Zwangsstörungen

Verhaltenstherapie unterstützt die Wirkung von SRI besser als Risperidon


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei Patienten mit Zwangsstörungen, die unzureichend auf einen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SRI) ansprachen, erwies sich die Augmentation mit einer kognitiven Verhaltenstherapie als wirksamer und nebenwirkungsärmer als eine Kombination aus SRI und Risperidon.

Die Zwangsstörung (Obsessive compulsive disorder, OCD) ist dadurch charakterisiert, dass Betroffene einen inneren Drang verspüren, bestimmte Dinge zu denken und/oder zu tun.

Zugelassen für die Behandlung von Zwangsstörungen sind Clomipramin und mehrere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), hier zusammengefasst als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SRI). Doch nicht bei allen Patienten reicht die Monotherapie aus, um ihre Zwangsgedanken und -handlungen ausreichend kontrollieren zu können. In diesen Fällen wird häufig eine Augmentation mit einem Antipsychotikum empfohlen, darunter Haloperidol, Risperidon, Quetiapin oder Aripiprazol. Auch die Kombination von SRI mit einer kognitiven Verhaltenstherapie scheint die Therapieergebnisse verbessern zu können.

Studienziel und -design

In der vorliegenden randomisierten klinischen Studie wurde erstmals die Kombination aus SRI und einem Antipsychotikum mit der Kombination SRI und kognitive Verhaltenstherapie verglichen. Durchgeführt wurde die Studie zwischen Januar 2007 und August 2012 mit 100 Patienten im Alter zwischen 18 und 70 Jahren, die in zwei Spezialambulanzen in den USA rekrutiert wurden. Bei allen hatte eine über mindestens 12 Wochen dauernde Behandlung ihrer Zwangsstörung mit einem SRI keine ausreichende Wirkung erzielt. Die Probanden wurden randomisiert in drei Studienarme aufgeteilt:

  • SRI kombiniert mit Risperidon (bis zu 4 mg/Tag) über acht Wochen, n=40 Patienten
  • SRI kombiniert mit Verhaltenstherapie (17 Therapiesitzungen, durchgeführt zweimal pro Woche), n=40 Patienten
  • SRI kombiniert mit einem Plazebo, n=20 Patienten

Gutachter bewerteten verblindet alle Patienten zu Studienbeginn sowie nach vier und acht Wochen.

Als bevorzugte Psychotherapie wurde die Exposure and Ritual Prevention (EX/RP) eingesetzt, eine Variante der kognitiven Verhaltenstherapie. Der Schweregrad der Zwangsstörungen wurde mit der Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS, Kasten) gemessen.


Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (0–40)

  • Test zur Bewertung einer Zwangsstörung durch den Arzt.
  • Es werden 10 Bereiche abgefragt.
  • Die Bewertungsskala reicht jeweils von 0 (keine Symptome) bis 4 (extreme Symptome) [1].

Studienergebnisse

Patienten unter der Augmentation mit der kognitiven Verhaltenstherapie erzielten in Woche 8 eine deutliche Reduktion auf der Y-BOCS (Tab. 1). Unter der Kombination von SRI und Risperidon wurde dagegen keine signifikante Verbesserung gegenüber dem Plazebo-Arm erzielt (Tab. 1). Mehr Patienten mit einer Verhaltenstherapie sprachen auf die Behandlung an (Y-BOCS-Rückgang um 25%), verglichen mit der Risperidon- und Plazebo-Gruppe (Tab. 2). Auch eine Verbesserung hin zu nur noch geringfügigen Symptomen mit einer Y-BOCS von 12 wurde deutlich häufiger unter der Augmentation mit der kognitiven Verhaltenstherapie erreicht als mit Risperidon oder Plazebo.

Tab. 1. Primärer Endpunkt, Woche 8 [Simpson et al.]

Risperidon vs. Plazebo

Verhaltenstherapie vs. Risperidon

Verhaltenstherapie vs. Plazebo

Y-BOCS-Durchschnitt (SE)

–0,38 (1,72)*

–9,72 (1,38)**

–10,10 (1,68)**

SE: Standard error of the mean; Y-BOCS: Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale;

*p=0,83; **p<0,001

Tab. 2. Sekundäre Endpunkte, Woche 8 [Simpson et al.]

Risperidon

Verhaltenstherapie

Plazebo

Y-BOCS-Rückgang ≥25%

23%

80%*

15%

Y-BOCS <12

13%

43%*

5%

Y-BOCS: Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale;

*p=0,001 für Überlegenheit der Verhaltenstherapie (Chi-Quadrat-Test)

Die Überlegenheit der Verhaltenstherapie gegenüber den beiden anderen Behandlungsmethoden zeigte sich auch in Bezug auf ein verbessertes Selbstbewusstsein und Funktionieren sowie eine verbesserte Lebensqualität.

Das gesamte Patientenkollektiv klagte über die bekannten unerwünschten Wirkungen von SRI wie Anorgasmie, erektile Dysfunktion und Müdigkeit. Die Probanden waren im Durchschnitt auch übergewichtig. Während der Augmentation berichteten die Patienten, die Risperidon erhielten, häufiger über einen trockenen Mund, Müdigkeit und eine verschlechterte Libido als Probanden aus den beiden anderen Studienarmen.

Fazit

Bei Patienten mit Zwangsstörungen, die mit einem SRI unzureichend behandelt waren, erwies sich eine Augmentation mit Risperidon als wirkungslos, während eine Augmentation mit einer kognitiven Verhaltenstherapie die Therapieergebnisse verbessern konnte und mit weniger unerwünschten Wirkungen verbunden war. Dies stellt den Einsatz von Antipsychotika bei der Behandlung von Zwangsstörungen infrage. Auch sollte weiter verfolgt werden, ob es Patienten gibt, die schlechter oder besser auf eine kognitive Verhaltenstherapie ansprechen und ob bei den Letzteren die SRI-Dosis reduziert werden kann. Die Suche nach weiteren alternativen medikamentösen Methoden zur Behandlung der Zwangsstörungen ist sinnvoll.

Quelle

Simpson HB, et al. Cognitive-behavioral therapy vs. risperidone for augmenting serotonin reuptake inhibitors in obsessive-compulsive disorder. JAMA Psychiatry 2013;70:1190–9. doi:10.1001/jamapsychiatry.2013.1932.

Literatur

1. Goodman WK, et al. The Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale, I: development, use, and reliability. Arch Gen Psychiatry 1989;46:1006–11

Psychopharmakotherapie 2014; 21(01)