepressiva


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Agomelatin ist ein Antidepressivum mit einem neuartigen, melatonergen Wirkungsmechanismus. In einer Metaanalyse von publizierten und nichtpublizierten klinischen Studien ergab sich eine antidepressive Effektgröße von 0,24. Die Wirksamkeit ist damit vergleichbar mit anderen Antidepressiva. Die Verträglichkeit ist vergleichsweise besser, sodass die Substanz bei Unverträglichkeiten gegenüber anderen Antidepressiva eingesetzt werden kann.

Antidepressiva sind Mittel der ersten Wahl bei Patienten mit einer Major Depression und Dysthymie. Derzeit wird diskutiert, ob die Wirksamkeit zumindest einiger Antidepressiva möglicherweise aufgrund eines Publikationsbias überbewertet wurde – Studien mit positivem Ergebnis werden eher zur Publikation eingereicht oder angenommen als Studien mit negativem Ergebnis. Daher sollten Metaanalysen zur Wirksamkeit von Antidepressiva grundsätzlich mit publizierten und nichtpublizierten Studien durchgeführt werden [1, 2].

Eine solche Metaanalyse liegt jetzt zu dem vergleichsweise neuen Antidepressivum Agomelatin (Valdoxan®) vor [1]. Agomelatin wirkt als 5-HT2C-Rezeptorantagonist und gleichzeitig – als bisher einziges Antidepressivum – als Agonist der melatonergen MT1/MT2-Rezeptoren. In einer Metaanalyse mit publizierten Studien ergab sich im Vergleich zu Plazebo eine Effektstärke bei Major Depression von 0,26.

Methodik

In der nun durchgeführten Metaanalyse wurden unter Mithilfe des Herstellers publizierte und unpublizierte randomisierte, doppelblinde und kontrollierte Studien zu Agomelatin in den zur Verfügung stehenden Dosen 25 mg und 50 mg bei Patienten mit einer Major Depression einbezogen. Die Datenzusammenführung erfolgte mithilfe eines Random-Effekt-Modells. Die Ergebnisse zur Wirksamkeit, in den Originalarbeiten erfasst als Score-Änderungen beispielsweise in der Hamilton rating scale for depression (HAM-D) oder der Montgomery-Åsberg depression rating scale (MADRS), fasste man in der Metaanalyse als Effektstärke (Standardised mean difference, SMD) zusammen.

Ergebnisse

Insgesamt 20 Studien mit 7460 Teilnehmern erfüllten die Einschlusskriterien. Elf Studien waren publiziert worden, vier Studien befanden sich in den Datenbanken der European Medicines Agency (EMA); die Daten von fünf unpublizierten Studien stellte der Hersteller zur Verfügung. Fast in alle Studien wurde zur Wirksamkeitserfassung der 17-Item-HAM-D-Score verwendet. In der Datenzusammenfassung ergab sich für Agomelatin eine signifikant stärkere Wirksamkeit im Vergleich zu Plazebo, die Effektstärke betrug 0,24 (95%-KI 0,12–0,35), die relative Risk-Response 1,25 (95%-KI 1,11–1,4). Erwartungsgemäß zeigten die Ergebnisse von publizierten Studien einen deutlicheren antidepressiven Effekt von Agomelatin als die Ergebnisse nichtpublizierter Studien.

Diskussion

Die Metaanalyse mit publizierten und nichtpublizierten Studien ergab für Agomelatin eine mit anderen Antidepressiva vergleichbare Wirksamkeit. In einer nicht präspezifizierten Analyse von Vergleichsstudien mit anderen Antidepressiva zeigte sich eine deutlich bessere Verträglichkeit für Agomelatin [1]. Die in dieser Metaanalyse ermittelte Effektgröße von 0,24 liegt allerdings noch deutlich unterhalb des vom englischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) verwendeten Schwellenwerts von 0,50, ab dem eine klinisch relevante Wirksamkeit angenommen wird. Solche hohen Effektgrößen von Antidepressiva können aber meist nur bei Patienten mit schwerer Initialsymptomatik erreicht werden. In klinischen Studien, die auch den Praxisalltag berücksichtigen wollen, sind aber immer auch Patienten mit nicht so schwerer Symptomatik einbezogen, was dann zu niedrigeren Effektgrößen führt [2].

Für den Arzt ergibt sich in der Behandlung von leicht bis mäßig depressiven Patienten das Dilemma, dass ihm mit den Antidepressiva (zumindest statistisch) nur vergleichsweise schwach wirksame Substanzen zur Verfügung stehen. Eine Psychotherapie als Alternative ist zwar auch wirksam, in Metaanalysen erreichte die Effektgröße dieser nichtmedikamentösen Intervention aber ebenfalls nicht klinische Relevanz [2]. Pragmatischerweise wird man aber wie bisher den mäßiggradig und schwer erkrankten Patienten ein Antidepressivum empfehlen. Agomelatin ist allerdings nicht Mittel der ersten Wahl. Die Substanz hat zwar eine vergleichbare Wirksamkeit wie andere Antidepressiva, Verordnungshürden ergeben sich aber aufgrund der hohen Kosten (Patentschutz) und der Vorgabe, vor Therapiebeginn und dann in regelmäßigen Abständen die Leberwerte zu überprüfen. Aufgrund seiner insgesamt guten Verträglichkeit kann es aber bei nichttolerablen Nebenwirkungen unter anderen Antidepressiva als Zweitoption in Erwägung gezogen werden. Auch durch den raschen Wirkungseintritt und die fehlende Absetzsymptomatik unterscheidet sich Agomelatin von den Standardantidepressiva [1].

Literatur

1. Taylor D, et al. Antidepressant efficacy of agomelatine: meta-analysis of published and unpublished studies. BMJ 2014;348:g1888. Epub 19. März 2014.

2. Ambresin G, et al. Does agomelatine have a place in the treatment of depression? BMJ 2014;348:g2157.

Psychopharmakotherapie 2014; 21(04)