Schizophrenie

Aripiprazol-Depot verzögert die Verschlechterung psychotischer Symptome


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Patienten mit einer chronischen Schizophrenie erhielten nach Stabilisierung unter einer oralen Therapie mit Aripiprazol doppelblind eine intramuskuläre Depotformulierung von Aripiprazol oder Plazebo im Abstand von jeweils vier Wochen über maximal 52 Wochen. Primäres Studienziel war die Untersuchung der Zeit bis zu einer Verschlechterung der Symptome der Erkrankung oder einem Rückfall. Einer der sekundären Endpunkte war der Anteil der Patienten, die eine Verschlechterung oder einen Rückfall erlitten. Unter dem Aripiprazol-Depot war die Zeit bis zu einer Verschlechterung oder einem Rückfall im Vergleich zu Plazebo signifikant verzögert (p<0,0001) und der Anteil der Patienten ohne Verschlechterung oder Rückfall signifikant geringer (10% vs. 39,6%; p<0,0001). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse unter dem Aripiprazol-Depot waren Insomnie, Tremor und Kopfschmerz.

Schizophrenie nimmt in den meisten Fällen einen chronischen bzw. rezidivierenden Verlauf, der eine Langzeitbehandlung mit einem Antipsychotikum erfordert. Der Erfolg einer Behandlung hängt wesentlich von der Therapietreue des Patienten ab. Bei der Einnahme von Antipsychotika ist die Compliance-Rate bekanntlich eher niedrig, was ein wesentliches Risiko für einen Rückfall oder eine Krankenhauseinweisung darstellt. Intramuskuläre Depotformulierungen von Antipsychotika können die medikamentöse Versorgung von Schizophrenie-Patienten erheblich verbessern, da sie über einen langen Zeitraum wirksam sind und den Patienten von der Notwendigkeit einer täglichen Einnahme entbinden.

In der vorliegenden Studie wurde die Langzeitwirksamkeit und Verträglichkeit einer intramuskulär injizierbaren Darreichungsform von Aripiprazol untersucht. Aripiprazol ist ein partieller Agonist an dopaminergen D2/D3- und serotonergen 5-HT1A-Rezeptoren sowie ein Antagonist an 5-HT2A-Rezeptoren. Die Langzeitwirksamkeit und Verträglichkeit der oralen Formulierung legten nahe, dass Aripiprazol auch als Suspension zur intramuskulären Injektion als Erhaltungstherapie geeignet sein könnte. In vorangegangenen Studien hat sich gezeigt, dass eine intramuskuläre Injektion über die Dauer von mehr als einem Monat zu konstanten Blutspiegeln führt, die vergleichbar sind mit denen, die nach Einnahme der oralen Darreichungsform erreicht werden. Die Studie wurde von Juli 2008 bis Februar 2011 in 108 Studienzentren in verschiedenen Ländern Nord- und Südamerikas, Europas und Asiens durchgeführt.

Studiendesign

Patienten. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 18 bis 60 Jahren mit der Diagnose einer Schizophrenie nach DSM-IV-TR seit wenigsten drei Jahren, von denen bekannt war, dass bei Nichtbehandlung eine Verschlechterung der Symptome oder ein Rückfall auftreten. Ausschlusskriterien waren klinisch relevante Begleiterkrankungen, klinisch relevant abweichende Laborwerte, abnormales EKG und bekannte Non-Response gegenüber einer antipsychotischen Behandlung.

Studienablauf. Die Studie bestand aus einer Screeningphase (2–42 Tage), in der die Eignung der Patienten überprüft wurde, und vier Behandlungsphasen. In der Konversionsphase (Phase 1, 4–6 Wochen) erhielten Patienten, die noch kein Aripiprazol eingenommen hatten, 5 mg/Tag Aripiprazol oral. Die Dosis wurde schrittweise auf 10 bis 30 mg/Tag gesteigert, während das bisher genommene Antipsychotikum ausschleichend abgesetzt wurde. In der oralen Stabilisierungsphase (Phase 2, 4–12 Wochen) wurden die Patienten unter einer Dosis von 10 bis 30 mg/Tag Aripiprazol stabilisiert. Stabilität war erreicht, wenn während einer durchgehenden Periode von vier Wochen folgende Kriterien erfüllt waren:

  • Status als ambulanter Patient
  • Score 80 auf der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)
  • Fehlen bestimmter psychotischer Symptome auf der PANSS (Score von jeweils 4): formale Denkstörung, ungewöhnliche Denkinhalte, Misstrauen/Verfolgungswahn sowie Halluzinationen
  • Score 4 (mäßig krank) im klinischen Gesamteindruck, Teil Schweregrad (Clinical global impression – severity [CGI-S])
  • Scores im klinischen Gesamteindruck des Schweregrads der Suizidalität (CGI-SS) 2 im Teil 1 (wenig suizidal) und 5 im Teil 2 (geringfügig verschlechtert)

Patienten, die alle diese Kriterien erfüllten, erhielten in der IM-Stabilisierungsphase (Phase 3, 12–36 Wochen) einfachblind alle vier Wochen 400 mg Aripiprazol intramuskulär (Aripiprazol-IM-Depot; n=576). Die Gabe von oralem Aripiprazol wurde für zwei Wochen fortgesetzt. Während der IM-Depot-Stabilisierungsphase konnte die Aripiprazol-Dosis aus Gründen der Verträglichkeit auf 300 mg gesenkt werden. Patienten, die die oben genannten Stabilitätskriterien in dieser Phase durchgehend über 12 Wochen erfüllten, bekamen als Erhaltungstherapie (Phase 4, bis zu 52 Wochen) doppelblind entweder weiterhin das Aripiprazol-IM-Depot (300 oder 400 mg; n=269) oder ein Plazebo (Plazebo-IM-Depot; n=134). Die Depots wurden alle vier Wochen durch eine Injektion in die Glutealmuskulatur erneuert.

Beurteilungsparameter. Der primäre Parameter war die Zeit bis zu einer Verschlimmerung der psychotischen Symptome oder einem drohenden Rückfall. Definitionsgemäß musste hierfür mindestens eines dieser Kriterien erfüllt sein:

  • Score von 5 (geringfügig schlechter und mehr) im klinischen Gesamteindruck, Teil Zustandsänderung (CGI-I)
  • Verschlechterung eines der oben genannten Symptome auf der PANSS
  • Krankenhauseinweisung wegen verstärkter psychotischer Symptome
  • Erhöhte Suizidalität oder Gewaltbereitschaft

Der wichtigste sekundäre Beurteilungsparameter war der Anteil der Patienten mit einem drohenden Rückfall in Phase 4.

Verträglichkeit. Die Sicherheit wurde unter anderem durch die Erfassung der unerwünschten Ereignisse, die Untersuchung der Laborparameter (einschließlich der Prolactinwerte), der Vitalparameter und des EKG überprüft. Extrapyramidal-motorische Störungen (EPS) wurden mithilfe der Abnormal Involuntary Movement Scale (AIMS), der Simpson Angus Scale (SAS) und der Barnes Akathisia Rating Scale beurteilt.

Interimsanalyse. Nach etwa 50% und 75% möglicher Rückfälle waren Interimsanalysen vorgesehen. Ein unabhängiges Komitee hatte die Möglichkeit, die Studie aus ethischen Gründen abzubrechen. Tatsächlich wurde die Studie aufgrund der ersten Interimsanalyse nach 64 primären Endpunktereignissen beendet. Zum Zeitpunkt der hier vorgestellten Abschlussanalyse waren 80 drohende Rückfälle eingetreten.

Ergebnisse

Von den Patienten, die mit dem Aripiprazol-Depot behandelt wurden, erhielten 33,7% (n=194) wenigstens 7 Injektionen (6 Monate), 8,9% (n=51) erhielten wenigstens 13 Injektionen (12 Monate). Von den in Phase 4 randomisierten Patienten mit einem Aripiprazol-Depot begannen 96,3% mit einer Dosis von 400 mg und behielten diese Dosis auch bei.

Wirksamkeit. Die Zeit bis zu einer Verschlimmerung oder einem drohenden Rückfall war unter dem Aripiprazol-IM-Depot im Vergleich zu Plazebo signifikant verzögert (p<0,0001; Abb. 1). Dementsprechend war zum Zeitpunkt der Abschlussanalyse der Anteil der Patienten mit einer Verschlimmerung oder einem Rückfall unter dem Aripiprazol-Depot signifikant geringer als unter Plazebo (10 vs. 39,6% [27/269 vs. 53/134]; p<0,0001). Die Gründe für die Einstufung als Verschlimmerung/drohender Rückfall waren wie folgt verteilt (Aripiprazol-IM-Depot vs. Plazebo):

  • Klinische Verschlechterung nach CGI-I/PANSS (74,1 vs. 86,8%)
  • Krankenhauseinweisung (25,9 vs. 9,4%)
  • Erhöhtes Suizidrisiko (3,7 vs. 1,9%)
  • Gewalttätiges Verhalten (3,7 vs. 7,5%)

Abb. 1. Zeit von der Randomisierung bis zu einer Verschlimmerung oder einem drohenden Rückfall während der doppelblinden Behandlung (primärer Endpunkt; Kaplan-Meier-Analyse) [Kane et al.]

Verträglichkeit. Wegen unerwünschter Ereignisse beendeten während der oralen Gabe 3% und während der IM-Stabilisierungsphase 4,9% der Aripiprazol-Patienten die Studie vorzeitig. In der doppelblinden Phase brachen 7,1% der Aripiprazol- und 13,4% der Plazebo-Patienten die Studie ab. Ein unerwünschtes Ereignis während der Depot-Phasen (Phasen 3 und 4) berichteten 63,2% der Aripiprazol- und 61,9% der Plazebo-Patienten.

Die häufigsten unerwünschten Ereignisse unter Aripiprazol (5% der Patienten mit einem Depot und häufiger als unter Plazebo) waren Insomnie (10%), Kopfschmerz (5,9%) und Tremor (5,9%). Ernsthafte unerwünschte Ereignisse (meist psychotische Störungen und Schizophrenie) gab es unter Aripiprazol in der IM-Stabilisierungshase bei 4,3% und in der Doppelblindphase bei 4,1% der Patienten (Plazebo: 6,7%). EPS traten bei 14,9% der Aripiprazol-Depot- und 9,7% der Plazebo-Patienten auf.

Die Änderungen des Körpergewichts unter Aripiprazol waren im Mittel gering (orale Phase: +0,1 kg; IM-Stabilisierungsphase: –0,2 kg, Doppelblindphase –0,2 kg). Der mittlere Anstieg des Prolactinspiegels war unter Aripiprazol geringer als unter Plazebo (+1,9 vs. +7,1%).

Die Autoren heben die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Aripiprazol-IM-Depot im Vergleich zu Plazebo und das unterschiedliche Nutzen-Risiko-Profil gegenüber anderen Behandlungsoptionen hervor.

Kommentar

Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die untersuchte Depot-Formulierung von Aripiprazol für die Erhaltungstherapie, insbesondere wegen der relativ guten Verträglichkeit, eine Option sein kann.

Bei der Beurteilung der Wirksamkeit ist allerdings zu bedenken, dass die vorliegenden Ergebnisse mit ausgesuchten Patienten (nur mit Respondern) erzielt wurden – eine bei Erhaltungsstudien übliche Vorgehensweise. Mehr Aufschlüsse würden Vergleichsstudien mit aktiven Substanzen als Depot oder auch in oraler Darreichungsform geben.

Quelle

Kane JM, et al. Aripiprazol intramuscular depot as maintenance treatment in patients with schizophrenia: A 52-week, multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled study. J Clin Psychiatry 2012;73:617–24.

Psychopharmakotherapie 2012; 19(06)