ASCO 2013

Tumoren des Zentralnervensystems


Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

In einer von der deutschen Krebsgesellschaft organisierten Veranstaltung, Best of ASCO® Germany, die im Juni 2013 in Köln stattfand, wurden einige Beiträge des diesjährigen Kongresses der American Society of Clinical Oncology (ASCO) zur Behandlung von Tumoren des Zentralnervensystems vorgestellt.

Von den Originalbeiträgen zur Therapie von Tumoren des Zentralnervensystems wurden vom deutschen Steering Committee vier Vorträge ausgewählt, die von Prof. Dr. Heinz Schmidberger, Mainz, und Prof. Dr. Ulrich Herrlinger, Bonn, referiert und kommentiert wurden. Es handelt sich um Beiträge zur Therapie des Glioblastoms sowie zur Wirksamkeit von Donepezil bei bestrahlen Hirntumorpatienten.

Glioblastom: Bevacizumab in der First-Line-Therapie

Die RTOG0825-Studie, mit über 600 Patienten eine der größten Arbeiten zum Glioblastom, untersuchte die Wirksamkeit von Bevacizumab in der Erstlinientherapie beim Glioblastom. Da Gefäßneubildungen ein Charakteristikum für Glioblastome sind, erscheint der Einsatz eines Angiogenese-Inhibitors sinnvoll. An der multizentrischen, randomisierten Phase-III-Studie nahmen insgesamt 637 Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom teil. Ein Teil der Probanden erhielt die derzeitige Standardtherapie, das ist eine operative Radiochemotherapie (Temozolomid und Bestrahlung) plus Bevacizumab (10 mg/kg i.v. alle zwei Wochen), die Kontrollgruppe dieselbe Radiochemotherapie plus Plazebo. Primäre Studienendpunkte waren das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben. Bei Krankheitsprogress waren eine Entblindung und ein Wechsel in den anderen Behandlungsarm möglich. In einer weiteren Analyse wurde der Einfluss des MGMT-Methylierungsstatus (siehe Kasten) und der prognostischen 9-Gen-Signatur (gesteigerte mesenchymale Differenzierung und Angiogenese [1]) untersucht.

Die Gabe von Bevacizumab führte zwar zu einem längeren progressionsfreien Überleben (10,7 vs. 7,3 Monate; p=0,004, im Protokoll 0,002 gefordert), die mediane Überlebenszeit unterschied sich aber in beiden Gruppen kaum (15,7 vs. 16,1 Monate; p=0,11). In der Subgruppe, für die die beste Prognose angenommen wurde (positiver MGMT-Methylierungsstatus und positive 9-Gen-Signatur), schnitten die mit Bevacizumab behandelten Patienten tendenziell sogar schlechter ab, mit einem Gesamtüberleben in der Bevacizumab-Gruppe von 15,7 Monaten gegenüber 25 Monaten in der Plazebo-Gruppe (p=0,08).

MGMT-Status als prädiktiver Marker

MGMT (O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase) ist ein DNA-Reparaturprotein, das Alkylgruppen von der O6-Position des DNA-Bausteins Guanin entfernt. Dabei nimmt MGMT die Alkyl-Gruppe auf, wird inaktiviert und muss durch neues MGMT ersetzt werden. Die Expression von MGMT hängt unter anderem von dem Methylierungsstatus des MGMT-Promotors ab: Nur bei einem nichtmethylierten MGMT Promotor wird MGMT exprimiert; eine Methylierung des Promotors blockiert die Expression.

Zur Behandlung von Glioblastomen wird neben der Strahlentherapie Temozolomid eingesetzt. Seine Wirkung beruht auf der Alkylierung von Tumor-DNA. Diese Alkylierung führt letztendlich zur Apoptose der Tumorzelle. Da MGMT die Chemotherapie-induzierten DNA-Schäden in den Tumorzellen repariert, wirkt ein hoher MGMT-Spiegel der Wirksamkeit einer Therapie mit alkylierenden Agenzien entgegen. Daher zeigen Glioblastom-Patienten mit einer hohen MGMT-Expression im Tumor ein schlechtes Ansprechen auf eine Therapie mit Temozolomid. Derzeit ist die MGMT-Promotor-Methylierung der stärkste molekulare Marker, um den Benefit einer Chemotherapie mit Temozolomid bei Glioblastom-Patienten zu prognostizieren. Bei einer positiven MGMT-Promotor-Methylierung ist eine Chemotherapie mit Temozolomid angezeigt. Zudem scheinen Glioblastom-Patienten mit einer MGMT-Promotor-Methylierung auch bei Bestrahlung ohne Chemotherapie eine bessere Prognose aufzuweisen als Patienten ohne Methylierung.

Die Untersuchung des MGMT-Promotor-Methylierungsstatus wird mithilfe einer spezifischen PCR (Polymerase chain reaction) sowie Sequenzierung am frischen oder Formalin-fixierten Tumorgewebe durchgeführt [6].

Fazit

In der Erstlinientherapie des Glioblastoms bleibt die Empfehlung zu postoperativer Radiochemotherapie bestehen, die zusätzliche Gabe von Bevacizumab scheint keinen weiteren Benefit aufzuweisen. Es bleibt zu klären, in welcher Therapiephase Bevacizumab einen Nutzen aufweist und ob beziehungsweise welche Subgruppen von der Gabe des Angiogenesehemmers profitieren [2].

In einer ergänzenden Studie wurden die Probanden der RTOG0825-Studie zu ihrer Lebensqualität und ihrer persönlichen Beurteilung des Therapieerfolgs befragt. Patienten der Bevacizumab-Gruppe beurteilten ihre Symptome und ihre Lebensqualität schlechter als Teilnehmer der Vergleichsgruppe [3].

Neue Therapieoption bei nichtmethyliertem MGMT-Promotor

Bei Glioblastom-Patienten ohne MGMT-Methylierung ist die Standard-Chemotherapie mit Temozolomid nur wenig wirksam. Daher wird für diese große Subgruppe nach anderen Therapien gesucht. Eine neue Option ist die Gabe von Bevacizumab und Irinotecan. Diese Kombination wurde in der GLARIUS-Studie mit Temozolomid verglichen. An der randomisierten, multizentrischen Open-Label-Studie nahmen erwachsene Patienten mit einem neu diagnostizierten Glioblastom ohne MGMT-Methylierung teil. Sie erhielten zuerst eine lokale Radiochemotherapie und wurden dann 1:2 einem der folgenden Therapieprotokolle zugeteilt:

  • 54 Patienten erhielten die Standardtherapie mit täglichem Temozolomid (75 mg/m2) während der Strahlentherapie, gefolgt von sechs weiteren Zyklen Temozolomid (150–200 mg/m2/Tag für 5 Tage alle 4 Wochen).
  • 116 Patienten wurden mit der experimentellen Therapie behandelt und erhielten während der Strahlentherapie alle zwei Wochen Bevacizumab (10 mg/kg) gefolgt von Bevacizumab (10 mg/kg alle zwei Wochen) plus Irinotecan (alle zwei Wochen 125 mg/m² ohne Enzym-induzierende Antiepileptika oder 340 mg/m² mit Enzym-induzierenden Antiepileptika).

Der primäre Studienendpunkt war die progressionsfreie Überlebensrate nach sechs Monaten. In die Intention-to-treat-Analyse wurden 170 Patienten eingeschlossen. Das progressionsfreie Überleben nach sechs Monaten war in der Bevacizumab/Irinotecan-Gruppe signifikant höher (71,1%; 95%-Konfidenzintervall [KI] 58,1–80,8%) als in der Temozolomid-Gruppe (26,2%; 95%-KI 13,1–41,4%; p<0,0001).

Fazit

Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass Patienten mit nichtmethyliertem Glioblastom von einer Therapie mit Bevacizumab und Irinotecan stärker profitieren als von der Standardtherapie mit Temozolomid [4].

Donepezil bei bestrahlten Hirntumorpatienten

Die Bestrahlung von Hirntumoren kann zu einer Verschlechterung kognitiver Funktionen und einer beeinträchtigten Lebensqualität führen. In einer randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie wurde untersucht, ob die Gabe von Donepezil die kognitiven Funktionen bei Langzeitüberlebenden verbessern kann. 198 erwachsene Patienten, die sich aufgrund einer Tumorerkrankung einer Schädelbestrahlung unterzogen hatten, erhielten frühestens sechs Monate nach Abschluss der Therapie während 24 Wochen täglich 5 bis 10 mg Donepezil (n=99) oder ein Plazebo (n=99). Mehrere kognitive Funktionen wurden zu Beginn der Studie sowie nach 12 und 24 Wochen anhand verschiedener Scores festgehalten. Der primäre Studienendpunkt war der zusammengesetzte Score der beurteilten kognitiven Funktionen. 74% der Probanden beendeten die Studie. In beiden Gruppen verbesserten sich die kognitiven Funktionen (primärer Studienendpunkt p<0,01), allerdings war zwischen den beiden Gruppen kein statistisch signifikanter Unterschied feststellbar (p=0,57). Bei einigen Parametern, wie dem Wortgedächtnis und der Psychomotorik, schnitten die Patienten der Donepezil-Gruppe besser ab als Probanden der Plazebo-Gruppe. Bei allen ermittelten Parametern war der Benefit einer Donepezil-Gabe umso größer, je schlechter die Ausgangswerte waren.

Fazit

Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen nach einer Strahlentherapie aufgrund eines Hirntumors profitieren möglicherweise von der Einnahme von Donepezil. Den größten Nutzen haben Patienten mit einer schlechten Ausgangslage [5].

Literatur

1. Colman H, et al. A multigene predictor of outcome in glioblastoma. Neuro Oncol 2010;12:49-57.

2. Gilbert MR, et al. RTOG 0825: Phase III double-blind placebo-controlled trial evaluating bevacizumab (Bev) in patients (Pts) with newly diagnosed glioblastoma (GBM). J Clin Oncol 2013;31(Suppl): abstr. 1.

3. Armstrong T, et al. Comparative impact of treatment on patient reported outcomes (PROs) in patients with glioblastoma (GBM) enrolled in RTOG 0825. J Clin Oncol 2013;31(Suppl): abstr. 2003.

4. Herrlinger U, et al. Bevacizumab, irinotecan, and radiotherapy versus standard temozolomide and radiotherapy in newly diagnosed, MGMT-nonmethylated glioblastoma patients: First results from the randomized multicenter GLARIUS trial. J Clin Oncol 2013;31(Suppl): abstr. LBA2000.

5. Rapp S, et al. Phase III randomized, double-blind, placebo-controlled trial of donepezil in irradiated brain tumor survivors. J Clin Oncol 2013;31(Suppl): abstr. 2006.

6. www.molekularpathologie-suedbayern.de/files/MGMT (Zugriff am 25.07.2013).

Psychopharmakotherapie 2014; 21(01)