Konzentrationsabhängige QT-Zeit-Verlängerung bei Citalopram-Intoxikation und Einflussgrößen auf die Citalopram-Konzentration im klinischen Alltag


Fallbericht und Ergebnisse eines therapeutischen Drug-Monitorings (TDM) unter naturalistischen Bedingungen

Stefan Unterecker, Bodo Warrings, Jürgen Deckert und Bruno Pfuhlmann, Würzburg

Einführung: Citalopram (CIT) ist als selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) ein weit verbreitetes Antidepressivum. Im Vergleich zu klassischen Antidepressiva wie Trizyklika gilt es als sicherer bei therapeutischen Dosen, insbesondere aber auch bei Überdosierung. In letzter Zeit wurden jedoch auch EKG-Veränderungen bei hochdosiertem CIT beschrieben Patienten und Methoden: Wir berichten über den Fall einer 46-jährigen Patientin, die in suizidaler Absicht 1400 mg CIT einnahm. Innerhalb der ersten 23 stationären Behandlungstage wurde an acht Tagen eine EKG-Untersuchung und an elf Tagen eine Messung des Serumspiegels von CIT durchgeführt. Eine parallele Bestimmung von Serumspiegel und QTc-Intervall erfolgte zu sechs verschiedenen Messzeitpunkten, für die eine Korrelationsanalyse durchgeführt wurde. Darüber hinaus wurden retrospektiv 163 TDM-Analysen von CIT während eines 3-Jahresintervalls von 2008 bis 2010 in einer unselektierten Stichprobe von Patienten in einem klinischen Standardsetting untersucht, um mehr Informationen über den Zusammenhang zwischen Dosis und Serumspiegel von CIT sowie über den Einfluss von Geschlecht und Alter auf die dosiskorrigierten Serumkonzentrationen zu gewinnen.
Ergebnisse: Im Fall der Intoxikation korrelierte das QTc-Intervall im EKG signifikant mit dem Serumspiegel von CIT (r=0,943; p<0,005). Auch zwölf Tage nach der Ingestion lag der Serumspiegel noch über der oberen Schwelle des therapeutischen Bereichs (110 ng/ml). Das QTc-Intervall war erst am sechsten Tag zum ersten Mal unter 500 ms. Die retrospektive Auswertung der TDM-Analysen von CIT bei 163 Patienten zeigte eine signifikante Korrelation der Dosis von CIT mit den Serumspiegeln (r=0,484; p<0,000), wobei eine große Spannweite der Serumspiegel auf jeder Dosisstufe vorlag. Sowohl Alter als auch Geschlecht hatten einen signifikanten Einfluss auf den Serumspiegel von CIT, wobei Frauen über 60 Jahre den höchsten und Männer bis 60 Jahre den niedrigsten dosiskorrigierten Blutspiegel aufwiesen (ANOVA: p<0,000). Diskussion: Obwohl CIT bezüglich kritischer Nebenwirkungen als sicheres Antidepressivum eingestuft wird, können überhöhte Serumspiegel zu potenziell gefährlichen EKG-Veränderungen führen, deren Ausmaß nach den Beobachtungen des Fallberichts auch mit dem Serumspiegel des Medikaments korreliert. Aufgrund einer großen Spannweite der Serumspiegel auf allen Dosisniveaus und EKG-Veränderungen bei erhöhtem Blutspiegel sind sowohl TDM als auch EKG-Kontrollen auch im üblichen Dosisbereich empfehlenswert.
Schlüsselwörter: Citalopram, Intoxikation, therapeutisches Drug-Monitoring, QT-Intervall
Psychopharmakotherapie 2012;19: 123–8.

Citalopram (CIT) gehört zur Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), die eine weit verbreitete Antidepressiva-Klasse darstellen. Bis zur Entwicklung von Escitalopram war Citalopram der selektivste Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Citalopram hat eine Eliminationshalbwertszeit von etwa 33 Stunden und wird in der Leber bevorzugt über CYP2C19 und nachgeordnet über CYP3A4 und CYP2D6 zu Desmethyl-Citalopram und Didesmethyl-Citalopram verstoffwechselt, deren klinischer Effekt allerdings vernachlässigbar zu sein scheint [2]. Obwohl SSRI bei Intoxikationen im Vergleich zu trizyklischen Antidepressiva oder Monoaminoxidasehemmern grundsätzlich als sicherer gelten [5, 11, 16, 19], stellt Citalopram zusammen mit seinem S-Enantiomer Escitalopram eines der fünf am häufigsten verschriebenen Antidepressiva dar, die in ungefähr 80 % einen positiven Antidepressivum-Befund nach einem Suizid erklären [4].

Elektrokardiographische Auffälligkeiten wie Veränderungen des QRS-Kurvenverlaufs und QT-Zeit-Verlängerungen sind für Patienten mit einer Citalopram-Überdosierung gut bekannt [3, 8, 14, 23, 24] und Fälle tödlicher Citalopram-Intoxikation wurden bereits beschrieben [20]. Andererseits wird angenommen, dass in der Mehrzahl der Fälle einer Citalopram-Überdosierung nicht mit ernsten Komplikationen gerechnet werden muss [9, 16] und dass das häufigste ernste Symptom einer Intoxikation mit Citalopram ein Krampfanfall, also ein nichtkardiales Ereignis ist [7, 30]. Während eine Verlängerung des QT-Intervalls in Abhängigkeit von der eingenommenen Dosis bereits bekannt ist [3, 24] und bereits ein Modell für die Verlängerung der QT-Zeit mit einer linearen Abhängigkeit des herzratenkorrigierten QT-Intervalls vom vorhergesagten Citalopram-Blutspiegel entwickelt wurde [6], wurde eine direkte Korrelation zwischen Serumkonzentration von Citalopram und Verlängerung der QT-Zeit bisher nicht beschrieben. Anhand des vorliegenden Fallberichts einer Citalopram-Intoxikation mit wiederholten Messungen des Blutspiegels von Citalopram und zeitlich parallelen multiplen EKG-Ableitungen über einen Zeitraum von 23 Tagen nach der Einnahme dieses Antidepressivums wurde zum ersten Mal der Zusammenhang zwischen Serumspiegel und Verlängerung des QT-Intervalls an einem Individuum überprüft.

In Anlehnung an Reis et al. [27] sollte darüber hinaus für eine Stichprobe von mit Citalopram behandelten Patienten in einem naturalistischen Setting überprüft werden, inwieweit sich auch unter normalen bis hochnormalen Dosen von Citalopram überhöhte Serumspiegel einstellen und somit möglicherweise ein erhöhtes Risiko für EKG-Veränderungen besteht und welche Alters- und Geschlechtssubgruppen diesbezüglich möglicherweise besonders gefährdet sind.

Patienten und Methoden

Zunächst berichten wir über den Fall einer 46-jährigen Patientin, die unter einer schweren depressiven Episode litt, ohne dass es eine Vorgeschichte für Suizidversuche gab. Sie nahm in suizidaler Absicht 70 Tabletten Citalopram à 20 mg sowie 10 Tabletten Opipramol à 50 mg ein. Etwa 16 Stunden nach Einnahme wurde die Patientin am Universitätsklinikum Würzburg stationär aufgenommen. Sie war mäßiggradig agitiert, jedoch wach und vollständig orientiert. Auffassung, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Konzentrationsvermögen waren leicht reduziert. Abgesehen von einer Ataxie lagen keine neurologischen Herdzeichen oder Ausfallserscheinungen vor. Die Vitalparameter waren im Verlauf stabil mit einem leicht erhöhten Blutdruck von 145/90 mmHg und einer Herzfrequenz von 83/min.

Pathologische Laborparameter ergaben sich bei Aufnahme für Magnesium mit 0,6 mmol/l (Referenzbereich 0,7–1,05 mmol/l), welches sich nach Substitution auf Werte im unteren Normbereich stabilisierte. Insbesondere der Kaliumwert war stets innerhalb des Normbereichs, ebenso die Laborwerte von Natrium, Calcium, Phosphat und Chlorid. Creatinin, glomeruläre Filtrationsrate, Harnstoff, Harnsäure, Cholinesterase, Bilirubin, Alanin-Aminotransferase (ALT, syn. GPT), Glutamatdehydrogenase (GLDH), alkalische Phosphatase, Lactatdehydrogenase, Amylase und Lipase waren ebenfalls innerhalb des Normbereichs. Leicht erhöht waren Gamma-Glutamyltransferase (GGT) mit Werten bis 61 U/l (Tag 2) und Aspartat-Aminotransferase (AST, syn. GOT) mit Werten bis 42 U/l sowie Creatininkinase mit einem Maximalwert von 386 U/l. Darüber hinaus litt die Patientin bei Aufnahme an einer leichten Anämie mit einem Hämoglobinwert von 11,1 g/dl und einer Erythrozytenzahl von 3,51 Millionen pro µl.

Die Patientin wurde für neun Tage auf einer Intensivstation mit Monitor überwacht. Im Rahmen der klinischen Routine wurden mit dem Einverständnis der Patientin über einen Zeitraum von 23 Tagen wiederholt EKG-Ableitungen und Bestimmungen des Citalopram-Serumspiegels durchgeführt.

Ferner evaluierten wir retrospektiv unsere TDM-Datenbank von Januar 2008 bis Dezember 2010 und identifizierten sämtliche Blutspiegelmessungen von Citalopram. Falls mehrere Citalopram-Spiegelmessungen bei einem Patienten stattfanden, wurde die jeweils letzte Messung herangezogen, um das Problem des multiplen Einschlusses einzelner Patienten zu umgehen. Anschließend wurden Dosis und Serumspiegel mittels Spearmans Rho korreliert und der Zusammenhang zwischen Alter bzw. Geschlecht der Patienten und dosiskorrigiertem Citalopram-Serumspiegel untersucht. Hierzu wurde auch eine Varianzanalyse (ANOVA) berechnet mit dosiskorrigiertem Blutspiegel als abhängiger Variable und einer Kombination der Variablen Geschlecht x Alter als Faktor, um einen möglichen additiven Effekt dieser Variablen auf den Serumspiegel zu analysieren.

Die Serumspiegel von Citalopram wurden mittels HPLC (High performance liquid chromatography) im TDM-Labor des psychiatrischen Universitätsklinikums Würzburg bestimmt [25]. Das Labor führt regelmäßige interne und externe Qualitätskontrollmaßnahmen einschließlich der Teilnahme an einem Ringversuchsprogramm (Cardiff Bioanalytical Services, The Cardiff Medic Center, Cardiff, UK) durch, im Rahmen derer keine Beanstandungen vorkamen.

Ergebnisse

Zusammenhang zwischen Serumspiegel und EKG-Veränderungen im Fall der CIT-Intoxikation

Der erste gemessene Serumspiegel von Citalopram ungefähr 29 Stunden nach Einnahme von 1400 mg lag bei 1231 ng/ml und somit etwa zehnfach über der oberen Schwelle des therapeutischen Referenzbereichs von 50 bis 110 ng/ml [13]. Die Blutspiegel von Citalopram sanken nur langsam ab und waren erst 23 Tage nach der Einnahme des Medikaments nicht mehr nachweisbar (Abb. 1). Die errechnete Eliminationshalbwertszeit von Citalopram lag nach dieser Überdosierung bei ungefähr 80 Stunden. Aufgrund des verlangsamten Abfalls der Citalopram-Serumkonzentration wurde eine CYP2D6-Genotypisierung durchgeführt, im Rahmen derer CYP2D6*3, -*4, -*5, -*6, -*9, -*10 und -*41 negativ ausfielen und sich somit kein Hinweis auf einen genetisch bedingten Status eines Poor Metabolizers ergab.

Abb. 1. Serumspiegel von Citalopram von Tag 1 bis Tag 23

Unmittelbar nach Aufnahme im Krankenhaus etwa 16 Stunden nach Einnahme von Citalopram wurde das erste EKG geschrieben. In diesem zeigte sich eine QT-Zeit in Ableitung II von 440 ms, was nach Frequenzkorrektur (Bazett) einem QTc-Intervall von 541,6 ms entsprach. In den folgenden drei Wochen wurden wiederholt EKG-Untersuchungen durchgeführt, bei denen sich dann ein langsamer, aber kontinuierlicher Abfall der QTc-Zeit bis auf 430,3 ms am Tag 23 zeigte (Abb. 2).

Abb. 2. QTc-Intervall von Tag 1 bis Tag 23

Während der gesamten Beobachtungszeit wurden acht EKG-Untersuchungen durchgeführt und 11-mal Serumspiegel von Citalopram gemessen. Eine parallele Bestimmung von Serumspiegel und QTc-Intervall innerhalb von 24 Stunden erfolgte zu sechs verschiedenen Messzeitpunkten. In fünf Fällen wurden Blutspiegelmessung und EKG am selben Tag durchgeführt, in einem Fall wurde das EKG am Nachmittag des Vortags der morgendlichen Blutspiegelmessung abgeleitet. Somit konnten aus sechs Datenpaaren ein Spearmans-Rho-Korrelationskoeffizient errechnet werden (Abb. 3). Die Korrelation zwischen Citalopram-Serumspiegel und QTc-Zeit war statistisch signifikant (p<0,005) und es ergab sich ein sehr hoher Korrelationskoeffizient von r=0,943.

Abb. 3. Serumspiegel von Citalopram und korrespondierendes QTc-Intervall (n=6, Spearmans Rho r=0,943; p<0,005)

Zusammenhang zwischen Dosis, Alter, Geschlecht und Serumspiegel in der retrospektiven Evaluation des TDM von Citalopram

Die Korrelation zwischen Citalopram-Tagesdosis und Citalopram-Serumspiegel war signifikant (r=0,484; p<0,000), obwohl sich bei den jeweiligen Dosen eine große interindividuelle Spannweite des Citalopram-Spiegels von unterhalb des therapeutischen Bereichs (<50 ng/ml) bis über dem therapeutischen Bereich (>110 ng/ml) nachweisen ließ (Abb. 4).

Abb. 4. Zusammenhang zwischen Citalopram-Tagesdosis und Citalopram-Serumspiegel (n=163, Spearmans Rho r=0,484; p<0,000)

Abbildung 5 zeigt den dosiskorrigierten Citalopram-Serumspiegel in Relation zu Alter und Geschlecht und macht deutlich, dass insbesondere ältere weibliche Patienten häufig einen erhöhten dosiskorrigierten Citalopram-Serumspiegel aufbauen. Der Vergleich der mittleren dosiskorrigierten Serumspiegel von Citalopram in Abhängigkeit von Geschlecht und Alter mittels ANOVA ergab ein signifikantes Ergebnis (p<0,000), wobei sich Männer bis 60 Jahren (1,985±1,138 [ng/ml]/[mg/d]) von Frauen über 60 Jahren (3,764±2,167 [ng/ml]/[mg/d]) am meisten unterschieden.

Abb. 5. Zusammenhang zwischen dosiskorrigiertem Citalopram-Serumspiegel und Alter des jeweiligen Patienten in Abhängigkeit vom Geschlecht (weiblich: n=108, Spearmans Rho r=0,295; p<0,002; männlich: n=54, Spearmans Rho r=0,237; p<0,084)

Diskussion

In unserem Fallbericht einer Citalopram-Intoxikation wurden der Citalopram-Spiegel und die QTc-Zeit über drei Wochen hinweg beobachtet, bis das Medikament vollständig eliminiert war, wobei sich für sechs Messzeitpunkte eine Parallelbestimmung innerhalb von 24 Stunden ergab. Ähnlich wie die Ergebnisse von Pedersen et al. [22], die eine hoch signifikante Korrelation zwischen Amitriptylin- und Nortriptylin-Blutspiegel und QTc-Zeit bei 14 mit Amitriptylin intoxikierten Patienten berichteten, konnten unsere Ergebnisse erstmals einen deutlichen Zusammenhang zwischen Blutspiegel von Citalopram und Verlängerung der QTc-Zeit nachweisen. Die verzögerte Eliminationshalbwertszeit von Citalopram, die sich bei unserem Fall zeigte, entspricht den Ergebnissen von Jimmink et al. [15], nach denen hohe Blutspiegel von Citalopram zu einer Erschöpfung der metabolischen Abbauwege führen, was einen reduzierten Citalopram-Metabolismus zur Konsequenz hat. Ein Zusammenhang zwischen EKG-Veränderungen und Citalopram-Serumspiegel wurde bisher nur von Friberg et al. [6] untersucht. In dieser Studie wurde das EKG nach Überdosierungen von Citalopram über bis zu 100 Stunden überwacht und der Blutspiegel von Citalopram durch ein hypothetisches Effekt-Kompartiment vorhergesagt. Dabei konnte gezeigt werden, dass EKG-Veränderungen nach einer Citalopram-Intoxikation über mehrere Tage anhalten und sich parallel zum Abfall des Serumspiegels von Citalopram normalisieren, allerdings ohne dass eine direkte Korrelation zwischen den beiden Maßen bestimmt wurde.

Bei der Interpretation unserer Ergebnisse muss die gleichzeitige Überdosierung der Patientin mit Citalopram und Opipramol berücksichtigt werden. Dessen Serumkonzentration wurde nicht bestimmt, da hierzu keine validierte Messmethodik in unserem TDM-Labor existiert. Auch wenn Opipramol im Vergleich zu Citalopram in weit geringerem Ausmaß überdosiert war (2,5-fach versus 35-fach), kann nicht ausgeschlossen werden, dass Opipramol zur Verlängerung des QTc-Intervalls zumindest beigetragen hat, da es ebenfalls für solche EKG-Veränderungen bekannt ist [29]. Die Möglichkeit eines solchen Einflusses würde aber die beobachtete Korrelation zwischen Citalopram-Serumspiegel und QTc-Zeitverlängerung nicht entkräften.

Außerdem wäre neben der Untersuchung des CYP2D6-Genotyps besonders eine CYP2C19-Genotypisierung interessant gewesen, für die leider keine Möglichkeit bestand.

Der präsentierte Fallbericht steht in Übereinstimmung mit Angaben in der Literatur [12, 15], wonach trotz einer hohen Sicherheit der Substanzklasse der SSRI, im Vergleich mit trizyklischen Antidepressiva oder irreversiblen MAO-Hemmern, Citalopram zu ernsthaften EKG-Veränderungen führen kann, wenn es in überdosierter Menge eingenommen wird. Insbesondere ist eine Überdosierung mit Citalopram assoziiert mit einer signifikanten Verlängerung der QT-Zeit, was ein engmaschiges EKG-Monitoring erforderlich macht [14]. Nach Einnahme hoher supratherapeutischer Mengen von über 1000 mg wird eine kardiale Überwachung zumindest über die ersten 13 Stunden hinweg empfohlen und zusätzlich die Applikation von Aktivkohle, wenn Dosen über 600 mg eingenommen wurden [1]. Während Personne et al. [24] annahmen, dass EKG-Auffälligkeiten nur bei Einnahme von über 600 mg Citalopram auftreten, führte nach einem Fallbericht von Catalano et al. [3] auch eine Dosis von 400 mg zu einer QTc-Verlängerung (457 ms) bei einer herzgesunden jungen Frau. Im Gegensatz dazu hatte ein therapeutischer Langzeiteinsatz von Citalopram im Höchstdosisbereich (60 mg/Tag) keine Auswirkung auf das QTc-Intervall [26]. Die pathophysiologischen Mediatoren der QTc-Verlängerung durch Citalopram könnten in einer Blockade des HERG-Kanals [31] und einem geringen Chinidin-artigen Effekt, der auf eine konzentrationsabhängige Hemmung des Natriumstroms und eine Hemmung des L-Typ-Calciumkanals zurückgeht, begründet sein [10, 21, 28].

Im Herbst 2011 wurden „Rote-Hand-Briefe“ [17, 18] veröffentlicht, die dosisbezogen Kontraindikationen für die Einnahme von Citalopram und Escitalopram definieren. Nach einem Stufenplanverfahren hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am 15. März die Zulassung für Arzneimittel mit einer Wirkstoffstärke von 60 mg Citalopram mit Wirkung zum 30. April 2012 widerrufen [32].

Unser Fallbericht zeigt allerdings, dass trotz hochsignifikanter Korrelation zwischen Dosis und Serumspiegel von Citalopram klinisch relevante EKG-Effekte erst bei Serumspiegeln auftreten, die weit oberhalb der üblicherweise durch therapeutische Dosen erreichten Spiegel liegen. Es gibt aber sowohl aus unserer retrospektiven Evaluation von TDM-Daten zum Citalopram als auch aus der Literatur [27] heraus den Befund einer hohen interindividuellen Varianz des Spiegels bei jeder Dosisstufe, so dass die Dosis ein nur eingeschränkt aussagefähiger Parameter für die Einschätzung des Auftretens von unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie EKG-Veränderungen ist. Zudem scheinen unseren Ergebnissen zufolge Alter und Geschlecht einen Einfluss auf den Serumspiegel auszuüben, der sich auch additiv auswirken kann, so dass es Risikopopulationen wie ältere weibliche Patienten gibt, die bei gleicher Dosis deutlich höhere Blutspiegel aufbauen als jüngere Männer. Die Vorgabe, die Dosis auf 40 mg zu begrenzen [17, 32], gibt also keine Sicherheit, dass nicht einzelne Patienten immer noch potenziell toxische Blutspiegel entwickeln können. Im Dosisbereich von 40 bis 80 mg hatten vier Patienten Serumspiegel über dem Alert-Level von 220 ng/ml [13].

Zusammenfassend zeigt unser Fallbericht eine Korrelation zwischen dem Serumspiegel des Antidepressivums Citalopram und einer Verlängerung des QTc-Intervalls, wobei eine klinisch gravierende Verlängerung vor allem bei Blutspiegeln weit über dem therapeutischen Bereich (50–110 ng/ml) auftritt. Da jedoch die bei einer gegebenen Tagesdosis resultierenden Serumspiegel interindividuell sehr verschieden sein können und unter anderem auch deutlich von Alter und Geschlecht beeinflusst werden, sind neben regelmäßigen EKG-Kontrollen auch bei therapeutischen Citalopram-Dosen Serumspiegelkontrollen mittels TDM zur Maximierung der Behandlungssicherheit empfehlenswert.

Interessenkonflikte

SU erhielt Reisekostenerstattungen von Astra Zeneca, Pfizer und Janssen.

BW erhielt Vortragshonorare von ResMed Germany.

JD erhielt Vortragshonorare von Janssen, Bristol-Myers Squibb, Wyeth, Lundbeck, AstraZeneca und Pfizer und finanzielle Unterstützung einer Studie von Medice.

BP erhielt Vortragshonorare von AstraZeneca, Janssen und Pfizer.

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Dr. med. Stefan Unterecker, Dr. med. Bodo Warrings, Prof. Dr. med. Jürgen Deckert, Priv.-Doz. Dr. med. Bruno Pfuhlmann, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Würzburg, Füchsleinstraße 15, 97080 Würzburg, E-Mail: Unterecker_S@klinik.uni-wuerzburg.de

Concentration-dependent QT-interval prolongation after citalopram intoxication and factors influencing citalopram concentration in everyday clinical practice

Introduction: Citalopram (CIT) is a widely used antidepressant which acts by a selective serotonin reuptake inhibition. It is considered to be safer than tricyclic antidepressants at therapeutic levels, but also with respect to intoxications. Recently, ECG-changes in patients with high dosed CIT were described.

Methods: We report the case of a 46-year-old woman, who ingested in suicidal intention 1,400 mg CIT. During the following first period of inpatient treatment, an ECG was performed on eight days and a determination of the serum level of CIT on eleven days. At six times both ECG and serum level determination were performed, so that a correlation analysis could be assessed. Furthermore, retrospectively 163 TDM-analyses of CIT during a 3-years period from 2008 to 2010 were evaluated in an unselected sample of patients in a standard clinical setting to examine the correlation between dose and serum level and influence of sex and age on dose-corrected serum concentrations.

Results: The QTc interval correlated significantly with the serum level of CIT after intoxication (r=0.943; p<0.005). Even 12 days after ingestion the serum level of CIT still was above the upper threshold of the recommended therapeutic range (110 ng/ml). The QTc interval on the sixth day for the first time was below 500 ms.

The retrospective analysis of CIT-TDM data in 163 patients showed a significant correlation of CIT dose and CIT serum level (r=0.484; p<0.000) with a wide range of serum levels at every dose. Both age and sex had a significant influence on serum level of CIT with females above 60 years having the highest and males unto 60 years the lowest dose-corrected serum level (ANOVA: p<0.000).

Discussion: Although CIT is estimated as a safe antidepressant regarding serious adverse effects, toxic doses can lead to potentially hazardous ECG-changes which according to our findings correlate strongly with the serum level of the drug. Because of a wide range of serum levels at every dose and ECG-changes in patients with elevated blood levels performance of both TDM and ECG is recommendable even in patients with normal dosages.

Key words: Citalopram, therapeutic drug monitoring, intoxication, QT-interval

Psychopharmakotherapie 2012; 19(03)