Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung


Das Interaktionspotenzial der Makrolide

Holger Petri, Bad Wildungen*

Für die Bewertung des pharmakokinetischen Interaktionspotentials der Makrolide ist die Affinität zum Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzym 3A4 von maßgeblicher Bedeutung. In der Interaktionstabelle (Tab. 1) wird das Verhalten von vier Makroliden gegenüber CYP3A4 dargestellt.
Psychopharmakotherapie 2014;21:69–71.

Substrate von CYP3A4

Die beiden Makrolid-Antibiotika Clarithromycin und Erythromycin werden überwiegend über das Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzym 3A4 biotransformiert (Tab. 1). Folglich sind Wechselwirkungen mit Modulatoren dieses Isoenzyms möglich. Gemäß der Fachinformation von Clarithromycin ist bei gleichzeitiger Anwendung von CYP3A4-Induktoren (Abb. 1) Vorsicht geboten, da es zu subtherapeutischen Clarithromycin-Spiegeln mit der Gefahr des Therapieversagens kommen kann [3]. Mit 14-OH-Clarithromycin entsteht zwar ein aktiver Metabolit, die biologische Aktivität unterscheidet sich aber von der Muttersubstanz. Es sollte daher – insbesondere in der Monotherapie – im Einzelfall geprüft werden, ob der beabsichtigte Therapieerfolg dadurch beeinträchtigt sein könnte. Bei der Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie empfiehlt sich eine Kontrolle der Plasmaspiegel.

In der Fachinformation von Erythromycin findet sich kein Hinweis auf ein mögliches Therapieversagen bei gleichzeitiger Anwendung von CYP3A4-Induktoren. Auch bei der Metabolisierung von Erythromycin über CYP3A4 wird ein biologisch aktiver Metabolit gebildet, der aber weniger als 20% der antimikrobiellen Wirkung der Muttersubstanz besitzt [2].

In Kombination mit dem starken CYP3A4-Hemmer Ritonavir (Abb. 1) braucht die Dosis von Clarithromycin aufgrund der therapeutischen Breite bei Patienten mit normaler Nierenfunktion nicht angepasst zu werden. Bei eingeschränkter Nierenleistung wird in Abhängigkeit der Creatinin-Clearance eine Dosisreduktion um bis zu 75% empfohlen [3]. Ähnliche Vorsichtsmaßnahmen sollten daher bei Verwendung anderer starker CYP3A4-Inhibitoren in Betracht gezogen werden.

Analoge Angaben fehlen für Erythromycin. Lediglich eine Hemmung des Erythromycin-Abbaus bei gleichzeitiger Anwendung mit Wirkstoffen wie Ritonavir wird erwähnt [2].

Demgegenüber sind für Azithromycin, das hauptsächlich unverändert über die Galle ausgeschieden wird, und Roxithromycin, das zu etwa 35% in der Leber metabolisiert wird, bei Komedikation mit CYP3A4-Modulatoren keine wesentlichen pharmakokinetischen Interaktionen zu erwarten [5, 7].

Hemmung von CYP3A4

Clarithromycin und Erythromycin inhibieren CYP3A4 in einem klinisch relevanten Maß (Tab. 1). Während die CYP3A4-Inhibiton durch Clarithromycin gemeinhin als stark betrachtet wird, sind einzelnen Fachinformationen unterschiedliche Einstufungen der hemmenden Potenz von Erythromycin zu entnehmen [1, 6]. Aufschlussreich ist an dieser Stelle die Fachinformation von Ivabradin. Die Substanz wird ausschließlich über CYP3A4 metabolisiert. Es gilt eine Kontraindikation mit starken CYP3A4-Hemmern, worunter Erythromycin per os aufgeführt wird [4]. Hintergrund hierfür ist, dass per os eingenommenes Erythromycin nach Resorption über das Pfortadersystem in signifikant höherer Konzentration als bei der i.v.-Applikation die Leber erreicht und dadurch eine stärkere Hemmung von CYP3A4 angenommen wird.

Von Azithromycin wird keine CYP-Hemmung erwartet [7]. Auch das Risiko bei Roxithromycin ist als gering anzusehen, da es ein relativ schwacher CYP3A4-Inhibitor ist [5].

Tabelle 1 enthält eine Auswahl an Arzneistoffen, deren Metabolismus wesentlich von CYP3A4 abhängt und bei denen eine Abbauhemmung das Risiko toxischer Plasmaspiegel in sich birgt.

Als Beispiel seien hier die Calciumkanalblocker erwähnt. In einer kürzlich veröffentlichten Erhebung führte die Doppelverordnung mit Clarithromycin, das 2012 mit 17,7 Mio. definierten Tagesdosen (DDD) unter den Makroliden am meisten verschrieben wurde [10], bei Hypertonikern verglichen mit Azithromycin zu häufigeren Krankenhauseinweisungen wegen akuten Nierenversagens. Überdies waren die Rate an Hospitalisierungen wegen starker Blutdruckabfälle und die Gesamtsterblichkeit erhöht [8].

Soll bei Patienten, die CYP3A4-Substrate mit einem engen therapeutischen Index erhalten, eine Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie durchgeführt werden und die Behandlung kann nicht sistieren, sind Clarithromycin-freie Therapieschemata in Erwägung zu ziehen.

QTc-Intervallverlängerung und Torsades de Pointes

Die besprochenen Makrolid-Antibiotika verlängern das QTc-Intervall mit der Gefahr lebensbedrohlicher ventrikulärer Arrhythmien (Torsades de Pointes, TdP). Das Risiko steigt mit der Wirkstoffkonzentration sowie Komedikation mit ebenfalls repolarisationsverlängernder oder den Arzneimittelmetabolismus hemmender Wirkung. Azithromycin, Clarithromycin und Erythromycin haben ein hohes, Roxithromycin ein mittleres Potenzial zur QTc-Verlängerung [9]. Bei Vorliegen weiterer Risikofaktoren wie: Alter >65 Jahre, weibliches Geschlecht, myokardiale Hypertrophie, kongenitales QT-Syndrom, Bradykardien und Elektrolytstörungen sollte vor Verschreiben eines Makrolids eine strenge Nutzen-Risiko-Bewertung durchgeführt und die Anwendung durch engmaschige EKG-und Elektrolytkontrollen überwacht werden [11].

Abb. 1. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf Cytochrom P450 3A4 (Stand: 02/2014) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]

Literatur

1. Fachinformation Detrusitol®. Stand Februar 2010.

2. Fachinformation Erythromycin-ratiopharm®. Stand April 2008.

3. Fachinformation Klacid®. Stand Oktober 2012.

4. Fachinformation Procoralan®. Stand Oktober 2012.

5. Fachinformation Roxi Aristo®. Stand April 2013.

6. Fachinformation Toviaz®. Stand Oktober 2012.

7. Fachinformation Zithromax®. Stand August 2013.

8. Garg AX, et al. Calcium-channel blocker–clarithromycin drug interactions and acute kidney injury. JAMA 2013;310:2544–53.

9. http://crediblemeds.org/healthcare-providers/drug-list (Zugriff am 06.02.2014).

10. Schwabe U, Paffrath D. Arzneiverordnungs-Report 2013. Heidelberg: Springer Verlag, 2013.

11. Wenzel-Seifert K, et al. Unerwünschte kardiovaskuläre Wirkungen von Psychopharmaka. Pathophysiologie und Risikominimierung. Psychopharmakotherapie 2013;20:148–57.


*Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2014;35:85–7.

Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.

Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de

Psychopharmakotherapie 2014; 21(02)