Der Einfluss von Psychopharmaka auf die emotionale Kompetenz


Karsten Wolf, Marienheide/Hamburg-Eppendorf

Kenntnisse über Wirkungen von Psychopharmaka auf die emotionale Kompetenz ermöglichen es dem praktisch tätigen Arzt, Psychopharmaka für seine Patienten noch etwas differenzierter auszuwählen. Hierbei ist es bedenkenswert, dass die verschiedenen Arzneimittel in Bezug auf ihre sehr unterschiedlichen Wirkungen auf Aspekte der emotionalen Kompetenz nicht gut oder schlecht sind, sondern je nach Grunderkrankung des Patienten entweder eher vorteilhaft oder eher nachteilig sein können. Die Auswirkungen von unterschiedlichen Psychopharmaka auf Aspekte der emotionalen Kompetenz werden unter Einbezug der sehr unterschiedlichen Veränderungen der emotionalen Kompetenz bei verschiedenen psychischen Erkrankungen beleuchtet und sowohl einzeln als auch in der Übersicht dargestellt.
Schlüsselwörter: Psychopharmaka, emotionale Kompetenz, Benzodiazepine, Antidepressiva, Neuroleptika
Psychopharmakotherapie 2012;19:245–52.

Priv.-Doz. Dr. Karsten Wolf, Zentrum für Seelische Gesundheit – Klinik Marienheide, Leppestraße 65–67, 51709 Marienheide, und Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, E-Mail: karsten.wolf@kkh-gummersbach.de

Das Phänomen der emotionalen Kompetenz (Emotionserkennung, Emotionsausdruck und Emotionserleben) ist insbesondere in den vergangenen zehn Jahren auf zunehmendes wissenschaftliches Interesse gestoßen und hat sich in den klinischen Neurowissenschaften, insbesondere in der psychiatrischen Forschung, als fester Bestandteil im Repertoire der Forschungsparadigmen etabliert. In der internationalen Literatur wird das Phänomen der emotionalen Kompetenz – im Wesentlichen aus wissenschaftsmethodischen Gründen – in drei getrennt explorierte Aspekte unterteilt:

  • Der Emotionsausdruck ist das am schwierigsten und am aufwendigsten zu erfassende Phänomen der emotionalen Kompetenz, sodass sich hierzu in der internationalen Literatur auch nur begrenzt Studiendaten finden. Im Wesentlichen stehen zwei Verfahren zur Erfassung des Emotionsausdrucks zu Verfügung, nämlich die Videoanalyse des sichtbaren mimischen Ausdrucksverhaltens (Standbild für Standbild, EMFACS) [13] und die Gesichts-EMG-Analyse [9, 10, 39, 42, 43] der vor-sichtbaren Gesichtsmuskelaktivität.
  • Das Paradigma der Emotionserkennung ist ein methodisch sehr einfach zu handhabendes Paradigma, bei dem den Probanden Portraits mit spezifischen Emotionsausdrücken (Valenzen) und definierter Ausdrucksintensität präsentiert werden, die von ihnen hinsichtlich Valenz und Intensität eingeschätzt werden sollen. Hierbei wurden bislang überwiegend einfache Portraits mit eindeutigen Emotionsausdrücken unterschiedlicher Ausdrucksintensität verwendet. Erst seit wenigen Jahren wird zunehmend auf elaboriertere Verfahren zurückgegriffen, in denen zweideutige Emotionsausdrücke („Morphed Faces“) [37] oder Gesichtsausdrücke mit Fokus auf unterschiedliche Gesichtspartien [25] zum Einsatz kommen.
  • Die Paradigmen zur Analyse des Emotionserlebens werden wissenschaftsmethodisch in das Emotionserleben im Laborversuch und das alltagsnahe Emotionserleben unterteilt. Bei Untersuchungen zum Emotionserleben werden im Wesentlichen standardisierte Materialien (z.B. Videos, Bilder, Geschichten, Erinnerungen, Musik) präsentiert und die unter der Präsentation induzierte Emotionsvalenz und Emotionsintensität beim Probanden selbst (aktuell oder in Erinnerung) erfragt.

Insbesondere die Bildgebung hat sich sehr gerne den Paradigmen der Emotionserkennung bedient, da von diesen bei einfacher Anwendungsmöglichkeit eine vergleichsweise hohe Aussagekraft erwartet wurde. Dabei haben sich zwar viele Erwartungen nicht erfüllt und die experimentelle Emotionsforschung kämpft weiterhin mit der Übertragbarkeit der Resultate in das reale menschliche Leben, dem eine ausgesprochen komplexe Emotionsdynamik an der Schnittstelle zwischen Individuum und Umwelt innewohnt; aber dennoch sind die Paradigmen der emotionalen Kompetenz nicht mehr aus der Forschungslandschaft der klinischen Neurowissenschaften wegzudenken.

In den letzten Jahren wurden die meisten psychischen Erkrankungen hinsichtlich einer im Vergleich zu Gesunden veränderten oder defizitären emotionalen Kompetenz untersucht. Die größte Datenmenge hierzu liegt zurzeit für die Schizophrenie vor, gefolgt von Depression, bipolarer Erkrankung und Borderline-Erkrankung. Zweifellos könnten robuste Ergebnisse solcher Studien einen möglicherweise bedeutenden Beitrag zum weitergehenden Verständnis der psychischen Erkrankungen liefern.

Etwas unbemerkt und zeitlich verzögert wurden in den letzten 10 bis 15 Jahren Studien zum Einfluss von Arzneimitteln auf die emotionale Kompetenz sowohl bei Gesunden als auch bei psychisch Kranken durchgeführt. Eine wissenschaftliche Übersicht über den Datenstand zu diesem Thema existiert bislang noch nicht.

Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, den gegenwärtigen Forschungsstand (September 2011) zum Einfluss von Psychopharmaka auf die emotionale Kompetenz zu skizzieren und kritisch zu reflektieren. Zunächst wird eine kurze Übersicht über die wichtigsten Veränderungen der emotionalen Kompetenz bei psychischen Erkrankungen gegeben. Anschließend werden Neuroleptika, Benzodiazepine und Antidepressiva hinsichtlich ihres Einflusses auf Aspekte der emotionalen Kompetenz besprochen. Hierbei wird der Abschnitt über Neuroleptika in Emotionsausdruck, Emotionserkennung und Einfluss von Atypika auf Positiv- und Negativsymptome (Positive and negative syndrome scale [PANSS]), extrapyramidal-motorische Störungen (EPS) und Sedierung gegliedert. Zu Benzodiazepinen und Antidepressiva finden sich ausschließlich Daten zur Emotionserkennung, wobei der Abschnitt über Antidepressiva in Emotionserkennung bei Gesunden und Emotionserkennung bei Depressiven unterteilt wird.

Veränderungen der emotionalen Kompetenz bei psychischen Erkrankungen

Der Wissensstand zu den störungsspezifischen Veränderungen und Defiziten bei psychischen Erkrankungen ist in den letzten Jahren derart angewachsen, dass im Folgenden nur ein sehr komprimierter Überblick über dieses inzwischen mehrere hundert Arbeiten umfassende Thema gegeben wird. Für weiterführende und detailliertere Informationen sei auf andere Publikationen verwiesen [umfassende Übersichten: 40, 41].

Schizophrenie

Während schizophrene Patienten eine gesteigerte emotionale Blick- und Körperzuwendung zu ihren Kommunikationspartnern zeigen, sind im Laborversuch die Fähigkeiten zum Erkennen nichtemotionaler Informationen im Gesicht und zum Erleben von Emotionen unbeeinträchtigt. Darüber hinaus weisen schizophrene Patienten aber eine Reihe von – teils störungsspezifischen – Defiziten der emotionalen Kompetenz auf: Sie zeigen Defizite im mimischen Emotionsausdruck mit Schwerpunkt auf Freude und Defizite im verbalen Emotionsausdruck. Daneben zeigen sie Defizite in der visuellen und auditiven Emotionserkennung, insbesondere in der Erkennung von negativen Emotionen und insbesondere von Angst bei subjektiv erlebter Anhedonie in Bezug auf positive Emotionen und bei gesteigertem Erleben negativer Emotionen.

Schizophrene Patienten können in zweideutigen Gesichtsausdrücken sogenannte Social-threat-related-Stimuli (z.B. Ärgerausdruck) schlechter identifizieren als Gesunde. Bei der Betrachtung von Gesichtsausdrücken fokussieren sie stärker auf die Mundregion, wohingegen Gesunde mehr auf die Augenregion fokussieren.

Des Weiteren wurden bei Schizophrenie-Patienten Korrelationen des Defizits des mimischen Freudeausdrucks mit dem Score auf der Negativ-Symptom-Subskala der PANSS und eine Korrelation der gesteigerten Aktivierung des M. levator labii sup. – als Aggressionskomponente oder Zeichen mimischer Desintegration – mit dem Score auf der Positiv-Symptom-Subskala der PANSS nachgewiesen [18, 19, 39, 42–44]. Keine Korrelationen mit PANSS-Scores fanden sich in Bezug auf den vokalen Emotionsausdruck. Weitere Korrelationen fanden sich zwischen dem Defizit im Erkennen von Freude in Gesichtsausdrücken und dem Score auf der Negativ-Symptom-Subskala der PANSS [38]. Bezüglich des Emotionserlebens schizophrener Patienten wurde gezeigt, dass Anhedonie mit dem Score auf der Negativ-Symptom-Subskala der PANSS korreliert. Darüber hinaus finden sich Hinweise auf einen Zusammenhang von extrapyramidal-motorischen Störungen sowie von Sedierung mit einem eingeschränkten Emotionsausdruck [40].

Depression

Bei depressiven Patienten finden sich in der allerdings noch etwas inkonsistenten Literatur deutliche Hinweise auf ein isoliertes Defizit im Erkennen von Freude und Trauer [28, 29, 34]. Daneben zeigen depressive Patienten eine Wahrnehmungsverzerrung in Richtung negativer Emotionen, insofern sie beim Betrachten neutraler Gesichtsausdrücke gehäuft Trauerausdruck wahrnehmen und Freudeausdrücke gehäuft als neutrale Gesichtsausdrücke fehlinterpretieren. Zudem wurde nachgewiesen, dass bei depressiven Patienten ein globaler negativer Bias vorliegt, insofern der negative Bias bei Gesichtserkennung, Stimmen und Musik gleichermaßen vorhanden und ausgeprägt ist [15, 27, 32, 36].

Bipolare Störung

Die Datenlage zur emotionalen Kompetenz bei bipolaren Störungen ist ebenfalls inkonsistent. Bemerkenswert sind Studien, in denen bei Bipolar-I-Patienten im euthymen Zustand ein tendenzielles Defizit im Erkennen von Angst nachgewiesen wurde, das im manischen Zustand signifikant war; im Gegensatz dazu zeigten Bipolar-II-Patienten im euthymen Zustand eine Steigerung im Identifizieren von Angst [8, 26].

Andere psychische Erkrankungen

Übereinstimmend wurde gezeigt, dass Borderline-Patienten einen Bias in Richtung gesteigerter Wahrnehmung für Ärger, also für einen charakteristischen Social-threat-related-Stimulus aufweisen [11, 12].

Bei Anorexia-nervosa-Patienten wurde analog zu Borderline-Patienten und Sozial-Phobikern ein Aufmerksamkeits-Bias in Richtung sozialaffektiver Bildstimuli, und zwar insbesondere in Richtung Ärgerausdruck, identifiziert, der bei Anorexie-Patienten als „Trait-Merkmal“ imponierte [17].

Bei Angstpatienten konnte in zwei Studien eine gesteigerte Wahrnehmung für Ärger in Gesichtsausdrücken gezeigt werden [15a, 20a].

Eine Reihe weiterer Studien zu Psychopathie und Autismus sind nur mäßig konsistent und wurden insbesondere nicht repliziert, sodass zu diesen Fragestellungen auf andere Arbeiten [40, 41] verwiesen wird.

Einfluss von Psychopharmaka auf die emotionale Kompetenz

Neuroleptika

Emotionsausdruck

Die erste wegweisende Studie zum Einfluss von Neuroleptika auf das mimische Ausdrucksverhalten wurde 1992 von Schneider et al. veröffentlicht [35]. Sie bildeten zwei Gruppen von schizophrenen Patienten: Gruppe 1 war zum Zeitpunkt der Erstmessung unmediziert und wurde am Tag nach der Messung auf ein typisches Neuroleptikum eingestellt. Die Patienten der Gruppe 2 waren bereits zum ersten Messzeitpunkt fest auf typische Neuroleptika eingestellt. Nach drei Wochen erfolgte eine Wiederholungsmessung der mimischen Aktivität im Gesichtsausdruck während eines halbstandardisierten Interviews. Zum ersten Messzeitpunkt war die mimische Aktivität bei den Neuroleptika-medizierten Patienten geringgradiger ausgeprägt als bei den unmedizierten Patienten. Drei Wochen später zeigten sich keine Unterschiede mehr zwischen beiden Gruppen: Die Patienten beider Gruppen zeigten gleichermaßen eine reduzierte mimische Aktivität. Dieser negative Einfluss von typischen Neuroleptika auf die emotionsrelevante mimische Aktivität stellte sich bei den Patienten der Gruppe 1 innerhalb von drei Wochen nach Beginn der antipsychotischen Therapie ein, während im selben Zeitraum eine Verbesserung der Psychopathologie der Patienten festzustellen war. Als Ursache dieses inversen Effekts werden besonders die durch die typischen Neuroleptika hervorgerufenen extrapyramidal-motorischen Störungen diskutiert.

Aufgrund des ausgesprochenen großen technischen und methodischen Aufwands zum Erfassen emotionsrelevanter mimischer Aktivität wurden erst ab 2004 erneut Studien zum Einfluss von Neuroleptika auf den Emotionsausdruck durchgeführt. Wolf et al. zeigten, dass die atypischen Neuroleptika Olanzapin und Risperidon im Gegensatz zu dem typischen Neuroleptikum Haloperidol über einen Zeitraum von zwei Wochen zu keiner signifikanten Verschlechterung, aber auch zu keiner signifikanten Besserung des in unmedizierten Zustand signifikant reduzierten mimischen Freudeausdrucks bei schizophrenen Patienten führten [39, 42, 43].

2011 wurde in einer Studie [45] allerdings ein divergenter Einfluss von Olanzapin auf die Trauerresponse nachgewiesen. So zeigten schizophrene Patienten im unmedizierten Zustand analog zu Gesunden eine adäquate Aktivierung trauerrelevanter mimischer Muskulatur bei der Präsentation trauerrelevanter Bilder. Anders als bei Gesunden fanden sich bei den Patienten jedoch Hinweise auf eine zusätzliche Aktivierung angstrelevanter Muskulatur. Unter einer zweiwöchigen Behandlung mit Olanzapin sistierte die Aktivität der angstrelevanten Muskulatur bei den Patienten auf ein Niveau wie bei gesunden Probanden – möglicherweise als Ausdruck einer antipsychotisch-anxiolytischen Wirkung. Allerdings sistierte währenddessen auch die Aktivierung der trauerrelevanten Muskulatur. Mit Olanzapin behandelte schizophrene Patienten zeigten also bei der Präsentation trauerrelevanter Bilder nach dreiwöchiger Therapie zwar keine Angstreaktion mehr, dafür war aber ihre mimische Trauerreaktion im Vergleich zu Gesunden nicht mehr adäquat.

Emotionserkennung

Bei der Untersuchung des Einflusses von Neuroleptika auf die Emotionserkennung wurde zwischen 1991 und 2009 in einer Reihe von einfach konzipierten Studien statisches Bildmaterial eingesetzt. In diesen Studien konnten keine oder allenfalls geringgradige Verbesserungen der soziokognitiven Defizite inklusive Emotionserkennung und „Theory of Mind“ herausgearbeitet werden [5, 14, 22].

2009 und 2010 wurden zwei neuere und komplexere Studien publiziert, in denen Effekte von Risperidon und Quetiapin auf die Emotionserkennung untersucht wurden [2, 6].

Behere et al. [2] untersuchten 25 unmedizierte schizophrene Patienten und 30 gesunde Teilnehmer hinsichtlich ihrer Emotionserkennungsfähigkeit auf statische und dynamische Bilder zu den sechs Emotionen Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung und Ekel sowie zu neutralen Gesichtsausdrücken. Unmediziert zeigten schizophrene Patienten erwartungsgemäß ein Emotionserkennungsdefizit für Angst und Ekel, das mit dem Score auf der Negativ-Symptom-Subskala der PANSS korrelierte. Unter einer Behandlung mit Risperidon (4 mg/Tag) zeigte sich nach einer psychopathologischen Besserung nach im Schnitt 38 Tagen auch eine signifikante Verbesserung der Emotionserkennungsfähigkeit für Ekel, nicht aber für Angst. Die Verbesserung der Ekelerkennung korrelierte negativ mit dem Score auf der Negativ-Symptom-Subskala der PANSS zu Beginn der Studie.

Cabral-Calderin et al. [6] verglichen 45 ambulante unmedizierte schizophrene Patienten mit 44 gesunden Kontrollen hinsichtlich der Emotionserkennungsfähigkeit unter Einsatz der elaborierten Morphed-faces-Methode bezüglich der sechs Grundemotionen Freude, Überraschung, Angst, Trauer, Ekel und Ärger. Erwartungsgemäß zeigten unmedizierte schizophrene Patienten zum Messzeitpunkt 1 im Vergleich zu den Gesunden ein Emotionserkennungsdefizit für Überraschung, Angst und Ärger. Nach einer dreimonatigen Monotherapie mit Quetiapin wurde bei den schizophrenen Patienten eine signifikante Verbesserung der Überraschungs- und Ärgererkennung nachgewiesen. Interessant ist zum einen, dass Cabral-Calderin et al. keine Korrelation des Emotionserkennungsdefizits mit der klinischen Symptomatik fanden, und zum anderen, dass Quetiapin analog zu Risperidon [2] keine Verbesserung des Angsterkennungsdefizits bewirkte (Abb. 1).

Abb. 1. Übersicht über die Datenlage aus den bisherigen Studien zum Einfluss von Neuroleptika auf Aspekte der emotionalen Kompetenz

Depot-Neuroleptika

Eine Studie von Möller et al. [30] warf unter Emotionsforschern die Frage auf, ob – und wenn ja, warum – Depot-Neuroleptika einen stärker ausgeprägten positiven Einfluss auf die emotionale Kompetenz haben könnten als oral eingenommene Neuroleptika. In dieser Studie, in der Patienten mit Schizophrenie oder anderen psychotischen Erkrankungen von oralen Neuroleptika auf eine intramuskulär applizierte Risperidon-Depotformulierung (Risperdal-Consta®) umgestellt wurden, zeigten sich neben einer Steigerung der Wirksamkeit und der Patientenzufriedenheit auch signifikante Verbesserungen in drei Sub-Scores des SF(Short Form)-36-Fragebogens zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Da diese drei Sub-Scores – „psychisches Wohlbefinden“, „emotionale Rollenerfüllung“ und „soziale Funktionsfähigkeit“ – emotionsrelevante Aspekte der Lebensqualität abbilden, können Verbesserungen in diesen Bereichen als Hinweise auf eine mögliche Verbesserung der emotionalen Kompetenz interpretiert werden.

Es ist sicherlich lohnend, der Frage einer unter Depot-Neuroleptika möglicherweise stärker ausgeprägten positiven Wirkung auf die emotionale Kompetenz nachzugehen, da mittlerweile mit Risperidon, Olanzapinpamoat und Paliperidonpalmitat drei atypische Depot-Neuroleptika zur Verfügung stehen und in naher Zukunft weitere atypische Depot-Präparate (z.B. Aripiprazol in Depot-Formulierung) erwartet werden.

Einfluss von Atypika auf PANSS, EPS und Sedierung

Führt man sich vor Augen, dass der Score auf der Negativ-Symptom-Subskala der PANSS mit Defiziten des mimischen Freudeausdrucks und im Erkennen von Freude in Gesichtsausdrücken sowie mit Anhedonie korreliert und dass der Score auf der Positiv-Symptom-Subskala der PANSS mit einer gesteigerten Aktivierung des M. levator labii sup. als Aggressionskomponente oder Zeichen mimischer Desintegration korreliert (Abb. 2), kann man vermuten, dass die bei schizophrenen Patienten beeinträchtigte emotionale Kompetenz durch eben solche Psychopharmaka verbessert wird, die eine substanzielle Wirkung auf die Positiv- und Negativsymptomatik entfalten. Lediglich indirekte Hinweise gibt es auf einen negativen Einfluss von extrapyramidal-motorischen Störungen und Sedierung insbesondere auf den Emotionsausdruck.

Abb. 2. Korrelationen (rot) und vermutete Zusammenhänge (schwarz) zwischen den Scores auf den Negativ- und Positiv-Symptom-Subskalen der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS), extrapyramidal-motorischen Störungen (EPS) und Sedierung einerseits und Aspekten der emotionalen Kompetenz andererseits

Überschaut man den Einfluss von Neuroleptika auf die Positiv- und Negativ-Symptom-Scores der PANSS sowie extrapyramidal-motorische Störungen und Sedierung, lässt sich Folgendes feststellen: Hinsichtlich ihrer Wirkung auf die PANSS-Positiv-Smptomatik zeigen sich die unterschiedlichen Atypika und Typika nach aktueller Datenlage weitgehend gleich als sehr gut wirksam. In Metaanalysen konnten zwar geringgradige Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen herausgearbeitet werden, aber die Relevanz dieser Unterschiede für die emotionale Kompetenz bleibt bisher völlig unklar.

Bezüglich der Wirkung auf die PANSS-Negativ-Symptomatik finden sich deutlichere Hinweise auf eine überlegene Wirkung von Atypika gegenüber den Typika, wobei selbst diese Hypothese noch nicht abschließend wissenschaftlich bewiesen ist. Unterschiede zwischen den einzelnen Atypika hinsichtlich ihrer Wirkung auf die PANSS-Negativ-Symptomatik konnten bis dato ebenfalls nicht sicher nachgewiesen werden. Allerdings gibt es wiederholt Hinweise, dass Clozapin eine besonders ausgeprägte Wirkung auf die Negativ-Symptomatik zu haben scheint [21, 23].

Das Auftreten extrapyramidal-motorischer Störungen wirkt sich vermutlich auf die Motorik der Gesichtsmuskeln aus: Schon subtilste EPS könnten daher zu Defiziten im Emotionsausdruck führen. Bezüglich der EPS unterscheiden sich Atypika bekanntermaßen deutlich von Typika [20, 21, 23]. Auch Atypika untereinander unterscheiden sich in Bezug auf EPS, und sie unterscheiden sich in ihren sedierenden Wirkungen [23]. Da aber über die Auswirkungen von EPS und Sedierung auf Komponenten der emotionalen Kompetenz bis dato nur spekuliert werden kann, soll auf die diesbezüglichen Unterschiede zwischen den einzelnen Atypika an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

Benzodiazepine

Zwei Studien aus den Jahren 1999 und 2003 [7, 46] beschäftigten sich mit der Wirkung von Diazepam auf die Emotionserkennung in Gesichtsausdrücken bei gesunden Probanden. Diese Studien fokussierten in ihrer Hypothese auf das Erkennen von Ärgerausdruck, da in einer älteren Studie von 1987 [4] gezeigt wurde, dass Alkohol – möglicherweise über sedierende Eigenschaften – zu einer Verminderung der Identifizierungsfähigkeit von Ärger in Gesichtsausdrücken führt.

Zu einem analogen Resultat, also einer verminderten Fähigkeit, Ärger im Gesichtsausdruck zu identifizieren, kamen Lawrence et al. [24] in einer Untersuchung mit dem spezifischen Dopamin-D2-Rezeptorantagonisten Sulpirid.

Blair et al. zeigten 1999 in einer kleinen Doppelblindstudie mit 32 gesunden Probanden, dass unter einer Gabe von 15 mg Diazepam im Vergleich zu Plazebo spezifisch die Erkennungsfähigkeit für Ärger im Gesichtsausdruck vermindert wurde. Hierbei war die Emotionserkennungsfähigkeit für Trauer, Freude, Ekel, Angst und Überraschung unbeeinträchtigt [46].

Coupland et al. konnten in einer Replikationsstudie [7], in der sie wie Blair et al. die fortgeschrittene Methode der „Morphed Faces“ einsetzten, keinen selektiven Effekt mehr nachweisen, sondern fanden, dass gesunde Probanden unter 15 mg Diazepam eine global verminderte Fähigkeit zur Emotionserkennung in Gesichtern aufwiesen.

Wenn man davon ausgeht, dass Diazepam eine Verminderung der Ärgererkennung bewirkt, kann man die Hypothese ableiten, dass Diazepam eine positive Wirkung auf die emotionale Kompetenz bei Borderline- und eventuell auch Angst-Patienten haben könnte, da bei beiden Erkrankungen ein Bias in Richtung Ärger als nachgewiesen gelten kann.

Antidepressiva

Die Datenlage zur Wirkung von Antidepressiva auf die emotionale Kompetenz ist zwar nicht sehr groß, aber sehr konsistent.

Antidepressiva bei Gesunden

Die Wirkung von Antidepressiva auf die Emotionserkennung bei gesunden Probanden wurde in zwei wegweisenden Studien von Murphy et al. [31] und Harmer et al. [16] untersucht.

In der Studie von Murphy et al. [31] erhielten 26 gesunde Probanden randomisiert entweder Plazebo oder eine Einmaldosis von 20 mg Citalopram. Drei Stunden nach der Einnahme der Medikation wurde die Emotionserkennungsfähigkeit und die Hirnfunktion mittels funktionellem MRT untersucht. Die Probanden der Citalopram-Gruppe gaben drei Stunden nach der Einnahme keinerlei Veränderung ihres subjektiven Befindens an, auch die Emotionserkennung zeigte sich unbeeinträchtigt. Im MRT konnte aber ein akuter Effekt von Citalopram auf emotionsrelevante Hirnareale nachgewiesen werden: Die Einmalgabe von 20 mg Citalopram führte nach drei Stunden im Vergleich zur Plazebo-Gruppe zu einer signifikant reduzierten Amygdala-Response in Bezug auf Angstgesichter. Dieser Effekt zeigt sich nicht in Bezug auf Freude und neutrale Gesichter.

Harmer et al. führten 2004 eine Studie durch, in der sie bei gesunden Probanden nach einer einwöchigen Gabe von Citalopram (20 mg/Tag), Reboxetin (8 mg/Tag) oder Plazebo die Emotionserkennung in Gesichtern untersuchten. Insgesamt bestätigte sich hierbei die Hypothese, dass Antidepressiva die Erkennung von negativen Emotionen vermindern und die Erkennung von positiven Emotionen steigern. Allerdings zeigten sich relevante Unterschiede zwischen Citalopram und Reboxetin: Reboxetin verminderte unter den vier negativen Emotionen Ärger, Ekel, Angst und Trauer nur die Emotionserkennungsfähigkeit für Angst und Ärger, wohingegen Citalopram die Angst- und Ekelerkennung verminderte. In Bezug auf neutrale Gesichtsausdrücke zeigte sich kein Unterschied zwischen Citalopram, Reboxetin und Plazebo. In Bezug auf positive Gesichtsausdrücke zeigte sich bei Citalopram und Reboxetin gleichermaßen eine deutliche tendenzielle, aber noch nicht signifikante Verbesserung der Emotionserkennung für Freude gegenüber Plazebo. Citalopram führte darüber hinaus zu einer signifikanten Steigerung der Emotionserkennung für positive Überraschung.

Da bekannt ist, dass depressive Patienten ein Emotionserkennungsdefizit bezüglich Freude und Trauer bei gleichzeitigem Bias in Richtung Trauer aufweisen, während Angst-Patienten einen Bias in Richtung Ärger zeigen, lassen sich die Hypothesen aufstellen, dass Citalopram und Reboxetin durch ihre tendenziell steigernde Wirkung auf die Freudeerkennung gleichermaßen einen positiven Effekt auf die emotionale Kompetenz von depressiven Patienten haben könnten und dass Reboxetin (im Gegensatz zu Citalopram) durch seine mindernde Wirkung auf Ärgergesichter einen positiven Effekt auf die emotionale Kompetenz bei Angst-Patienten haben müsste (Abb. 3).

Abb. 3. Beeinflussung der Emotionserkennung durch Arzneimittel bei Gesunden und Veränderungen in der Emotionserkennung bei verschiedenen psychischen Erkrankungen (gestrichelt: tendenzielle, nicht signifikante Wirkung)

Die mindernde Wirkung von Reboxetin auf die Ärgererkennung könnte sich ferner positiv auf die emotionale Kompetenz von Borderline-Patienten und von Patienten mit Anorexia nervosa auswirken, da bei diesen Erkrankungen (wie bei Angsterkrankungen) ein Bias in Richtung Ärger als krankheitstypisches Merkmal unter den Aspekten emotionaler Kompetenz bekannt ist. Weiterhin kann man die Hypothese ableiten, dass sowohl Citalopram als auch Reboxetin eine positive Wirkung auf die emotionale Kompetenz von Bipolar-II-Patienten haben könnten, da beide Wirkstoffe in der Lage sind, die bei Bipolar-II-Patienten gesteigerte Angsterkennung in Gesichtsausdrücken zu mildern (Abb. 3).

Zu bedenken gilt es allerdings, dass Citalopram und Reboxetin bei schizophrenen Patienten und Bipolar-I-Patienten durch ihre stark mindernde Wirkung auf die Angsterkennung eine unerwünschte Wirkung auf die emotionale Kompetenz dieser Patienten entfalten könnten, da bei ihnen die Angsterkennung krankheitstypisch bereits deutlich reduziert ist (Abb. 3).

Antidepressiva bei Depressiven

Studien zur Wirkung von Antidepressiva auf die emotionale Kompetenz bei depressiven Patienten sind nur unzureichend vorhanden.

Entgegen den Erwartungen fanden Bhagwagar et al. [3] bei unmedizierten gesunden Individuen mit einer vergangenen depressiven Episode ein Erkennungsdefizit für Angst. Dieses Erkennungsdefizit verbesserte sich unter einer Einmalgabe von 10 mg Citalopram.

Anderson et al. [1] wiesen in einer Bildgebungsstudie nach, dass die Gabe von 7,5 mg Citalopram bei depressiven Individuen die Aktivierung des linken anterioren Cingulus unter Freudegesichtern sowie der rechten posterioren Insula und des rechten lateralen orbitofrontalen Cortex unter Trauergesichtern im Vergleich zu gesunden Probanden verstärkte. Darüber hinaus führte Citalopram in dieser Studie bei den depressiven Patienten zu einer verminderten Aktivität der Amygdala unter Angstgesichtern.

Fazit und Diskussion

In den letzten 10 bis 20 Jahren wurde eine beachtenswerte Menge an Studien zur Wirkung von Psychopharmaka auf die emotionale Kompetenz sowohl von Gesunden als auch von psychisch erkrankten Menschen publiziert, sodass wir mittlerweile einen guten Überblick über die möglichen Einflüsse von Psychopharmaka auf die emotionale Kompetenz haben (Tab. 1). Zukünftige Studien können daher durch Auswahl geeigneter Designs noch zielführender gestaltet werden, sodass wir in den kommenden Jahren einen weiteren Erkenntnisgewinn zu dieser Thematik erwarten können.

Tab. 1. Übersicht über die wichtigsten Studien zum Einfluss von Psychopharmaka auf Aspekte der emotionalen Kompetenz

Paradigma

Studie

Resultat

Neuroleptika

Typika

Emotionsausdruck

Schneider et al. 1992 [35]

Schizophrene Patienten: Verschlechterung der mimischen Aktivität über 3 Wochen unter Typika

Olanzapin

Emotionsausdruck unter Freude induzierenden Bildern

Wolf et al. 2005 [42]

Schizophrene Patienten: Keine signifikante Veränderung der Aktivität freuderelevanter Muskulatur über 2 Wochen unter Olanzapin

Olanzapin

Emotionsausdruck unter Trauer induzierenden Bildern

Wolf et al. 2012 [45]

Schizophrene Patienten: Verminderung der Reagibilität trauerrelevanter und angstrelevanter mimischer Muskulatur über 2 Wochen unter Olanzapin

Risperidon

Emotionsausdruck unter Freude induzierenden Bildern

Wolf et al. 2005 [42]

Schizophrene Patienten: Keine signifikante Veränderung der Aktivität freuderelevanter Muskulatur über 2 Wochen unter Risperidon

Risperidon

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral

Behere et al. 2009 [2]

Schizophrene Patienten: Verbesserung der Emotionserkennungsfähigkeit für Ekel nach im Schnitt 38 Tagen Behandlung mit Risperidon

Quetiapin

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral

Cabral-Calderin et al. 2010 [6]

Schizophrene Patienten: Verbesserung der Emotionserkennungsfähigkeit für Überraschung und Ärger unter Behandlung mit Quetiapin

Sulpirid

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral

Lawrence et al. 2002 [24]

Schizophrene Patienten: Verminderung der Emotionserkennungsfähigkeit für Ärger unter Sulpirid

Benzodiazepine

Diazepam

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral unter Verwendung von „Morphed Faces“

Blair 1999 [46]

Gesunde Probanden: Verminderung der Emotionserkennungsfähigkeit für Ärger

Diazepam

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral unter Verwendung von „Morphed Faces“

Coupland et al. 2003 [7]

Gesunde Probanden: Globale Verminderung der Emotionserkennungsfähigkeit

Antidepressiva

Citalopram

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral

Murphy et al. 2009 [31]

Gesunde Probanden: 3 Stunden nach Einmalgabe von 20 mg Citalopram zeigte sich keine Veränderung der Emotionserkennungsfähigkeit, aber eine signifikant verminderte Amygdala-Response auf Angstgesichter

Citalopram

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral

Harmer et al. 2004 [16]

Gesunde Probanden: 20 mg Citalopram/Tag über eine Woche führte zu einer Verminderung der Emotionserkennung für Angst und Ekel, zu einer signifikanten Steigerung der Emotionserkennung für positive Überraschung und zu einer tendenziellen Steigerung der Emotionserkennung für Freude

Citalopram

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral

Bhagwagar 2004 [3]

Depressive Patienten: Die Einmalgabe von 10 mg Citalopram führte zu einer Verbesserung der Emotionserkennung für Angst

Reboxetin

Emotionserkennung zu Freude, Trauer, Angst, Ärger, Überraschung, Ekel, neutral

Harmer et al. 2004 [16]

Gesunde Probanden: 8 mg Citalopram/Tag über eine Woche führte zu einer Verminderung der Emotionserkennung für Angst und Ärger sowie zu einer tendenziellen Steigerung der Emotionserkennung für Freude

Zusammenfassend ist zu benennen, dass typische Neuroleptika den bereits krankheitsbedingt eingeschränkten mimischen Emotionsausdruck noch weiter verschlechtern und die defizitäre Emotionserkennungsfähigkeit nicht verbessern.

Die atypischen Neuroleptika Olanzapin und Risperidon scheinen hingegen zu keiner weiteren Verschlechterung des mimischen Freudeausdrucks zu führen. Allerdings scheint Olanzapin den im unmedizierten Zustand unbeeinträchtigten Trauerausdruck zu vermindern, wobei gleichzeitig eine erwünschte anxiolytische Wirkung auf angstrelevante Muskulatur zu beobachten ist. In Bezug auf die Emotionserkennung finden sich Hinweise, dass atypische Neuroleptika zwar zu einer Verbesserung der Emotionserkennungsfähigkeit für Ekel (Risperidon) sowie Überraschung und Ärger (Quetiapin) führen, dass aber das bei schizophrenen Patienten besonders ausgeprägte Defizit im Erkennen von Angst unbeeinflusst bleibt. Eine möglicherweise gesteigerte positive Wirkung von Depot-Neuroleptika (Risperidon) auf die emotionale Kompetenz harrt einer genaueren Untersuchung.

Diazepam führte bei Gesunden zu einer Verminderung des Ärgererkennens in Gesichtsausdrücken. Diese Wirkung könnte möglicherweise Patienten mit Borderline-Störung, Angst oder Anorexia nervosa zugute kommen, während die verminderte Fähigkeit von schizophrenen Patienten, Ärger in Gesichtern zu erkennen, durch Diazepam noch weiter verschlechtert werden könnte (Abb. 3). Von den Wirkungen von Reboxetin (Minderung der Ärger- und Angstidentifizierung, Steigerung des Freudeerkennens) könnten Patienten mit Anorexie, Borderline-Störung, Angst, Depression oder Bipolar-II-Erkrankung in Bezug auf ihre emotionale Kompetenz profitieren. Bei schizophrenen und Bipolar-I-Patienten könnte Reboxetin dagegen möglicherweise eine Verschlechterung der emotionalen Kompetenz bewirken. In ähnlicher Weise könnte Citalopram bei Patienten mit Depressionen oder Bipolar-II-Erkrankung eine Besserung der emotionalen Kompetenz bewirken, während es bei Patienten mit Schizophrenie oder Bipolar-I-Erkrankung eine Verschlechterung der emotionalen Kompetenz verursachen könnte. Diese Hypothesen harren allerdings allesamt noch eines abschließenden empirischen Nachweises.

Einschränkend muss betont werden, dass die Gesamtaussagekraft der vorgestellten Daten noch limitiert ist, da die Fallzahlen teilweise noch bedenklich klein waren, teilweise Unschärfen in der Kontrolle von Störfaktoren festzustellen sind und vielfach die Replikation der zunächst doch sehr beeindruckenden Daten noch aussteht.

Besondere Schwierigkeiten bereitet in Einzelfällen auch die Interpretation der Daten: Dies wird beispielsweise sehr deutlich an den unterschiedlichen Wirkungsmustern von Risperidon und Quetiapin auf die Emotionserkennung. Hier wäre es von großem Vorteil, eine einheitlichere und empirisch gesichertere Gefühlstheorie im Hintergrund zu haben, die die Emotionsforschung bis dato aber noch nicht überzeugend zu liefern vermochte. Eine fundierte Theorie der Emotionsdynamik unter Einbezug der Schnittstelle des menschlichen Individuums zu seiner Umwelt fehlt insbesondere für die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf den konkreten Emotions- und Lebensvollzug eines Menschen.

Ich hoffe aber, mit dieser Übersicht einerseits eine Anregung für weitere Studien geliefert zu haben und andererseits für den Kliniker zusätzliche Hinweise zur differenziellen Verwendung von Psychopharmaka geboten zu haben.

Interessenkonflikte

KW erhielt Vortragshonorare und war Mitglied in Advisory Boards von Astra-Zeneca, Pfizer, Janssen und Servier.

Literatur

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Influence of psychotropic drugs on emotional competence – an overview

The knowledge of psychotropic drugs due to their differentiated influence on emotional competence is helpful for practitioners in prescribing drugs in a personalized way. Different psychotropic drugs have different effects on different aspects of emotional competence. They are not simply good or bad, but – according to the disease of the patient – more favourable or more unfavourable. The present article describes the different effects of psychotropic drugs on emotional competence in comparison to the different alterations in emotional competence in several psychiatric diseases.

Key words: Psychotropic drugs, emotional competence, benzodiazepines, antidepressants, antipsychotics

Psychopharmakotherapie 2012; 19(06)