Chronische Migräne

Medikamentöse Kombinationstherapie in der Migräneprophylaxe nicht besser als Monotherapie


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Patienten mit chronischer Migräne, bei denen sich unter Topiramat keine ausreichende klinische Besserung zeigte, haben keinen Vorteil von einer zusätzlichen Therapie mit Propranolol.

Es gibt eine Reihe von Wirkstoffen, die für die Prophylaxe der episodischen Migräne gut untersucht sind und hierfür auch eingesetzt werden. Dazu gehören Betablocker und einige Antiepileptika. Für die chronische Migräne (>15 Kopfschmerztage/Monat) wurde der Beweis einer Wirksamkeit bisher nur für Botulinumtoxin und Topiramat erbracht.

In vielen Bereich der Neurologie, etwa bei Morbus Parkinson oder Epilepsie, ist es üblich, Wirkstoffe mit verschiedenen Wirkungsmechanismen zu kombinieren. Die Frage, ob eine Kombinationstherapie einer Monotherapie in der Prophylaxe der chronischen Migräne überlegen ist, wurde bis vor Kurzem noch nicht in einer gut geplanten prospektiven Studie untersucht. Vor wenigen Wochen wurde jedoch eine doppelblinde Plazebo-kontrollierte, randomisierte Studie veröffentlicht, die vom US-amerikanischen National Institute of Neurological Disorders und von der Stroke Clinical Research Collaboration finanziert wurde.

Alle Teilnehmer litten unter chronischer Migräne und wurden zunächst mit Topiramat behandelt. Für eine weitere Studienteilnahme kamen nur die Patienten infrage, die eine Tagesdosis von mindestens 50 mg Topiramat vertrugen und immer noch an 10 oder mehr Tagen pro Monat Kopfschmerzen hatten. Sie wurden auf eine Behandlung mit retardiertem Propranolol oder Plazebo, jeweils zusätzlich zu Topiramat, randomisiert. Die angestrebte Maximaldosis von Propranolol war 240 mg/Tag. Primärer Endpunkt war die Veränderung der Zahl der Tage mit schweren oder mittelschweren Kopfschmerzen innerhalb eines Zeitraums von 28 Tagen nach sechs Monaten gegenüber dem Ausgangswert. Untersuchungen fanden nach einem, drei und sechs Monaten statt.

In die Studie sollten ursprünglich 250 Patienten eingeschlossen und randomisiert werden. Die Studie wurde allerdings nach einer vorgeplanten Interimsanalyse vom Sicherheitskomitee abgebrochen, da es sehr unwahrscheinlich war, dass sich mit einer höheren Teilnehmerzahl noch ein positives Studienergebnis ergibt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren 171 Patienten in 48 Zentren in den Vereinigten Staaten randomisiert. 52 Teilnehmer der Monotherapiegruppe und 64 Teilnehmer der Kombinationstherapiegruppe hatten die Visite nach sechs Monaten absolviert. Die Patienten, die überwiegend weiblich waren, waren durchschnittlich 40 Jahre alt und litten an durchschnittlich 18 Tagen pro Monat an Kopfschmerzen.

In der Gruppe, die Topiramat plus Propranolol erhielt, hatte die Zahl der Kopfschmerztage innerhalb eines Zeitraums von 28 Tagen nach drei Monaten um 4 und nach sechs Monaten um 6,2 Tage abgenommen. In der Gruppe, die mit Topiramat und Plazebo behandelt wurde, betrugen die entsprechenden Differenzen 3,2 und 6,1 Tage. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. Auch bei allen anderen Zielparametern, einschließlich der Lebensqualität, ergab die Studie keinen Unterschied zwischen Verum und Plazebo.

In der Gruppe von Patienten, die Topiramat und Propranolol erhielten, waren Nebenwirkungen, insbesondere unsystematischer Schwindel, signifikant häufiger als bei denen, die nur mit Topiramat behandelt wurden.

Kommentar

Diese Studie ist extrem wichtig, da sie eine der ersten ist, in denen systematisch eine medikamentöse Kombinationstherapie zur Prophylaxe bei Patienten mit chronischer Migräne untersucht wurde.

Einschränkend muss allerdings bemerkt werden, dass in diese Studie nicht Patienten mit episodischer, sondern mit chronischer Migräne eingeschlossen wurden. Außerdem wurden nur Patienten aufgenommen, bei denen die Häufigkeit der Kopfschmerzen unter Topiramat nicht ausreichend gesenkt werden konnte. Unbekannt ist, ob das Ergebnis beim Vergleich einer primären Kombinationstherapie mit einer Monotherapie anders ausgefallen wäre.

Die Studie ist aber ein gutes Argument für die Empfehlung, zur Migräneprophylaxe in erster Linie medikamentöse Monotherapien einzusetzen.

Quelle

Silberstein SD, et al. Randomized, placebo-controlled trial of propranolol added to topiramate in chronic migraine. Neurology 2012;78:976–84.

Psychopharmakotherapie 2012; 19(03)