Sedierung unter Kombinationsbehandlung – unerwünschte Arzneimittelwirkung als Aufnahmegrund


Jessica Baumgärtner, Augsburg, Gabriel Eckermann, Kaufbeuren, Renate Grohmann, München, Max Schmauß, Augsburg, Sermin Toto, Hannover, und Susanne Stübner, Augsburg

Wir berichten über den Fall einer ausgeprägten Sedierung, die zur Krankenhausaufnahme führte und sich im Verlauf als unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) herausstellte. Bei einem 54-jährigen internistisch und psychiatrisch multimorbiden Patienten, darunter mit den Diagnosen einer Intelligenzminderung und einer katatonen Schizophrenie, war es unter einer komplexen Kombinationsbehandlung zur Ausbildung eines Syndroms der Bewusstseinsstörung mit Stürzen gekommen, das am ehesten auf eine Nortriptylin-Intoxikation zurückgeführt werden kann. Auf Station erfolgten eine Überprüfung des pharmakodynamischen und -kinetischen Interaktionspotenzials sowie ein therapeutisches Drug-Monitoring. Es fanden sich mehrere potenzielle und auch tatsächliche Interaktionen und Arzneistoff-Konzentrationsänderungen, die das klinische Bild erklärten. In der Synopsis ergab sich zudem der Verdacht auf eine pharmakogenetische Besonderheit. Nach Anpassung der Medikation kam es zu einer erfreulichen klinischen Besserung. Der Fall wurde im Rahmen des Projekts Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie (AMSP) e.V. eingehend diskutiert.
Schlüsselwörter: Sedierung, unerwünschte Arzneimittelwirkung, pharmakokinetische und pharmakodynamische Interaktion, Pharmakogenetik, AMSP, Nortriptylin, Valproinsäure, Quetiapin, Lorazepam, Metoprolol
Psychopharmakotherapie 2014;21:118–22.

Fallbericht

Im Rahmen des Projekts Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie (AMSP) e.V. [4] wurde der vorliegende Fall erfasst:

Bei einem 54-jährigen Patienten bestand eine angeborene Intelligenzminderung mittelgradigen Ausmaßes mit Sprechstörung (ICD-10: F71). Zusätzlich war bei dem Patienten erstmals 2002 eine katatone Schizophrenie (ICD-10: F20.2) diagnostiziert worden, in deren Folge es immer wieder zu schweren stuporösen Zuständen kam, die lediglich auf höchste Dosen von Lorazepam zu durchbrechen waren. Der Patient war in einer betreuten Einrichtung untergebracht.

Ferner litt der Patient unter zahlreichen internistischen Erkrankungen, darunter arterieller Hypertonie, Hyperlipidämie, Steatosis hepatis, Hypothyreose (euthyreot unter Substitution) und benigner Prostatahyperplasie.

Seit Februar 2012 war er psychopharmakologisch sowie internistisch mit den in Tabelle 1 aufgeführten Arzneistoffen behandelt worden. Im Juni 2013 war im Heim eine zunehmende Sedierung bis hin zu Zuständen intermittierender Somnolenz aufgefallen, weshalb die betreuende Nervenärztin die stationäre Aufnahme veranlasste.

Tab. 1. Psychiatrische und internistische Medikation des Patienten bei Krankenhausaufnahme

Psychiatrische Medikation

Wirkstoff

Dosis/Tag

Nortriptylin

75 mg

Valproinsäure

600 mg

Quetiapin

800 mg

Lorazepam

Bis zu 3,5 mg

Internistische Medikation

Wirkstoff

Dosis/Tag

Metoprolol

100 mg

Simvastatin

20 mg

Acetylsalicylsäure

100 mg

Tamsulosin

0,4 mg

Ramipril

10 mg

Torasemid

20 mg

Pantoprazol

40 mg

Levothyroxin

50 µg

Die Medikamentenanamnese erbrachte Hinweise auf zahlreiche frustrane Therapieversuche, die zumeist höchstens von einem Teilansprechen, demgegenüber aber häufig von schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) gefolgt waren: Sowohl hochpotente Antipsychotika der ersten Generation wie Bromperidol und Flupentixol hatten keine anhaltende Besserung erbracht, als auch Antipsychotika der zweiten Generation wie Ziprasidon, Olanzapin und Clozapin. Nach Umstellung von Clozapin auf Amisulprid 2006 war ein malignes neuroleptisches Syndrom aufgetreten.

Es war zu eruieren, dass es in den letzten Monaten zu zwei stationären Aufenthalten in somatischen Kliniken gekommen war:

Im November 2012 war ein sechstägiger Aufenthalt in einer neurologischen Klinik erfolgt, nachdem im Wohnheim Koordinationsschwierigkeiten der rechten Hand, ein Linksdrall beim Gehen sowie eine verstärkt undeutliche Aussprache aufgefallen waren. Im dortigen Aufnahmelabor hatte sich eine mit 132 mmol/l erniedrigte Natrium-Konzentration (Norm: 135–145 mmol/l) gefunden, eine mit 5,2 mmol/l erhöhte Kalium-Konzentration (Norm: 3,6–4,8 mmol/l), ein erhöhter CRP-Wert von 5,68 mg/dl (Norm: bis 0,5 mg/dl) sowie eine Leukozytose mit Leukozytenwerten von 11,4/nl (Norm: 3–10/nl). Die übrigen durchgeführten Untersuchungen einschließlich Schilddrüsenwerte, Ammoniakkonzentration, Röntgenthorax, transösophageale Echokardiographie, kranielle Magnet-Resonanz-Tomographie mit Kontrastmittel und Angiographie sowie Duplexsonographie ergaben unauffällige Befunde. Diagnostisch wurde ausgegangen von einer Verschlechterung einer vorbestehenden Koordinationsstörung rechts und einer Dysarthrie aufgrund einer medikamentös-toxischen Genese, differenzialdiagnostisch bei Elektrolytstörung oder bei Infekt oder bei Ischämie. Zudem wurde der Verdacht auf eine Pneumonie oder differenzialdiagnostisch eine Bronchitis geäußert und antibiotisch behandelt. Die Elektrolytverschiebungen wurden behandelt und der Patient mit zur Aufnahmemedikation unveränderter Behandlung wieder entlassen.

Anfang Juni 2013, bis zwei Tage vor der aktuellen stationär-psychiatrischen Aufnahme, war der Patient wegen rezidivierenden Stürzen und Somnolenz für zehn Tage in einer internistischen Klinik untersucht worden. Es war die Hauptdiagnose einer Hyponatriämie (mit Minimialwerten bis 116 mmol/l; Normwerte: 135–145 mmol/l) gestellt und als UAW von Quetiapin interpretiert worden, weshalb dies pausiert wurde. Die übrige Medikation wurde unverändert belassen. Natrium wurde substituiert. EKG, Röntgen-Thorax und CCT waren erneut unauffällig. Eine stationär-psychiatrische Aufnahme zur medikamentösen Neueinstellung war empfohlen worden.

Bei Nachexploration mit der Betreuerin war zu eruieren, dass die Sedierung vermutlich bereits noch länger bestanden hatte: So war es nach einem Sturz im April 2012 zu einer Radiusköpfchenfraktur gekommen, die einen unfallchirurgischen Eingriff unter stationären Bedingungen erforderlich gemacht hatte.

Bei der aktuellen psychiatrischen Aufnahme bestand bei dem Patienten ein Syndrom der Bewusstseinsstörung. Er war somnolent, dabei erweckbar auf Ansprache, und einzig zur Person orientiert. Aufforderungen wurden befolgt. Spontan äußerte sich der Patient nicht. Die Sprache war schwer verständlich bei stolperndem Sprachmodus, leichter Dysarthrie und starkem Dialekt. Zudem weinte der Patient immer wieder. Eine eingehendere psychiatrische Untersuchung war bei der starken Sedierung zunächst nicht möglich.

Im weiteren Verlauf zeigten sich deutliche kognitive Störungen, wie sie bereits vorbeschrieben und im Rahmen der Minderbegabung eingeordnet worden waren. Subtraktions- oder Buchstabier- sowie Merkfähigkeitsaufgaben konnten nicht durchgeführt werden, es zeigten sich auch Störungen der Auffassungs- und Abstraktionsfähigkeit. Antrieb und Psychomotorik waren stark reduziert. Die spontane Mimik war verarmt, lediglich im Gespräch kam es zu anfallsartig einschießendem Weinen. Die Grundstimmung war gedrückt, der Affekt war herabgestimmt, mitunter weinerlich, mit ratlos-ängstlich-verzweifelten Einsprengseln. Es bestand Affektinkontinenz. Der formale Gedankengang war verlangsamt und erschien verarmt. Das inhaltliche Denken enthielt flüchtiges, unsystematisiertes Beziehungs- und Beeinträchtigungserleben. Intermittierend waren akustische Halluzinationen in Form von kommentierenden und beschimpfenden Stimmen zu eruieren. Ich-Störungen waren nicht zu explorieren. Psychovegetativ bestanden ausgeprägtes Schlafbedürfnis und gesteigerter Appetit. Es bestand eine psychovegetative Hyperreagibilität (z.B. Neigung zu Tachykardien bei Aufregung). Suizidalität wurde verneint.

In der körperlichen und neurologischen Untersuchung zeigten sich neben einer Adipositas und einem Husten keine weiteren Auffälligkeiten.

Bei den Vitalparametern fanden sich eine diastolisch betonte Hypertonie mit 137/112 mmHg, eine diskrete Tachykardie von 86/min (unter Behandlung mit Metoprolol), und eine Temperatur von 37,0°C. Das EKG war unauffällig. Bei den klinisch-chemischen Laborparametern einschließlich Schilddrüsenwerten und Lues-Serologie zeigten sich unauffällige Werte bis auf ein mit 4,39 mg/dl erhöhtes C-reaktives Protein (Norm: 0,0–0,5 mg/dl) und eine Leukozytose von 14/nl (Norm: 3,0–10,0/nl). Der Urinstatus war unauffällig. Im EEG fand sich ein unregelmäßiger, unzureichend modulierter und gegliederter Theta-Grundrhythmus mit einer Frequenz von 7/s und Amplituden bis 40 µV mit inkompletter visueller Blockadereaktion, sowie intermittierende generalisierte Verlangsamungen bei starker Artefakt-Überlagerung; ohne epilepsietypische Potenziale. Es bestand keine Änderung zu den Vorbefunden (zuletzt Dezember 2012).

Nach und nach gingen die Analyseergebnisse der bereits bei Aufnahme abgenommenen und in verschiedenen Laboren bestimmten Blutspiegelkontrollen ein: Es zeigte sich ein mit 50 µg/ml (Referenz: 50–100 µg/ml) im unteren Referenzbereich liegender Valproinsäure-Spiegel. Der Nortriptylin-Spiegel war mit 325 ng/ml (Referenz: 70–170 ng/ml) deutlich oberhalb des therapeutischen Bereichs. Der Quetiapin-Spiegel lag mit 134 ng/ml (Referenz: 100–500 ng/ml) im unteren Bereich. Eine pharmakogenetische Typisierung lag nicht vor.

Zu Beginn des stationären Aufenthalts wurde angesichts der Somnolenz die vielfältige potenziell sedierende Medikation schrittweise reduziert, zunächst Lorazepam und Nortriptylin. Quetiapin wurde wieder auf die ursprünglich gegebene Darreichungsform des retardierten Präparats umgesetzt, im Bestreben, eine gleichmäßigere Wirkstoffkonzentration zu erreichen, und aufgrund des Hinweises der Betreuerin, dass es unter einem kürzlich erfolgten Wechsel auf die unretardierte Darreichungsform nochmals zu einer Verschlechterung gekommen sei. Um nicht zu viele Veränderungen gleichzeitig vorzunehmen, wurde die Valproinsäure nach Spiegelkontrolle zunächst unverändert beibehalten.

Die internistische Medikation wurde angesichts eines instabilen und schwer einstellbaren Hypertonus gemäß internistischem Konsil belassen (insbesondere wurde auch von einer Umstellung von Metoprolol abgeraten).

Nortriptylin wurde schrittweise komplett abgesetzt. Lorazepam konnte trotz vorheriger jahrelanger Einnahme hoher Dosen über den Verlauf hinweg komplikationslos vollständig ausgeschlichen werden. Es kam zu einer deutlichen klinischen Besserung: Der Patient konnte sich besser und wesentlich verständlicher äußern. Es imponierte weiterhin intermittierend ein weinerlicher Affekt, jedoch waren die Durchbrüche weniger häufig und unberechenbar, sondern etwas situationsbezogener, und der Patient konnte zumeist ausgelenkt werden. Im Wesentlichen erschien die Grundstimmung sogar ausgeglichen und gut gelaunt. Mitunter war der Patient zu kleinen Scherzen aufgelegt. Er war wacher und aktiver und konnte an den gemeinsamen Mahlzeiten sowie insgesamt besser am Stationsgeschehen teilnehmen. Er lief auf Station aus eigenem Antrieb umher. Das Gangbild war sicher, zu Unsicherheiten oder Stürzen kam es nicht mehr.

Die Angehörigen berichteten, den Patienten seit Jahren nicht mehr in so guter Verfassung erlebt zu haben.

Nach fünf Wochen konnte der Patient in gebessertem und stabilisiertem Zustand in das Heim entlassen werden.

Diskussion

In der retrospektiven Betrachtung erschien das Syndrom der Bewusstseinsstörung, das zur Aufnahme geführt hatte, als UAW (als sogenannte „Aufnahme-UAW“).

Diese schien in erster Linie auf eine Intoxikation durch Nortriptylin zurückzuführen zu sein. Diese Einschätzung wurde durch die Befundbesserung nach medikamentöser Anpassung im Sinne einer Reduktion gestützt. Unter anderem mithilfe der Interaktionsdatenbanken Psiac [8] und MediQ [6] ergab sich folgendes Bild:

In der bestehenden Arzneimittelkombination lag ein Potenzial zu mindestens vier pharmakokinetischen Interaktionen vor:

  • Valproinsäure kann den Metabolismus von Nortriptylin inhibieren bis zu einer dreifachen Erhöhung des Nortriptylin-Blutspiegels. Zwar wurde dieses Phänomen kasuistisch berichtet, jedoch konnte eine Erklärung bisher nicht gefunden werden.
  • Ebenfalls zu einer Erhöhung des Nortriptylin-Blutspiegels kann es infolge der CYP2D6-Inhibition durch Metoprolol kommen, wobei inzwischen nicht von einer erheblichen Beeinflussung ausgegangen wird. Insofern war auch an eine pharmakogenetische Besonderheit zu denken (s.u.).
  • Die Quetiapin-Elimination kann durch Valproinsäure gehemmt werden. Vorliegend war jedoch der Quetiapin-Spiegel trotz Maximaldosis von 800 mg im niedrigen Referenzbereich, wobei Quetiapin-Spiegel im Allgemeinen oft großen Schwankungen unterliegen [3].
  • Eine weitere pharmakokinetische Interaktionsmöglichkeit bestand zwischen Lorazepam und Valproinsäure in Form einer möglichen kompetitiven Hemmung der Glucuronidierung und dadurch einem Anstieg der Konzentrationen beider Substanzen. Eine quantitative Bestimmung der Lorazepam-Konzentration war vorliegend nicht erfolgt; der Valproinsäure-Spiegel lag jedoch bei der mittleren Dosierung im unteren Referenzbereich.

Ein weiterer pharmakokinetischer Effekt könnte sich durch den vorliegenden Infekt abgespielt haben: Zytokine können die Verstoffwechselung erheblich beeinträchtigen [z.B. 2, 7].

Potenzielle pharmakodynamische Interaktionen lagen vor im Sinne additiver Synergismen zwischen den sedierenden Wirkungen von Quetiapin, Lorazepam, Nortriptylin und Valproinsäure (gemäß jeweiliger Fachinformationen Benommenheit als häufige Nebenwirkung angegeben).

Auch unter den internistischen Medikamenten waren entsprechende zentralnervöse Störungen in den jeweiligen Fachinformationen aufgeführt (z.B. ASS: Schwindel und Verwirrtheit, Metoprolol: Müdigkeit, Pantoprazol und Torasemid: Schwindel und Verwirrtheit, Ramipril: Müdigkeit und Somnolenz, Simvastatin und Tamsulosin: Schwindel und Asthenie). Da die internistischen Medikamente vorliegend unverändert weitergegeben wurden und dennoch nach Reduktion der Psychopharmaka eine klinische Besserung eingetreten war, erschien ein entsprechender Einfluss jedoch unwahrscheinlicher.

Differenzialdiagnostisch bzw. in Komorbidität war ferner die Rolle der Elektrolytentgleisung zu bedenken. Im Vorfeld der aktuellen Aufnahme, bei der ein unauffälliger Serumnatrium-Spiegel gemessen worden war, hatten sich unter der Medikation zweimal klinisch relevante und dokumentierte Hyponatriämien ausgebildet. Ein medikamenteninduziertes Syndrom der inadäquaten Produktion von antidiuretischem Hormon kann unter trizyklischen Antidepressiva auftreten. Auch diesbezüglich könnten die erwähnten pharmakokinetischen Interaktionen und die Konzentrationserhöhungen eine Rolle gespielt haben. Pharmakodynamisch wäre hier besonders an eine additive Wirkung durch das Diuretikum zu denken.

Differenzialdiagnostisch bzw. in Komorbidität war zudem auch das Vorliegen einer Enzephalopathie unter Valproinsäure erwogen worden [1]. Diese Störung tritt konzentrations- und dosisunabhängig auf. Insgesamt wurde dieses Krankheitsbild jedoch für unwahrscheinlicher erachtet: Trotz der klinischen Verschlechterung im Vorfeld zeigte das EEG bei Aufnahme keine Veränderung gegenüber den Vorbefunden. Unter Reduktion anderer Medikamente kam es zu einer deutlichen klinischen Besserung, obwohl Valproinsäure in unveränderter Dosierung weitergegeben wurde. In einem der vormaligen Klinikaufenthalte war unter derselben Medikation auch der Ammoniakspiegel bestimmt und als unauffällig beschrieben worden.

Die Sedierung und das vermehrte Schlafbedürfnis hatten sich unter Medikationsreduktion verbessert. Auch die diskrete paranoid-halluzinatorische Symptomatik war im Verlauf abgeklungen – möglicherweise bestand auch hierbei ein Zusammenhang. Unter Trizyklika kann es zu einer Exazerbation psychotischer Symptome bei entsprechender Disposition kommen [9].

Eine Risikokonstellation bestand neben dem aktuellen Infekt, der den Metabolismus über die Zytokine möglicherweise erheblich beeinträchtigt hatte, ferner in Form der hirnorganischen Vorschädigung, in deren Rahmen eine gesteigerte Empfindlichkeit anzunehmen war. Zu diskutieren wäre ferner auch ein pharmakogenetischer Polymorphismus, hier möglicherweise ein Poor-Metabolizer(PM)-Status von CYP2D6, der die höheren Nortriptylin-Spiegel (Metabolismus bevorzugt über CYP2D6) ebenfalls erklären könnte. Dieser CYP2D6-PM-Status liegt bei 5 bis 10% der hiesigen Population vor [1]. Ferner war bei dem Patienten eine Neigung zur Ausbildung unerwünschter Arzneimittelwirkungen bekannt.

Schlussfolgerungen

Der vorliegende Fallbericht könnte hilfreich sein, sich folgende Aspekte ins Gedächtnis zu rufen:

Eine hirnorganische Vorschädigung kann eine besondere Vulnerabilität bedeuten, auch ein akuter Infekt, ferner eine potenziell vorliegende besondere pharmakogenetische Disposition.

Die klinische Erfahrung lehrt, dass Patienten, die bereits eine Vorgeschichte von UAW hatten, oftmals besonders empfindlich für die Ausbildung weiterer UAW sind.

Eine gute Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen erscheinen wichtig für eine gute und umfassende Behandlung.

Die idealtypische Monotherapie ist in der klinischen Realität aus vielen Gründen eine Seltenheit. Komorbiditäten und/oder besonders schwere Verläufe erfordern oftmals Kombinationsbehandlungen. Mitunter sind auch sehr ungewöhnliche Kombinationen oder Dosierungen oder Off-Label-Anwendungen nötig, um einen therapeutischen Erfolg oder zumindest Teilerfolg zu erzielen. Auch problematische Kombinationen haben häufig eine solche – bei genauer Rekonstruktion – durchaus nachvollziehbare Geschichte. Dennoch erscheint es wichtig, die einzelnen Verschreibungen im Verlauf immer wieder hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und ihrem Interaktionspotenzial mit gegebenenfalls inzwischen neu verordneten Substanzen zu überprüfen.

Inzwischen stehen verschiedene stets aktualisierte Datenbanken zur Verfügung, die ein Nachschlagen potenzieller Wechselwirkungen ermöglichen und erleichtern (z.B. MediQ, Psiac). Die Möglichkeiten additiver und subtrahierender pharmakodynamischer Interaktionen und inhibierender, konkurrierender und induktiver pharmakokinetischer Wechselwirkungen sind vielfach.

Ein therapeutisches Drug-Monitoring im Sinne von Spiegelkontrollen an klinisch strategisch bedeutsamen Zeitpunkten kann ebenfalls Ungleichgewichte aufdecken und zur Arzneimittelsicherheit beitragen (z.B. [5]).

Bei neu auftretender Symptomatik sollte immer auch bedacht werden, dass es sich möglicherweise nicht um ein Krankheitssymptom, sondern um eine UAW handeln kann (z. B. [10]). Mitunter kann eine klinische Besserung auch durch Reduktion bzw. Absetzen erzielt werden; dies ist unter Umständen jedoch lediglich unter stationären Bedingungen zu vertreten oder kann in diesem Rahmen leichter und kontrollierter erfolgen.

Interessenkonflikte

Die Autoren geben folgende potenziellen Interessenkonflikte an:

JB, RG, ST: Keine

GE: Vortragshonorare von AstraZeneca, Janssen-Cilag, Lundbeck, Novartis, Pfizer, Servier und Teva Pharma

MS: Honorare für die Beratung oder Teilnahme an einem Expertenbeirat von AstraZeneca, Lilly, Lundbeck, Merz, Otsuka; Honorare für Vorträge, Stellungnahmen oder Artikel von Aristo, Merz und Otsuka

SS: Teilnahme der Wissenschaftsabteilung der Klinik an wissenschaftlichen Studien der DGPPN, des BMBF, des BfArM, der Universität Düsseldorf, der Medizinischen Hochschule Hannover, des Max-Planck-Instituts München sowie der Firmen Lundbeck und Roche

Literatur

1. Benkert O, Hippius H. Kompendium der Psychopharmakotherapie. 9. Auflage. Heidelberg: Springer Verlag, 2013.

2. de Leon J. Respiratory infections rather than antibiotics may increase clozapine levels: a critical review of the literature. J Clin Psychiatry 2004;65:1144–5.

3. Figueroa C, Brecher M, Hamer-Maansson JE, Winter H. Pharmacokinetic profiles of extended release quetiapine fumarate compared with quetiapine immediate release. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 2009;33:199–204.

4. Grohmann R, Engel R, Rüther E, Hippius H. The AMSP drug safety program: Methods and global results. Pharmacopsychiatry 2004;37(Suppl 1):S4–11.

5. Hiemke C, Baumann P, Bergemann N, et al. AGNP Consensus Guidelines for Therapeutic Drug Monitoring in Psychiatry: Update 2011. Pharmacopsychiatry 2011;44:195–235.

6. MediQ. Qualitätszentrum für Medikamentensicherheit und Diagnostik der Psychiatrischen Dienste Aargau AG (PDAG). www.mediQ.ch

7. Pfuhlmann B, Hiemke C, Unterecker S, Burger R, et al. Toxic clozapine serum levels during inflammatory reactions. J Clin Psychopharmacol 2009;29:392–4.

8. Psiac Online – Interaktionscomputer für die Psychiatrie. URL: www.psiac.de

9. Ströbel Ch, Grohmann R, Rüther E, Schmidt LG. Antidepressiva. In: Grohmann R, Rüther E, Schmidt LG (Hrsg.). Unerwünschte Wirkungen von Psychopharmaka. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag, 1994.

10. Stübner S, Grohmann R, Schmauß M. Arzneimittelsicherheit in der klinischen Praxis. Teil 1: Arzneimittelsicherheit in der Behandlung. CME-Fortbildungsartikel. Fortschr Neurol Psych 2012;8:468–81.


Priv.-Doz. Dr. med. Susanne Stübner, Dr.med. Jessica Baumgärtner, Prof. Dr.med. Max Schmauß, Bezirkskrankenhaus Augsburg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Dr.-Mack-Straße 1, 86156 Augsburg, E-Mail: susanne.stuebner@bkh-augsburg.de

Dr.med. Gabriel Eckermann, FA für Psychiatrie, Psychopharmakologie, Arzneimittelsicherheit, Hohenstaufenstraße 22, 87600 Kaufbeuren

Dr.med. Renate Grohmann, Psychiatrische Klinik der LMU, Nussbaumstraße 7, 80336 München

Dr. med. Sermin Toto, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover

Sedation under polypharmaceutic treatment – Adverse drug reaction as a reason for an admission to hospital

We report on a heavily sedated patient admitted into hospital who was then discovered to be suffering from an adverse drug reaction (ADR).

A 54-year-old internistically and psychiatrically multimorbid patient – including the diagnosis of mental retardation and catatonic schizophrenia – suffered from a disturbance of consciousness leading to stumbles under polypharmaceutic treatment.

As a result, potential pharmacodynamic and pharmacokinetic drug interactions as well as therapeutic drug monitoring were assessed. We discovered not only several potential as well as actual interactions but also concentration changes which plausibly explained the clinical condition. Additionally, the synopsis led one to suspect a distinctively unusual pharmacogenetic feature. After adapting the medication a pleasing clinical improvement could be registered.

The case was intensively discussed within the drug safety program „Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie“ (AMSP).

Key words: Sedation, adverse drug reaction, pharmacokinetic and pharmacodynamic interaction, pharmacogenetics, AMSP, nortriptyline, valproate, quetiapine, lorazepam, metoprolol

Psychopharmakotherapie 2014; 21(03)