Akute Migräne

Erfolgreiche Therapie von Migräne-Attacken mit dem 5-HT1F-Rezeptoragonisten Lasmiditan


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit Lasmiditan können akute Migräne-Attacken wirksam behandelt werden, wobei die Wirkung dosisabhängig ist. Unter der Behandlung treten jedoch zentrale Nebenwirkungen wie Schwindel oder Müdigkeit auf. Die weitere Entwicklung ist nach diesen Ergebnissen einer Phase-II-Studie noch offen.

Mit der Einführung der Triptane vor 20 Jahren gelang ein Durchbruch in der Behandlung akuter Migräne-Attacken, insbesondere bei Patienten, die nicht auf Analgetika oder nichtsteroidale Antirheumatika ansprachen. Triptane wirken als Agonisten auf Serotonin-5-HT1B- und -5-HT1D-Rezeptoren. Über 5-HT1B-Rezeptoren wird eine Verengung von Gefäßen der Dura und der Hirnbasis vermittelt. Die Aktivierung dieser Rezeptoren bedingt einen Teil der Wirkung der Triptane bei akuten Migräne-Attacken. Dieser Wirkungsmechanismus erklärt aber auch, warum Triptane bei vaskulären Erkrankungen, etwa bei Schlaganfall, koronarer Herzkrankheit und Zustand nach Myokardinfarkt, kontraindiziert sind.

Ziel ist es daher, neue Wirkstoffe zu entwickeln, die bei Migräne wirksam sind, aber keine vasokonstrikorischen Eigenschaften haben. Hierzu gehören unter anderen die 5-HT1F-Rezeptoragonisten. 5-HT1F-Rezeptoren werden im Ganglion Gasseri und im Nucleus caudalis des Nervus trigeminus exprimiert. Lasmiditan (COL-144) ist ein hochselektiver 5-HT1F-Rezeptoragonist, der in therapeutischen Dosen nicht an andere Serotonin-Rezeptoren bindet. Die Wirksamkeit von intervenös appliziertem Lasmiditan bei akuter Migräne wurde bereits in einer Pilotstudie nachgewiesen.

Dosisfindungsstudie

In einer Phase-II-Dosisfindungsstudie wurde nun untersucht, ob oral eingenommenes Lasmiditan bei akuten Migräne-Attacken wirksam ist. Die Patienten wurden in fünf Gruppen randomisiert und erhielten 50, 100, 200 oder 400 mg Lasmiditan oder Plazebo. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit Therapieansprechen, definiert als eine Besserung von schweren oder mittelschweren zu leichten oder keinen Kopfschmerzen nach zwei Stunden.

Für die Studie wurden 512 Patienten rekrutiert, von denen letztendlich 391 behandelt wurden. Die Patienten waren durchschnittlich 40 Jahre alt. 85 bis 90% der Patienten waren Frauen, etwa 60% der Teilnehmer hatten eine mittelschwere und 40% eine schwere Attacke. Es ergab sich eine lineare Beziehung zwischen der Lasmiditan-Dosis und der Besserung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden. Der Anteil der Patienten mit Therapieansprechen war in allen Lasmiditan-Gruppen signifikant höher als in der Plazebo-Gruppe (26%): Er betrug

  • mit 50 mg 43% (p=0,022),
  • mit 100 mg 64% (p<0,0001),
  • mit 200 mg 51% (p=0,0018),
  • mit 400 mg 65% (p<0,0001).

Die Nebenwirkungen waren ebenfalls dosisabhängig. So erlitten 65% der Teilnehmer unter der 50-mg-Dosis unerwünschte Ereignisse während der Behandlung, 72% unter der 100-mg-Dosis, 86% unter der 200-mg-Dosis und 84% unter der 400-mg-Dosis, verglichen mit 22% unter Plazebo. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren unsystematischer Schwindel, Müdigkeit, Drehschwindel, Parästhesien und Benommenheit.

Kommentar

Wenn die Ergebnisse dieser Studie in einer weiteren Studie bestätigt werden können, könnte in absehbarer Zeit mit Lasmiditan ein neuer Wirkstoff zur Behandlung akuter Migräne-Attacken zur Verfügung stehen.

Angesichts der relativ häufig auftretenden zentralen Nebenwirkungen wie Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit und Parästhesien wird diese Substanz aber wahrscheinlich nur bei Patienten zum Einsatz kommen, bei denen Kontraindikationen gegen ein Triptan bestehen und die dann Willens sind, die entsprechenden Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen. Die Nebenwirkungen können wahrscheinlich durch die Expression von 5-HT1F-Rezeptoren im vestibulären Kerngebiet und im Zerebellum erklärt werden.

Quelle

Färkkilä M, et al. Efficacy and tolerability of lasmiditan, an oral 5-HT(1F) receptor agonist, for the acute treatment of migraine: a phase 2 randomised, placebo-controlled, parallel-group, dose-ranging study. Lancet Neurol 2012;11:405–13.

Psychopharmakotherapie 2012; 19(03)