Akute Schizophrenie

Nitroprussidnatrium bei Psychosen


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Nitroprussidnatrium bessert bei einmaliger Infusion in niedriger Dosierung die Symptome einer akuten Schizophrenie, so das Ergebnis einer kleinen, doppelblinden Plazebo-kontrollierten Studie mit insgesamt 20 Patienten.

Der N-Methyl-D-aspartat(NMDA)-Rezeptor, ein Glutamat-Rezeptorsubtyp, spielt im Zentralnervensystem eine wichtige Rolle. So wird der NMDA-Antagonist Memantin seit längerer Zeit zur Behandlung der mäßig schweren bis schweren Alzheimer-Demenz eingesetzt, der NMDA-Antagonist Amantadin wird zur Behandlung des Parkinson-Syndroms verwendet.

Wird der NMDA-Rezeptor stimuliert, kommt es zu einer Aktivierung der Stickstoffmonoxid-Synthase (NO-Synthase), welche die Bildung von Stickstoffmonoxid (NO) aus der Aminosäure Arginin katalysiert. NO hat im Organismus eine Vielzahl physiologischer Funktionen, so aktiviert es die Guanylatcyclase zur Produktion von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP), das wiederum auf die neuronale Plastizität wirkt. Eine Reihe von Studienergebnissen weist darauf hin, dass eine Unterfunktion des NMDA-Rezeptors an der Pathogenese der Schizophrenie beteiligt ist, insbesondere an Negativsymptomen und kognitiven Störungen. Bei Patienten mit Schizophrenie wurden erniedrigte Spiegel von NO-Metaboliten und cGMP im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen gefunden.

Daher wurde in einer Proof-of-Concept-Studie untersucht, ob durch NO-Substitution mit Nitroprussidnatrium eine akute Schizophrenie gebessert werden kann. Nitroprussidnatrium ist ein Vasodilatator, der für die Behandlung von hypertensiven Krisen und zur kontrollierten Hypotonie bei Operationen zugelassen ist. Nach der Infusion wird aus der anorganischen Komplexverbindung sehr rasch NO freigesetzt.

In die doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Studie wurden 20 Patienten mit akuter Psychose eingeschlossen. Sie wurden alle mit einem Neuroleptikum (außer Clozapin) behandelt. Je 10 Patienten erhielten zusätzlich einmalig Nitroprussidnatrium in einer niedrigen Dosierung von 0,5 µg/kg pro Minute über vier Stunden oder Plazebo (5%ige Glucoselösung) infundiert. Die zusätzliche Medikation durfte 48 Stunden, die antipsychotische Medikation über sieben Tage nach der Infusion nicht verändert werden. Die Patienten waren für die Dauer der Studie über vier Wochen hospitalisiert.

Primäre Endpunkte waren die Änderungen auf der 18 Punkte umfassenden Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS-18) und der negativen Subskala der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS).

Nitroprussidnatrium verbesserte im Vergleich zu Plazebo den Gesamtscore der BPRS-18 signifikant, wobei sich der Unterschied bereits ab der zweiten Stunde zeigte und bis zum Ende der vierwöchigen Nachbeobachtungszeit anhielt (Abb. 1). Die Wirkungen von Nitroprussidnatrium wurden auch in verschiedenen Subskalen des BPRS-18 signifikant nachgewiesen. Die negative Subskala des PANSS verbesserte sich ebenfalls rasch nach Infusionsbeginn von Nitroprussidnatrium, die Besserung hielt über die gesamte Nachbeobachtungszeit an. Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen wurden nicht beobachtet.

Abb. 1. Mittelwerte des BPRS-18 in den ersten zwölf Stunden (oben) und im Verlauf von vier Wochen (unten) nach der Nitroprussidnatrium-Gabe [mod. nach Hallak et al.] *Signifikante p-Werte

Aus der lang anhaltenden Wirkung schließen die Autoren, dass der Effekt des NO-Donators vermutlich nicht auf seine vasodilatierende Wirkung zurückzuführen ist, denn diese Effekte klingen in der Regel 10 Minuten nach Ende der Infusion wieder ab. Sie vermuten, dass NO den NMDA-Rezeptor-NO-cGMP-Stoffwechselweg so moduliert, dass Symptome der Psychose günstig beeinflusst werden. In die Studie waren allerdings nur wenige Patienten eingeschlossen, sodass weitere Untersuchungen mit größeren Patientengruppen über längere Zeit zur Bestätigung erforderlich sind.

Quellen

Hallak JEC, et al. Rapid improvement of acute schizophrenia symptoms after intravenous sodium nitroprusside. A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. JAMA Psychiatry 2013;70:668–76.

Coyle JT. Nitric oxide and symptom reduction in schizophrenia. JAMA Psychiatry 2013. 70:664–5.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(05)