Bipolare Störung

Was ist bei der Auswahl von Antipsychotika zu beachten?


Sabine Stürmer, Bendestorf

Patienten mit Bipolar-I-Störung benötigen eine wirksame und möglichst nebenwirkungsarme Pharmakotherapie. Welche Aspekte aus Patienten- und Arztsicht bei der initialen Therapieentscheidung im Vordergrund stehen, zeigen die Ergebnisse der Online-Befragung BITS (Bipolare Therapie-Sichtweisen). Dabei zeigt sich, dass die Behandler Nebenwirkungen von Antipsychotika wie beispielsweise Gewichtszunahmen stärker berücksichtigen sollten, wie bei einer Pressekonferenz der Firma Lundbeck herausgearbeitet wurde.

Die Zahl der Patienten mit Bipolar-I-Störung in Deutschland wird auf 1,2 Millionen geschätzt. Bei der Bipolar-I-Störung wechseln manische und depressive Phasen miteinander ab, während bei Patienten mit Bipolar-II-Störung vor allem depressive Phasen und nur leichtgradige Manien auftreten. Während die Betroffenen in einer depressiven Phase oftmals einen hohen Leidensdruck haben, kann eine Manie – gerade zu Krankheitsbeginn – von den Patienten sogar als positiver Zustand erlebt werden. Aus Sicht der Betroffenen ist eine Depression (47%) das häufigste initiale Symptom, während 26% zuerst eine Manie als krankhaft erleben, wieder andere Stimmungsschwankungen (11%), Reizbarkeit (8%) oder Wahn/Paranoia (8%). Die Erkrankung manifestiert sich im frühen Erwachsenenalter zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Die richtige Diagnose wird im Schnitt erst nach zehn Jahren gestellt. In den meisten Fällen ist eine Pharmakotherapie indiziert, die durch regelmäßige Kontrollen und Gespräche unterstützt werden kann.

Online-Befragung: Patientenwünsche im Fokus

Die BITS-Befragung untersuchte, welche Aspekte der Therapie bipolarer Störungen aus Patienten- und Arztsicht wichtig sind. Dazu wurden 420 Patienten und 795 Psychiater in Deutschland per Fragebogen und anonym befragt. Die Patienten litten nach eigenen Angaben (Mehrfachnennung möglich) unter einer bipolaren Störung (n=205), einer Manie (n=145) und/oder affektiven Störung (n=153).

Für die befragten Patienten stehen bezüglich Arzneimitteltherapie die gute Verträglichkeit, die Stimmungsstabilisierung und der Erhalt der Alltagsfähigkeit und der sozialen Kontakte im Vordergrund (Tab. 1).

Tab. 1. Anforderungen an Antipsychotika (aus Sicht der Patienten) [nach Leweke]

Als sehr wichtig für eine gute Arzneimitteltherapie bewerteter Aspekt

Patienten [%]

Gute Verträglichkeit des Medikaments

68

Vermeidung von extremen Stimmungsschwankungen

61

Erhalt der Alltagsfähigkeit

58

Erhalt der sozialen Kontakte (Freunde, Familie, …)

57

Schnelle, gute und anhaltende Wirksamkeit

57

Vertrauen zum behandelnden Arzt

55

Erhalt der Arbeitsfähigkeit

52

Besserung von Konzentrations- und Gedächtnisstörungen

49

Einfache Handhabung, einfache Einnahme des Medikaments

42

Begleitende Psychotherapie

41

Studienergebnisse zu der Therapie

26

Ein Vergleich mit den Antworten der Ärzte zeigt, dass die meisten befragten Psychiater die Patientenwünsche recht gut einschätzen können. So bestehen hinsichtlich des Erhalts der Arbeitsfähigkeit, der Berufstauglichkeit und der sozialen Kontakte keine Unterschiede. Allerdings überschätzten die Ärzte die Bedeutung der Wirksamkeit und unterschätzten die Relevanz der Verträglichkeit der Medikation sowie der Stimmungsstabilisierung für die Patienten.

Einfluss von Adipositas

Die Adipositas stellt nicht nur eine wichtige Komorbidität bipolarer Störung dar, sondern gehört auch zu den Nebenwirkungen, die unter einer antipsychotischen Therapie besonders berücksichtigt werden müssen. Adipöse Patienten mit einer Bipolar-I-Störung haben ein schlechteres Outcome mit mehr Rückfällen als nicht adipöse Betroffene. Gerade in der medikamentösen Behandlung der akuten Manie können als Nebenwirkung dramatische Gewichtszunahmen in relativ kurzer Zeit auftreten. Als Spitzenwert aus seiner eigenen klinischen Erfahrung gab Prof. Dr. F. Markus Leweke, Mannheim, die Gewichtszunahme einer Patientin um 21 kg innerhalb von 21 Tagen an. Solche extremen Gewichtszunahmen können dann zustande kommen, wenn Medikamente kombiniert eingesetzt werden, da sich in diesen Fällen die Gewichtszunahmen unter Umständen „über-addieren“. Auf Gewichtszunahmen muss insbesondere bei Patienten geachtet werden, die bereits bei Erstdiagnose einer bipolaren Störung adipös sind.

Geringe Gewichtszunahme unter Asenapin

Asenapin (Sycrest®) weist im Vergleich mit anderen Medikamenten Verträglichkeitsvorteile auf. So ergaben die gepoolten Daten des Asenapin Phase-II- und Phase-III-Studienprogramms zur Schizophrenie und zu manischen Phasen, dass die mittlere Gewichtsveränderung nach 12-monatiger Behandlung unter Asenapin durchschnittlich bei lediglich +0,8 kg lag und nur 12,6% der Studienpatienten eine Gewichtszunahme um ≥7 % aufwiesen (Werte unter Olanzapin: +3,5 kg und 31,7%). Asenapin ist zugelassen für die Behandlung mäßiger bis schwerer manischer Episoden einer Bipolar-I-Störung bei Erwachsenen.

Quelle

Prof. Dr. F. Markus Leweke, Mannheim; Dr. Florian Seemüller, München; Pressegespräch „Erkannt – was nun? Therapie bipolarer Störungen“, Hannover, 28. September 2012, veranstaltet von Lundbeck GmbH.

Psychopharmakotherapie 2012; 19(06)