Gedächtnisstörungen

Ginkgo-biloba-Extrakt verhindert nicht das Auftreten der Alzheimer-Erkrankung


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

In einer großen randomisierten, Parallelgruppen-Studie mit doppelblindem und Plazebo-kontrolliertem Design war Ginkgo-biloba-Extrakt, über einen Zeitraum von fünf Jahren gegeben, nicht in der Lage, bei Menschen über 70 Jahre mit beginnenden Gedächtnisstörungen das Auftreten einer Alzheimer-Erkrankung zu verhindern.

Fast alle Therapiestudien zur Behandlung des Morbus Alzheimer in den letzten Jahren sind negativ ausgegangen. Dies mag nicht unbedingt daran liegen, dass die Substanzen nicht wirksam sind, sondern, dass der Krankheitsprozess bei Therapiebeginn bereits so weit fortgeschritten ist, dass ein positiver Effekt nicht mehr zu erwarten ist. Daher konzentrieren sich im Moment alle Bemühungen darauf, bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen das Fortschreiten zum Vollbild der Alzheimer-Erkrankung aufzuhalten.

In die große französische GuidAge-Studie wurden Patienten im Alter über 70 Jahre eingeschlossen, die über Gedächtnisstörungen klagten. Im Rahmen des doppelblinden Plazebo-kontrollierten Parallelgruppen-Studiendesigns wurden die Patienten im Verhältnis 1:1 auf die zweimal tägliche Einnahme von 120 mg Ginkgo-biloba-Extrakt (EGb 761) oder Plazebo randomisiert. Die Patienten wurden dann über fünf Jahre nachverfolgt. Der primäre Endpunkt war ein Übergang zu einer wahrscheinlichen Alzheimer-Erkrankung.

Zwischen März 2002 und November 2004 wurden 2854 Teilnehmer randomisiert, von denen 1406 Ginkgo-biloba-Extrakt und 1414 Plazebo erhielten. Nach fünf Jahren hatten 61 Teilnehmer der Ginkgo-biloba-Gruppe und 73 der Plazebo-Gruppe eine Alzheimer-Erkrankung entwickelt. Dies entspricht einem Hazard-Ratio von 0,84 (95%-Konfidenzintervall 0,60–1,18), das statistisch nicht signifikant war.

Nebenwirkungen traten in beiden Behandlungsgruppen gleich häufig auf. In der Ginkgo-biloba-Gruppe verstarben 76 und in der Plazebo-Gruppe 82 Patienen. 65 Teilnehmer in der Ginkgo-biloba-Gruppe hatten einen Schlaganfall verglichen mit 60 Teilnehmern in der Plazebo-Gruppe. Blutungskomplikationen und kardiovaskuläre Ereignisse waren ebenfalls gleich häufig.

Kommentar

Diese sehr große und gut durchgeführte Studie zeigt, dass über einen Zeitraum von fünf Jahren Ginkgo-biloba-Extrakt nicht in der Lage ist, den Übergang von leichten kognitiven Störungen in eine Alzheimer-Erkrankung zu verhindern. Dies war unabhängig von anderen Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz wie beispielsweise den APOE4-Status oder vaskuläre Risikofaktoren. Ginkgo-biloba-Extrakt reduzierte auch nicht die Mortalität oder die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen oder Schlaganfällen. Zusammengefasst wurde Ginkgo-biloba-Extrakt zwar gut vertragen, hatte aber keine therapeutische Wirkung.

Quelle

Vellas B, et al.; for the GuidAge Study Group. Long-term use of standardised Ginkgo biloba extract for the prevention of Alzheimer’s disease (GuidAge): a randomised placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2012;11:851–9.

Psychopharmakotherapie 2012; 19(06)