Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Diabetes mellitus ist die häufigste Ursache einer Polyneuropathie. Etwa die Hälfte aller Patienten mit diabetischer Polyneuropathie entwickeln neuropathische Schmerzen, die neben subjektiven Beschwerden auch insbesondere die Schlafqualität beeinflussen. Relativ gut untersucht in der Therapie der diabetischen Polyneuropathie sind Amitriptylin, Duloxetin, Gabapentin und Pregabalin sowie retardierte Opioide. Es gibt allerdings bisher nur wenige Studien, die mehrere dieser Therapieansätze bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen miteinander verglichen hätten.
Studiendesign
Es handelte sich um eine doppelblinde randomisierte Parallelgruppenstudie an Patienten mit schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie.
In die Studie wurden zwischen Februar 2007 und März 2009 83 Patienten aufgenommen. 69% waren Männer, das mittlere Alter betrug 65 Jahre. Bei 63% der Patienten bestand die Behandlungsnotwendigkeit mit Insulin. Die Stratifizierung erfolgte nach Alter (18–59; >60) und Geschlecht.
Bei allen Patienten begann die Therapie zunächst mit einer achttägigen Plazebo-Run-in-Phase, dann wurde über 14 Tage mit einer niedrigen Dosis und weitere 14 Tage mit einer höheren Dosis behandelt. Am Ende jeder Titrationsphase wurden Schmerzintensität, Schlafqualität und Funktionen im Alltag gemessen.
In der Titrationsphase erhielten die Patienten eine der folgenden Medikationen:
- Amitriptylin 2-mal 25 mg/Tag,
- Duloxetin 60 mg/Tag, morgens, oder
- Pregabalin 2-mal 150 mg/Tag
In der Hochdosisphase wurde die Dosis entsprechend angepasst:
- Amitriptylin 25 mg morgens, 50 mg zur Nacht
- Duloxetin 2-mal 60 mg
- Pregabalin 2-mal 300 mg
Studienergebnisse
Alle drei Behandlungen waren signifikant wirksamer als Plazebo bezüglich des primären Endpunkts (Schmerzintensität, Tab. 1), gemessen mit dem Brief Pain Inventory (BPI; 0–10; 0 Punkte entsprechen Schmerzfreiheit). Allerdings bestand zwischen den aktiven Therapien kein Unterschied. Amitriptylin und Pregabalin verbesserten auch die Schlafqualität (Parameter siehe Tab. 1). Dies war bei Duloxetin nicht der Fall. Behandlungsbezogene unerwünschte Ereignisse traten unter Pregabalin am häufigsten auf.
Tab. 1. Unterschiede in der Therapie schmerzhafter diabetischer Polyneuropathien mit Pregabalin, Duloxetin und Amitriptylin hinsichtlich Schmerz und Schlafqualität (Mittelwerte mit Standardfehler); angegeben sind jeweils die Werte für die Plazebo-Run-in-Phase und die darauf folgenden je zweiwöchigen Perioden mit zunächst niedriger und dann hoher Dosis des Pharmakons
Pregabalin |
Duloxetin |
Amitriptylin |
|||||||
Plazebo1 |
Niedrige Dosis |
Hohe Dosis |
Plazebo1 |
Niedrige Dosis |
Hohe Dosis |
Plazebo1 |
Niedrige Dosis |
Hohe Dosis |
|
n |
24 |
21 |
19 |
23 |
23 |
23 |
27 |
24 |
23 |
BPI-Score |
3,1 (0,4) |
2,3* (0,4) |
2,4 (0,4) |
3,4 (0,5) |
2,5** (0,4) |
2,2* (0,4) |
3,5 (0,4) |
2,7* (0,4) |
2,6 (0,4) |
n |
25 |
21 |
17 |
21 |
20 |
23 |
27 |
23 |
23 |
TST [min] |
371,6 (11,8) |
380,6 (9,1) |
410,3** (10,2) |
381,4 (9,4) |
338,1**** (12,1) |
356,6* (13,8) |
368,6 (8,9) |
378,3 (12,0) |
393,8 (10,9) |
SE [%] |
77,3 (2,5) |
79,2 (1,9) |
85,4**(2,1) |
79,4 (2,0) |
70,4**** (2,5) |
74,2* (2,9) |
76,7 (1,9) |
78,7 (2,5) |
82,0 (2,3) |
WASO [min] |
90,9 (11,8) |
81,8 (8,8) |
57,2** (10,3) |
85,6 (9,0) |
120,2** (11,0) |
100,5 (12,8) |
91,0 (9,4) |
78,8 (12,2) |
66,6* (10,8) |
1Wert nach achttägigem Plazebo-Run-in;
BPI: Brief pain inventory; TST: total sleep time (Gesamtschlafzeit); SE: sleep efficiency (Schlafeffizienz); WASO: wake after sleep onset (Wachzeit nach Schlafbeginn);
*p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001; ****p<0,0001 vs. Plazebo-(Ausgangs-)Wert
Kommentar
Die hier durchgeführte Studie ist dahingehend bemerkenswert, dass sie versucht, drei Therapieansätze zur Behandlung chronisch neuropathischer Schmerzen direkt miteinander zu vergleichen. Kritisch ist allerdings anzumerken, dass eine Behandlungsdauer von zwei Wochen in der angestrebten Zieldosis sehr kurz ist und dass die Patientenzahlen innerhalb der einzelnen Therapiegruppen relativ klein waren. Die Studie war daher von vornherein nicht dafür ausgelegt, Unterschiede im Therapieeffekt zwischen den drei Substanzen nachzuweisen. Bei Patienten mit gestörtem Nachtschlaf sollten allerdings Amitriptylin und Pregabalin zum Einsatz kommen. Zu beachten ist, das Pregabalin mehr Nebenwirkungen hatte als Amitriptylin und Duloxetin.
Quelle
Boyle J, et al. Randomized, placebo-controlled comparison of amitriptyline, duloxetine, and pregabalin in patients with chronic diabetic peripheral neuropathic pain: impact on pain, polysomnographic sleep, daytime functioning, and quality of life. Diabetes Care 2012;35:2451–8.
Psychopharmakotherapie 2013; 20(04)