Polyneuropathien

Tafamidis bringt Stabilität bei TTR-FAP


Dr. med. Nana Mosler, Wiesbaden

Im November 2011 erhielt Vyndaqel® (Wirkstoff: Tafamidis) die Zulassung zur Behandlung der familiären Amyloid-Polyneuropathie vom Transthyretin-Typ (TTR-FAP) bei Erwachsenen mit symptomatischer Polyneuropathie im Stadium 1, um die Einschränkung der peripheren neurologischen Funktionsfähigkeit zu verzögern. Details zu dieser seltenen Erkrankung und den Wirkungen von Tafamidis wurden bei einer Presseveranstaltung der Firma Pfizer anlässlich der Markteinführung vorgestellt.

Die familiäre Amyloid-Polyneuropathie vom Transthyretin-Typ (TTR-FAP) ist eine progrediente und tödlich verlaufende neurodegenerative Erkrankung, von der weltweit nur etwa 8000 Menschen betroffen sind. Gehäuft tritt sie in Portugal, Schweden und Japan auf. Ursache ist eine Mutation im Transthyretin-Gen, am häufigsten die V30M-Mutation, die zu einem Austausch von Valin an Position 30 durch Methionin führt.

Transthyretin (TTR) wird zu 95% in der Leber produziert und liegt normalerweise als tetrameres lösliches Protein im Serum vor. Die TTR-FAP entsteht durch Mutationen im Transthyretin-Gen, die bewirken, dass instabiles Transthyretin gebildet wird. Transthyretin-Monomere aggregieren zu Amyloidfibrillen, die sich an Nerven, Nieren oder Herz ablagern. Hauptmerkmal ist eine Polyneuropathie, die das sensomotorische und autonome Nervensystem betrifft. Die Symptome sind sehr variabel und umfassen zum Beispiel kardiale Arrhythmien, orthostatische Hypotension, erektile Dysfunktion sowie Diarrhö im Wechsel mit Obstipation. Ein tückisches Symptom ist das Nachlassen des Kälte- und Wärmeempfindens; es kann dazu führen, dass beispielsweise Verbrennungen oder Verbrühungen nicht wahrgenommen werden und irreversible Gewebeschäden zur Folge haben. Insgesamt ist der Verlust an Lebensqualität durch die TTR-FAP immens. Die progressive Neuropathie führt im Mittel nach zehn Jahren zum Tod.

Die bislang einzige symptomatische Maßnahme ist eine Lebertransplantation, um die Hauptquelle des instabilen Transthyretins zu entfernen. Die Progression der Neuropathie wird dadurch aufgehalten. Da im Mittel vier Jahre bis zur Diagnosestellung einer TTR-FAP vergehen, kann es für eine Lebertransplantation aber schon zu spät sein; auch ist nicht jeder Patient hierfür geeignet.

Tafamidis (Vyndaqel®) ist die erste medikamentöse Möglichkeit, den Anfall von Transthyretin-Monomeren zu verringern. Es besetzt die Thyroxin-Bindungsstellen von Transthyretin und stabilisiert das Protein dadurch.

In der zulassungsrelevanten Phase-II/III-Studie Fx-005 wurden 128 Patienten mit TTR-Amyloidpolyneuropathie mit V30M-Mutation bis zu 18 Monate randomisiert und doppelblind mit Tafamidis 20 mg/Tag (n=65) oder Plazebo behandelt. Die Patienten befanden sich vorwiegend im Stadium 1 der Erkrankung, benötigten also noch keine routinemäßige Hilfe beim Gehen. Primäre Endpunkte waren der NIS-LL-Score (Neuropathy impairment score of the lower limb) als Maß für die neurologische Funktionsstörung der Beine und der Norfolk-QoL-DN-Score als Maß für die Lebensqualität, ermittelt mit einem ursprünglich auf diabetische Neuropathie gemünzten Patientenfragebogen.

Gemäß NIS-LL-Score sprachen 45,3% der Verum- und 29,5% der Plazebo-behandelten Patienten an, zeigten also keine Progression (p=0,0682). Als Nonresponder galten dabei auch Patienten, die wegen einer Lebertransplantation vorzeitig ausschieden (je n=13). Wurden diese ausgeschlossen und nur die Patienten berücksichtigt, für die Daten bis 18 Monate vorlagen (n=45 bzw. 42), ergaben sich Ansprechraten von 60,0% vs. 38,1%; dieser Unterschied war statistisch signifikant (p=0,04). Auch in Bezug auf die Lebensqualität ergab sich ein statistisch signifikanter Vorteil für Tafamidis nur bei dieser Auswertung, die aber im Studienprotokoll vorgesehen war. Weiterhin wurde mit Tafamidis eine um 51 bis 81% geringere Verschlechterung der neurologischen Funktionen erreicht als bei Patienten unter Plazebo.

Häufige oder sehr häufige Nebenwirkungen der Therapie waren Diarrhöen, Oberbauchschmerzen, Harnwegs- und Vaginalinfektionen.

Fazit

Mit dem TTR-Stabilisator Tafamidis besteht nun auch eine medikamentöse Option, um bei Patienten mit TTR-FAP das Fortschreiten der peripheren neurologischen Ausfälle zu verzögern. Dies kann die Zeit bis zu einer Lebertransplantation überbrücken helfen. Darüber hinaus gibt es damit eine Behandlungsmöglichkeit für Patienten, für die eine Transplantation nicht mehr infrage kommt.

Quellen

Prof. Dr. Ernst-Fritz Hund, Heidelberg, Prof. Dr. Giampaolo Merlini, Pavia/Italien, Priv.-Doz. Dr. Ana Barreiros, Mainz, Prof. Hartmut Schmidt, Münster; Europäisches Media-Briefing „TTR-FAP – the protein misfolding disease“, Berlin, 3. Februar 2012, veranstaltet von Pfizer GmbH.

CHMP. Assessment report „Vyndaqel“. EMA/729083/2011. 22. September 2011. www.ema.europa.eu (Zugriff am 05.03.2012).

Fachinformation Vyndaqel, Stand November 2011.

Psychopharmakotherapie 2012; 19(02)