Chronische Rückenschmerzen

Nozizeptive und neuropathische Komponenten voneinander abgrenzen


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Bei chronischen Rückenschmerzen kommen häufig unterschiedliche schmerzverursachende Pathomechanismen zusammen. Um eine Mechanismen-orientierte Therapie einzuleiten, ist es erforderlich, nozizeptive und neuropathische Schmerzkomponenten voneinander abzugrenzen und differenziert zu behandeln. Möglichkeiten der Diagnose und Therapie wurden auf einem von der Firma Pfizer veranstalteten Symposium im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) erläutert.

Rückenschmerzen sind ein sehr häufiges Krankheitsbild. 70 bis 85% aller Menschen leiden mindestens einmal im Leben an Rückenschmerzen; 85% von ihnen entwickeln Rezidive [1]. Zwischen 60 und 70% der Patienten mit akuten Rückenschmerzen werden nach sechs Wochen ohne spezifische therapeutische Maßnahmen wieder schmerzfrei [1]. Obschon bei den meisten Rückenschmerz-Patienten nozizeptive Komponenten das Schmerzgeschehen determinieren, sind bei einigen Patienten neuropathische Komponenten beteiligt oder stehen sogar im Vordergrund. Eine Erhebung aus Deutschland deutet darauf hin, dass die Behandlungskosten für Patienten mit überwiegend neuropathischen Rückenschmerzen um 67% höher sind als die Behandlungskosten rein nozizeptiver Rückenschmerzen [2].

Nozizeptiver Schmerz entsteht infolge einer Reizung von ansonsten intakten Nozizeptoren. Das Nervengewebe selbst ist ebenfalls intakt. Neuropathische Schmerzen hingegen entstehen nach einer Schädigung oder Erkrankung somatosensorischer Nervenstrukturen im peripheren oder im zentralen Nervensystem [3]. Die Patienten leiden häufig unter brennenden Schmerzen, einschießenden Schmerzattacken oder unter evozierten Schmerzen, die bereits durch eine Berührung ausgelöst werden können (Allodynien).

Neuropathische Elemente sicher erkennen

Um Fehlbehandlungen zu vermeiden und Patienten mit Rückenschmerzen einen langen Leidensweg zu ersparen, ist eine Differenzierung der zugrundeliegenden Schmerzmechanismen entscheidend. Die charakteristischen neuropathischen Symptome mit negativen und positiven Phänomenen helfen bei der Diagnosestellung. Darüber hinaus kann auch der Einsatz validierter Fragebögen dazu beitragen, Schmerzsyndrome im klinischen Alltag differenziert zu charakterisieren und neuropathische Mechanismen zu identifizieren. Mittels des painDetect®-Fragebogens (www.pain-detect.de) werden mit sieben Fragen unterschiedliche Schmerzqualitäten definiert. In einer epidemiologischen Studie zeigte sich bei einer heterogenen Kohorte von 8000 Patienten mit Rückenschmerzen unter Einsatz des Fragebogens, dass 37% der Patienten an neuropathisch bedingten Schmerzen litten [4]. Bei weiteren 27,7% der Patienten konnte das Vorliegen eines neuropathischen Schmerzes nicht eindeutig geklärt werden. Außerdem ließ die Erhebung die These zu, dass Patienten mit neuropathischen Rückenschmerzen eine höhere Schmerzintensität haben und häufiger psychische Komorbiditäten wie Depression, Angst und Schlafstörungen aufweisen [4]. Aufgrund ähnlicher sensorischer Symptomprofile lassen sich Rückschmerz-Patienten mithilfe des Fragebogens in Subgruppen einteilen, was eine individualisierte Therapie ermöglichen könnte [5].

Neuropathische Rückenschmerzen müssen gezielt behandelt werden. Mit Pregabalin steht eine Substanz zur Verfügung, die sowohl bei peripheren als auch bei den besonders schwer behandelbaren zentralen neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden kann und darüber hinaus anxiolytisch wirkt [6]. In einer offenen Studie bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie (n=4633), neuropathischen Rückenschmerzen (n=3800) und Tumor-assoziierten neuropathischen Schmerzen (n=345) führte Pregabalin (150–600 mg/Tag) bei den Rückenschmerzpatienten bereits innerhalb einer Woche zu einer signifikanten Schmerzlinderung (Abb. 1); die Patienten litten seit durchschnittlich 3,9 Jahren an Rückenschmerzen. Nach sechs Wochen erreichten über zwei Drittel der Patienten eine Schmerzreduktion um 50%. Die analgetische Wirkung war von einer Verbesserung des Schlafs begleitet [7].

Abb. 1. Wirkung von Pregabalin bei Patienten mit neuropathischem Rückenschmerz; Pregabalin-Dosis 215–222 mg entsprechend Therapieregime;* p<0,05 vs. Baseline [mod. nach 7]

Fazit

Eine adäquate Behandlung von Rückenschmerzen setzt die Unterscheidung von nozizeptiven und neuropathischen Komponenten voraus. Im Rahmen einer ausführlichen Schmerzanamnese sollte der Patient daher immer nach neuropathischen Qualitäten des Schmerzes gefragt werden.

Quelle

Prof. Dr. Ralf Baron, Kiel; Priv.-Doz. Dr. Rainer Freynhagen, Tutzing; Prof. Dr. Thomas Tölle, München; Satellitensymposium „Der Rückenschmerz nervt?!“, veranstaltet von Pfizer Pharma GmbH im Rahmen des DGN-Kongresses, Dresden, 19. September 2013.

Literatur

1. Schmidt CO, et al. Back pain in the German adult population: prevalence, severity, and sociodemographic correlates in a multiregional survey. Spine (Phila Pa 1976) 2007;32:2005–11.

2. Schmidt CO, et al. Modelling the prevalence and cost of back pain with neuropathic components in the general population. Eur J Pain 2009;13:1030–5.

3. Treede RD, et al. Neuropathic pain: redefinition and a grading system for clinical and research purposes. Neurology 2008;70:1630–5.

4. Freynhagen R, et al. painDETECT: a new screening questionnaire to identify neuropathic components in patients with back pain. Curr Med Res Opin 2006;22:1911–20.

5. Baron R, et al. Subgrouping of patients with neuropathic pain according to pain-related sensory abnormalities: a first step to a stratified treatment approach. Lancet Neurol 2012;11:999–1005.

6. Fachinformation Lyrica®, Stand Februar 2013.

7. Toelle TR, et al. Pregabalin in neuropathic pain related to DPN, cancer and back pain: Analysis of a 6-week observational study. The Open Pain Journal 2012;5:1–11. (http://benthamscience.com/open/topainj/articles/V005/1TOPAINJ.pdf)

Psychopharmakotherapie 2014; 21(03)