Früher und langfristiger Einsatz von Ginkgo-biloba-Extrakt

Hinweise auf verlangsamtes Fortschreiten kognitiver Defizite


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Durch eine frühzeitige und über viele Jahre fortgeführte Einnahme von Ginkgo-biloba-Extrakt lässt sich möglicherweise doch der progrediente Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter verlangsamen. Darauf deuten die aktuellen Langzeitergebnisse der prospektiven Kohortenstudie PAQUID (Personnes agées quid) bei knapp 4000 Personen im Alter von mindestens 65 Jahren hin.

Die bisherige Suche nach effektiven Strategien zur Prävention einer Alzheimer-Demenz verlief enttäuschend. Das betrifft insbesondere die Erforschung und Entwicklung von Anti-Amyloid-Wirkstoffen. Doch gerade im Hinblick auf die schleichende Entwicklung der Alzheimer-Krankheit von ersten subtilen kognitiven Veränderungen bis hin zu einer manifesten Demenz besteht ein dringender Bedarf nach effektiven und gut verträglichen Ansätzen, mit denen sich der Beginn einer demenziellen Entwicklung vermeiden oder zumindest bis ins hohe Alter hinauszögern ließe.

Studiendesign

Für die Untersuchung wurden die 20-Jahres-Daten der prospektiven Kohortenstudie PAQUID ausgewertet.

In die Follow-up-Untersuchung flossen die Daten von 3612 Teilnehmern ein. Bei Studienbeginn waren sie mindestens 65 Jahre alt und nicht dement.

589 Probanden berichteten zumindestens einmal während des Follow-up-Zeitraums von 20 Jahren über die Einnahme von EGb 761®, 149 Probanden über die Einnahme von Piracetam und 2874 Teilnehmer nahmen keines der beiden Präparate ein [1].

Alle zwei bis drei Jahre wurde der Mini-Mental-State-Test (MMST, 0–30 Punkte, keine Einschränkung: 30 Punkte) durchgeführt.

Nutzen bei früher und langjähriger Einnahme

Bei den Teilnehmern, die EGb 761® eingenommen hatten, zeigte sich im Linear-mixed-Effects-Model eine signifikant langsamere Verschlechterung der Gedächtnisleistungen im Vergleich zu jenen, die kein Antidementivum eingenommen hatten (p<0,0001). Am Ende der Nachbeobachtungszeit betrug der Abnahme-Unterschied im MMST-Wert rund 5 Punkte. Dagegen nahmen die kognitiven Leistungen in der Piracetam-Gruppe stärker ab. Außerdem ging die Einnahme des Ginkgo-Extrakts mit einem gegenüber den beiden anderen Studiengruppen reduzierten Bedarf an anderen psychotropen Arzneimitteln wie Antidepressiva, Benzodiazepinen oder Neuroleptika einher (Odds-Ratio 0,72; 95%-Konfidenzintervall 0,57–0,91; p=0,007). Unter Berücksichtigung eventuell eingenommener Psychopharmaka blieben die Unterschiede in der Kognition weitgehend unverändert.

Diskussion

Die Autoren der unabhängigen Studie schließen aus den Ergebnissen, dass es sich bei dem günstigeren Verlauf unter Einnahme des Ginkgo-biloba-Extrakts nicht um eine unspezifische Folge höherer Motivation zum Erhalt kognitiver Fähigkeiten durch Einnahme irgendeines Präparates handelt, sondern um einen spezifischen Effekt.

Insgesamt sind die 20-Jahres-Daten der PAQUID-Studie kompatibel mit Hinweisen in der GuidAge-Studie. In der randomisierten, doppelblinden Studie erhielten 2854 gesunde Probanden (70 Jahre), die aber schon leichte Gedächtnisstörungen aufwiesen, entweder EGb 761® (240 mg/Tag) oder Plazebo. Eine vorab geplante Analyse der Patienten, die über mindestens vier Jahre behandelt wurden, ergab Konversionsraten von 1,6% in der Verum-Gruppe gegenüber 3,0% in der Plazebo-Gruppe (p=0,003), was einer Risikoreduktion von nahezu 50% entspricht [2]. Für einen kürzeren Behandlungszeitraum zeigte sich kein Effekt. Dazu kann beigetragen haben, dass die Inzidenz der Erkrankung an einer Alzheimer-Demenz in der GuidAge-Studie mit 4,8% deutlich unter dem Erwartungswert (13,8%) lag. Weder GuidAge noch PAQUID können einen Nutzen von EGb 761 beweisen.

Der günstige Einfluss des Ginkgo-Extrakts auf die kognitiven Funktionen wird mit seinen pharmakologischen Eigenschaften in Verbindung gebracht: Präklinische Untersuchungen haben ergeben, dass er die mitochondriale Energieproduktion stabilisiert [3] und die Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und damit eine ROS-induzierte Apoptose verringert [4]. Darüber hinaus verbessert der Extrakt wesentliche Aspekte der Neuroplastizität, wie Neurogenese, Langzeitpotenzierung, und die Dichte der synaptischen Spines [5].

Fazit

Die Ergebnisse der PAQUID-Studie geben an einer großen Kohorte nicht dementer älterer Menschen über einen ausreichend langen Beobachtungszeitraum Hinweise, dass der Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761® vor einem raschen Verlust der kognitiven Leistungsfähigkeit schützen kann, wenn der Ginkgo-Extrakt frühzeitig und lange eingenommen wird [2].

Quelle

Dr. Catherine Helmer, Bordeaux, Prof. Dr. Ralf Ihl, Krefeld, Prof. Dr. Walter E. Müller, Frankfurt; Pressegespräch „Einzigartige 20-Jahres-Daten: Verlangsamt Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761® den geistigen Abbau?“, Hamburg, 18. Juni 2013, veranstaltet von Schwabe Pharma Deutschland.

Literatur

1. Amieva H, et al. Ginkgo biloba extract and long-term cognitive decline: a 20-year follow-up population-based study. PLoS One 2013;8:e52755. doi: 10.1371/journal.pone.0052755. Epub 2013 Jan 11.

2. Vellas B, et al. Long-term use of standardised Ginkgo biloba extract for the prevention of Alzheimer’s disease (GuidAge): a randomised placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2012;11:851–9.

3. Müller WE, et al. Mitochondrial dysfunction: common final pathway in brain aging and Alzheimer’s disease – therapeutic aspects. Mol Neurobiol 2010;41:159–71.

4. Schindowski K, et al. Age-related increase of oxidative stress-induced apoptosis in mice prevention by Ginkgo biloba extract (EGb 761). J Neural Transmiss 2001;108:969–78.

5. Müller WE, et al. Effects of the standardized Ginkgo biloba extract EGb 761® on neuroplasticity. Int Psychogeriatr 2012;24(Suppl 1):S21–4.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(05)