Albträume unter einer Therapie mit Asenapin


Timo Krüger, Hennigsdorf, Eckart Rüther, München/Göttingen, und Detlef Degner, Göttingen

Wir berichten über einen Patienten mit einer bipolaren Störung (ICD-10: F31.1), der im Rahmen einer antimanischen Therapie mit Asenapin über neu aufgetretene quälende Albträume berichtete. Zwar sind Albträume ein häufiges Phänomen sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch insbesondere bei psychiatrischen Patienten, jedoch darf nicht übersehen werden, dass auch zentral wirksame Medikamente diese induzieren können.
Schlüsselwörter: Asenapin, atypische Antipsychotika, Albträume, AMSP, UAW
Psychopharmakotherapie 2013;20:134–6.

Wir stellen im Folgenden einen Fall vor, bei dem Albträume möglicherweise durch das atypische Antipsychotikum Asenapin (Sycrest®) induziert wurden. Dieser Fall wurde im Rahmen des AMSP-Projekts (Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie) dokumentiert und analysiert.

Fallbericht

Ein 42-jähriger Patient stellte sich wiederholt mit einem manischen Syndrom, charakterisiert durch eine gehobene Stimmungslage, vermehrte Geldausgaben, vermindertes Schlafbedürfnis sowie Unruhe und Umtriebigkeit, in der Rettungsstelle unserer Klinik vor.

Bei dem Patienten wurde 1993 erstmals eine Bipolar-I-Störung diagnostiziert. Es folgten zahlreiche (>25) stationär psychiatrische Aufenthalte in verschiedenen Kliniken mit sowohl depressiven als auch manischen Episoden. Im Verlauf wurde aufgrund psychotischer Symptome auch die Diagnose einer schizoaffektiven Störung diskutiert. Die Medikamentenanamnese ist umfangreich; es bestanden Vorbehandlungen mit Lithium, Valproinsäure, Olanzapin, Clozapin, Flupentixol-Depot, Amisulprid sowie antidepressiv mit Fluoxetin und Amitriptylin. Der Patient hat dementsprechend umfassende Vorerfahrungen mit Psychopharmaka verschiedener Stoffklassen und den damit einhergehenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW).

Der Patient war seit 2010 stabil unter Therapie mit Clozapin 600 mg/Tag und mit Flupentixol-Depot 2%, 60 mg 14-tägig. Im Vorfeld der aktuellen Aufnahme war Clozapin aufgrund einer massiven Gewichtszunahme langsam reduziert und schließlich vom Patienten einige Wochen vor Aufnahme selbstständig abgesetzt worden. Unter Monotherapie mit Flupentixol-Depot trat erneut das oben beschriebene manische Syndrom auf. Wir behandelten den Patienten im Hinblick auf das günstigere metabolische UAW-Profil nun erstmalig mit Asenapin (Sycrest®). Das Medikament wurde am ersten Tag mit 5 mg zur Nacht eindosiert, der Patient hatte das Präparat gut vertragen und der Schlaf sei gut gewesen. Ab dem zweiten Tag erhielt der Patient zweimal 5 mg pro Tag. Unter dieser Dosis wurden erstmals in der Nacht vom vierten zum fünften Behandlungstag Schlafstörungen vom Pflegepersonal dokumentiert; der Patient hielt sich viel auf dem Stationsflur und in dem Raucherraum auf. Auch in der dritten Nacht berichtete das Pflegepersonal, dass der Patient immer wieder das Zimmer verlassen und kaum geschlafen habe. Der Patient klagte in der Visite am Folgetag über lebhafte, unerträgliche Albträume, die ihn derart ängstigten, dass er sich nicht mehr gewagt habe, sich hinzulegen. Albträume kenne er sonst nicht, er führte diese daher auf das neu gegebene Asenapin zurück, welches er in der Folge vehement ablehnte. Nach Absetzen des Asenapins erfolgte erneut eine Einstellung auf Clozapin bis 75 mg/Tag. Danach und in Folge traten die Albträume nicht mehr auf, der Patient schlief in der Folgezeit bis zur Entlassung problemlos, bestätigt durch dezidierte Rundgänge des Pflegepersonals.

Diskussion

Albträume

Albträume kennt fast jeder, sie sind ein häufiges und weit verbreitetes Phänomen in der Allgemeinbevölkerung.

Als Albträume bezeichnet man nächtliche Episoden gestörten Schlafs mit Erwachen meistens aus der REM-Schlafphase, gefolgt von einem detaillierten Wiedererinnern des meist bizarren Trauminhalts, der meist von vitalen Gefährdungen wie Bedrohung und Verfolgung handelt und zu starken Angstgefühlen führt. Diese unangenehme Stimmung wirkt häufig noch länger fort und führt so zu einer unruhigen und wenig erholsamen Nacht. Albträume werden im ICD-10 unter F51.5 kodiert und gehören zu den Parasomnien.

In retrospektiven epidemiologischen Studien berichteten 5 bis 8% der gesunden Befragten zum Untersuchungszeitpunkt über mindestens einmal in der Woche auftretende Albträume. Dabei waren Frauen häufiger betroffen als Männer; auch Kinder berichten häufiger von Albträumen [1, 6]. In einer weiteren Studie berichteten 18,3% der Patienten mit Schlafstörungen über Albträume; hier waren Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Patienten beklagten als Folge der Albträume neben dem gestörten und unruhigen Schlaf auch eine gestörte Konzentration und eine erhöhte Anspannung [9].

Dieser Anteil war bei einem Studienkollektiv psychiatrischer Patienten deutlich höher: 24% nichtpsychotischer Patienten berichteten im Rahmen einer retrospektiven Erhebung in einer Notaufnahme von Albträumen [3].

Extreme Belastungssituationen und eine ausgeprägte psychopathologische Symptomatik können mit einer Zunahme von Albträumen einhergehen. Insbesondere bei der PTSD (Post-traumatic stress disorder) sind Albträume eines der quälendsten spezifischen und definierenden Symptome des Krankheitsbilds. Der gestörte Schlaf kann dabei nicht nur das aktuelle Befinden der Patienten beeinträchtigen, sondern auch zu einer Verschlechterung des psychischen Befunds führen, sodass Albträume sogar mit einer Zunahme suizidaler Ideationen einhergehen können [8].

Medikamentös induzierte Albträume

Nicht nur ausschließlich psychische Faktoren führen zu einem Auftreten von Albträumen, auch unterschiedliche Medikamente können Albträume induzieren, insbesondere solche Präparate, die zu einer Veränderung der Konzentration zentraler Botenstoffe führen. Gut publiziert und untersucht ist dieser Effekt zum Beispiel für Anästhetika wie Ketamin [4], aber auch bei der Psychopharmakotherapie ist man sich zunehmend dieser unerwünschten Arzneimittelwirkung bewusst, was sich auch bei der Erfassung von Parasomnien bei klinischen Studien zeigt. Der REM-Schlaf wird beispielsweise durch eine pharmakologische Veränderung der zentralen cholinergen Aktivität beeinflusst; anticholinerge Substanzen führen so häufig zu Albträumen. Eine Beeinflussung des adrenergen Systems, beispielsweise durch Betablocker oder Alpha-Rezeptoragonisten ist ebenso mit einem gehäuften Auftreten von Albträumen assoziiert. Dopaminerge Substanzen wie Levodopa oder Bromocriptin führen in der Behandlung von Patienten mit einem Morbus Parkinson zu lebhaften Träumen. Serotonerge Substanzen wie die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) können den Schlaf so stören, dass depressive Patienten häufiger in der Nacht aufschrecken. Auch nach Absetzen bzw. unter Entzug von REM-Schlaf-supprimierenden Medikamenten, mit nachfolgendem REM-Rebound, kann es zu lebhaften Träumen kommen. Zu diesen Substanzen gehören beispielsweise Barbiturate, Benzodiazepine und Alkohol (Überblick siehe Tab. 1) [10]. Berichte über Albträume, die durch Antipsychotika der 2. Generation induziert wurden, finden sich hingegen deutlich seltener [2].

Tab. 1. Medikamente, die Albträume induzieren können

Veränderung der Konzentration zentraler Botenstoffe

Antidepressiva

Trizyklische Antidepressiva

Monoaminoxidase-Hemmer

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Noradrenalin/Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Mirtazapin

Zentral wirkende Antihypertensiva

Betablocker

Alpha-Agonisten

Antiparkinson-Mittel

Levodopa

Selegilin

Andere Arzneistoffe

Flutamid

Procarbazin

Ketamin

Kurzwirksame Barbiturate

Entzugsassoziierte Albträume

Alkohol

Benzodiazepine

Asenapin (Sycrest®)

Asenapin wurde in Deutschland im September 2010 für die Indikation von mittelstark bis stark ausgeprägten manischen Episoden im Zusammenhang mit einer Bipolar-I-Störung bei Erwachsenen zugelassen. In den Vereinigten Staaten erfolgte bereits 2009 die Zulassung für die Behandlung von Patienten mit Manie und Schizophrenie.

Asenapin wurde 1990 auf Basis des tetrazyklischen Antidepressivums Mianserin entwickelt. Strukturell zeigt es eine gewisse Ähnlichkeit zu den atypischen Antipsychotika Quetiapin und Olanzapin. Asenapin zeigt ein entsprechendes Rezeptorprofil. Es findet sich eine hohe Affinität für Serotoninrezeptoren, Alpharezeptoren und Dopaminrezeptoren. An diesen Rezeptoren besteht eine antagonistische Aktivität. Die Affinität für muskarinerge Rezeptoren ist dagegen minimal. Zudem gibt es Befunde, die eine Modulation des glutamatergen Systems zeigen sowie eine Hochregulation von D1-Rezeptoren vermuten lassen.

Der Wirkungsmechanismus von Asenapin ist insgesamt noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass die antagonistische Aktivität an den D2- und 5-HT2A-Rezeptoren der Wirkung zugrunde liegt. Charakteristisch für das Rezeptorprofil von Asenapin ist die hohe Affinität zu multiplen Rezeptoren [11].

Die Therapie erfolgt mit einer Tagesdosis von 10 bis 20 mg, die Halbwertszeit der Substanz beträgt etwa 24 Stunden. Die Metabolisierung erfolgt durch direkte Glukuronidierung via UGT1A4 und über die hepatische Metabolisierung vorwiegend über CYP450-1A2, in einem geringeren Ausmaß auch über CYP3A4 und CYP2D6. Die Einnahme der Substanz erfolgt als sublinguale Applikation mit Aufnahme der Substanz über die Mundschleimhaut; so kann eine Bioverfügbarkeit von 35% erreicht werden. Bei fehlerhafter peroraler Einnahme liegt die Bioverfügbarkeit bei nur 2%. Dies bedeutet, dass es einer sorgfältigen Aufklärung der Patienten bedarf, die darauf hingewiesen werden müssen, dass erst 10 Minuten nach der Medikamenteneinnahme wieder etwas gegessen oder getrunken werden darf [11].

Als sehr häufige unerwünschte Wirkungen (UAW) werden Angst und Somnolenz benannt. Darüber hinaus treten die UAW Gewichtszunahme, Appetitsteigerung, Akathisie, Dyskinesie, Parkinsonismus, Leberwerterhöhungen, Muskelrigidität oder Ermüdung häufig auf. Albträume oder lebhafte Träume werden in den Fachinformationen nicht als UAW benannt [7].

Eine Literaturrecherche in den entsprechenden Datenbanken zu Albträumen ergab keine weiteren Fälle unter Asenapin. Nach Angaben des „Druginformer-Projekts“ der University of Utah, wurden der FDA seit 2009 insgesamt 19 Fälle gemeldet [5].

Im vorliegenden Fall besteht ein möglicher kausaler Zusammenhang zwischen der Therapie mit Asenapin und dem Auftreten der Albträume. Dafür sprechen vor allen Dingen die enge zeitliche Korrelation von Therapiebeginn und erstmaligem Auftreten der Albträume und zugleich die anhaltende Remission nach Absetzen der Substanz. Der Patient hat zudem Erfahrungen mit verschiedenen anderen Psychopharmaka; unter diesen hatte er keine Albträume gehabt. Die Induktion dieser UAW durch Asenapin scheint auch aus pharmakodynamischer Perspektive nicht unplausibel; Asenapin beeinflusst auf komplexe Weise, wie oben dargestellt, verschiedene Transmittersysteme, die mit dem Auftreten von Albträumen assoziiert sind. Auch die strukturelle Ähnlichkeit zu Mianserin bzw. auch Mirtazapin – beides Substanzen, bei denen bekannt ist, dass lebhafte Träume häufig auftreten können – kann als mögliches Argument angeführt werden.

Es ist jedoch auch zu diskutieren, dass die Albträume ein Absetz-Phänomen nach Therapie mit Clozapin darstellen. Der Patient hatte vorher eine relativ hohe Clozapin-Dosis eingenommen; es ist davon auszugehen, dass ein Absetzen die Schlafstruktur erheblich beeinträchtigt und so mit Schlafstörungen einhergehen kann. Nach Schlafinduktion durch das Asenapin kam es möglicherweise zu einem REM-Rebound und damit zu intensiven Träumen. Die prompte Besserung der Albträume nach erneuter Gabe von Clozapin unterstützt diese alternative Hypothese. Allerdings hatte der Patient bereits drei bis vier Wochen vor Aufnahme das Clozapin abgesetzt.

Fazit

Asenapin gehört sicherlich nicht zu den Substanzen, die häufig zu einem Auftreten von Albträumen führen. Grundsätzlich ist aber ein Auftreten dieser UAW für nahezu alle Psychopharmaka denkbar. Es ist daher für die klinische Arbeit wichtig, diese potenziell sehr beeinträchtigende UAW im Auge zu behalten und gegebenenfalls auch zu melden. Insbesondere bei Albträumen ist aufgrund des häufigen Auftretens in der Allgemeinbevölkerung von einem „underreporting“ auszugehen, sodass dieser Fall auch die Bedeutung von Pharmakovigilanzprojekten demonstriert. Sollten Patienten im Rahmen einer Psychopharmakotherapie beispielsweise über Schlafstörungen berichten, kann es sinnvoll sein, dezidiert nach Albträumen oder lebhaften Träumen zu fragen, um den Patienten über dieses Phänomen aufzuklären und unter Umständen auch die Therapie umzustellen.

Literatur

1. Bixler EO, Kales A, Soldatos CR, Kales JD, et al. Prevalence of sleep disorders in the Los Angeles metropolitan area. Am J Psychiatry 1979;136:1257–62.

2. Bretag-Norris R, Alexander J. Atypical antipsychotic medication: a nightmarish problem! Aust N Z J Psychiatry 2012;46:909. Epub 2012 Jan 10.

3. Brylowski. Nightmares in crisis: clinical applications of lucid dreaming techniques. Psychiatr J Univ Ott 1990;15:79–84.

4. Cheong SH, Lee KM, Lim SH, et al. Brief report: the effect of suggestion on unpleasant dreams induced by ketamine administration. Anesth Analg 2011;112:1082–5. Epub 2011 Feb 23.

5. Druginformer. druginformer.com/search/side_effect_details/saphris/nightmare.html (Zugriff am 13.04.2013).

6. Li SX, Zhang B, Li AM, Wing YK. Prevalence and correlates of frequent nightmares: a community-based 2-phase study. Sleep 2010; 33:774–80.

7. Lundbeck/MSD: Fachinformation Sycrest®, Stand Oktober 2011.

8. Nadorff MR, Nazem S, Fiske A. Insomnia symptoms, nightmares, and suicidal ideation in a college student sample. Sleep 2011; 34:93–8.

9. Pagel JF. Nightmares and disorders of dreaming. Am Fam Physician 2000;61:2037–42, 2044.

10. Pagel JF, Helfter P. Drug induced nightmares – an etiology based review. Hum Psychopharmacol 2003;18:59–67.

11. Stoner SC, Pace HA. Asenapine: a clinical review of a second-generation antipsychotic. Clin Ther 2012;34:1023–40. Epub 2012 Apr 10.

Dr. med. Timo Krüger, Oberhavel-Kliniken Hennigsdorf, Abteilung für Psychiatrie, Marwitzer Straße 91, 16761 Hennigsdorf, E-Mail: timo.krueger@oberhavel-kliniken.de

Prof. Dr. Eckart Rüther, LMU München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Nussbaumstraße 7, 80336 München und Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Georg-August-Universität, Von-Siebold-Straße 5, 37075 Göttingen

Dr. Detlef Degner, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Georg-August-Universität, Von-Siebold-Straße 5, 37075 Göttingen

Asenapine induced nightmares

A 42 year old patient with acute mania was treated with asenapine. Two days after beginning of treatment the patient complained about unbearable nightmares. Discontinuation of therapy led to immediate and sustained remission of this potential adverse drug reaction.

Nightmares are common phenomena as well in the general population as in clinical patients. Given this, we should not lose sight of the fact, that especially centrally acting agents can induce nightmares.

Key words: Asenapine, atypical antipsychotics, nightmares, AMSP, ADR

Psychopharmakotherapie 2013; 20(03)