Schmerztherapie

Pregabalin lindert neuropathische Schmerzen bei Patienten mit spinalem Querschnittssyndrom


Prof. Dr. H.-C. Diener, Essen

In einer doppelblinden Plazebo-kontrollierten Studie zeigte Pregabalin in einer durchschnittlichen Tagesdosis von 400 mg Wirksamkeit bei der Behandlung von chronisch neuropathischen Schmerzen bei spinalem Querschnittssyndrom.
Mit einem Autorenkommentar von Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener

Zwei Drittel aller Patienten mit inkomplettem oder komplettem spinalem Querschnitt entwickeln im Laufe der Zeit chronisch neuropathische Schmerzen, wobei diese sowohl unterhalb wie oberhalb der Höhe der Querschnittsläsion wahrgenommen werden können. Bei einem Drittel der Patienten werden die Schmerzen als schwerwiegend und sehr intensiv wahrgenommen. Die Therapie erfolgt bisher meist unbefriedigend mit Antikonvulsiva wie Carbamazepin, mit trizyklischen Antidepressiva und mit Medikamenten zur Reduktion der Spastik. Pregabalin (Lyrica®) ist zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen bei Polyneuropathien und zum Teil auch bei der postzosterischen Neuralgie zugelassen. Die Zulassung beruht auf einer Reihe randomisierter Plazebo-kontrollierter Studien, die die therapeutische Überlegenheit von Pregabalin bei diesen neuropathischen Schmerzzuständen gezeigt hatten. In der vorliegenden Studie sollte jetzt die Wirksamkeit von Pregabalin bei Patienten mit chronisch neuropathischen Schmerzen nach Rückenmarksläsionen belegt werden.

Studiendesign

In die Studie wurden erwachsene Patienten mit Querschnittslähmungen aufgenommen, bei denen die Läsion mehr als 12 Monate zurücklag. Die Patienten mussten über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten unter neuropathischen Schmerzen gelitten haben, um zur Studie zugelassen zu werden. Die Studie wurde zwischen 2007 und 2011 in Chile, China, Kolumbien, der Tschechischen Republik, Hongkong, Indien, Japan, den Philippinen, Russland und in den Vereinigten Staaten durchgeführt. Die Patienten mussten mindestens einen Wert von 4 auf einer Schmerzskala von 0 bis 10 aufweisen. Alle Patienten absolvierten zunächst eine 4-wöchige Baseline-Phase, in der sie täglich Schmerztagebuch führten. Dann erfolgten die Randomisierung und eine Dosisoptimierung von Pregabalin über einen Zeitraum von vier Wochen. Die Initialdosis betrug 150 mg Pregabalin am Tag und die Dosis konnte je nach Verträglichkeit auf bis zu 600 mg am Tag erhöht werden. Anschließend erfolgte eine 12-wöchige Behandlungsphase mit stabiler Dosis von Pregabalin bzw. Plazebo. Am Ende dieser Phase wurde dann das Medikament über eine Woche wieder ausgeschlichen. Der primäre Endpunkt war die mittlere Schmerzintensität über die 12-wöchige Behandlungsphase. Sekundäre Endpunkte umfassten den mittleren Schmerz-Score über die gesamte Studiendauer, den Prozentsatz der Patienten mit einer über 30%igen Reduktion der Schmerzintensität, eine globale Patienteneinschätzung und ein Messinstrument, mit dem die Qualität des Schlafes gemessen wurde.

Durchführung und Ergebnisse

Randomisiert erhielten 107 Patienten Plazebo und 112 Pregabalin. Die Patienten waren im Mittel 46 Jahre alt, hatten einen mittleren Schmerz-Score von 6,5 auf einer Skala von 0 bis 10 und zeigten im Mittel seit 98 Monaten chronische Schmerzen. Bei der Mehrzahl der Querschnittssyndrome handelte es sich um die Folgen eines Unfalls.

Studienergebnisse

Für den primären Endpunkt war die Studie ebenso positiv wie für alle sekundären Endpunkte. Die Reduktion des mittleren Schmerz-Score betrug in der Plazebo-Gruppe 1,07, bei der Pregabalin-Gruppe 1,66 (–0,59; 95%-Konfidenzintervall [KI] –0,98 bis –0,20; p=0,003). Die Reduktion der Schmerzen im Vergleich zur Baseline betrug 1,22 Punkte unter Plazebo und 1,92 unter Pregabalin (–0,70; 95%-KI –1,20 bis –0,20; p=0,007). Die Zahl der Responder betrug 33/105 (31,4%) unter Plazebo und 48/105 (45,7%) unter Pregabalin. Auch in der subjektiven Einschätzung der Patienten ergab sich eine Überlegenheit von Pregabalin wie auch in der Verbesserung der Schlafqualität. Die Nebenwirkungen waren typisch für den Einsatz von Pregabalin und umfassten Müdigkeit, unsystematischen Schwindel, periphere Ödeme, Mundtrockenheit und Gewichtszunahme.

Kommentar

Diese große randomisierte Studie ist methodisch sehr gut durchgeführt. Sie benutzte zur Therapie-Evaluation ein sehr stringentes Maß, nämlich die Änderung der mittleren Schmerzintensität über die gesamte Behandlungsphase von 12 Wochen hinweg. Bei vielen anderen Studien wird nur die letzte Woche der Behandlung mit der Baseline verglichen. Die durchschnittlich eingenommene Tagesdosis von 400 mg Pregabalin zeigt, dass diese Dosis wahrscheinlich das beste Verhältnis für Wirkung und Nebenwirkung aufweist. Die Ergebnisse sind besonders glaubwürdig, da auch alle sekundären Endpunkte eine Überlegenheit von Pregabalin zeigten. Für Studien zur Behandlung des chronisch neuropathischen Schmerzes werden Responder üblicherweise definiert als Patienten mit einer mindestens 30%igen Reduktion der Schmerzintensität. Dies erreichen immerhin 45% der bis dahin weitgehend therapierefraktären Patienten. Die Autoren berechneten auch die Number needed to treat, um einen signifikanten Therapieerfolg zu erzielen: sie betrug 7 Patienten. Die Nebenwirkungen sind die von Pregabalin bekannten, die Zahl der Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen war mit 5 unter Plazebo und 6 unter Pregabalin vergleichbar. Diese Studie belegt, dass nun eine weitere wichtige Therapieoption für Patienten mit chronisch neuropathischen Schmerzen nach inkomplettem oder komplettem spinalem Querschnitt vorhanden ist.

Quelle

Cardenas DD, et al. A randomized trial of pregabalin in patients with neuropathic pain due to spinal cord injury. Neurology 2013;80:533–9.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(03)