Abdol A. Ameri, Weidenstetten
Die Alzheimer-Krankheit hat sich aufgrund der stetig steigenden Prävalenz und Inzidenz zu einer gesellschaftlichen Herausforderung entwickelt. Um die Versorgungsrealität von Alzheimer-Patienten in Deutschland zu erfassen und Informationen zu den Therapiekosten zu gewinnen, wurde unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Reinhard Rychlik, Burscheid, eine retrospektive Versorgungsstudie durchgeführt. Schwerpunkt der Studie war der Vergleich der Gesamtkosten und der Kostenstruktur bei einer Patientenkohorte, die mit Memantin (z.B. Ebixa®) behandelt wurde, gegenüber Patienten, die lediglich Psychopharmaka oder Hypnotika bzw. Sedativa oder gar keine psychotrope Medikation erhielten [2].
Für die Analyse wurden die anonymisierten Daten aller Patienten, die 2005 bei der Barmer Ersatzkasse versichert waren und bei denen eine Alzheimer-Demenz nach ICD-10 diagnostiziert wurde, herangezogen (n=35684). Von diesen wurden die Patienten ausgewählt, denen Arzneimittel nach einem der folgenden Muster verordnet wurden:
- Mindestens eine Verordnung von Memantin, aber keine Verordnung von anderen Antidementiva, Psychopharmaka oder Hypnotika bzw. Sedativa (n=1448)
- Mindestens eine Verordnung über ein Psychopharmakon oder Hypnotikum bzw. Sedativum, aber keine Verordnung eines Antidementivums (n=12561)
- Keine Verordnung eines Antidementivums und keine psychotrope Medikation (n=7503)
Für diese 21512 Patienten wurden die Gesundheitskosten in den Teilbereichen ärztliche Leistungen, medikamentöse Therapie, Krankenhausaufenthalte, Pflegeleistungen sowie Heil- und Hilfsmittelverordnungen ermittelt, die in einem Zeitraum von fünf Jahren entstanden.
Um die Vergleichbarkeit der Ergebnise zu gewährleisten, wurden die deskriptiven Daten mittels Matched-Pairs-Analyse überprüft, so dass die Gruppen hinsichtlich ausgewählter Faktoren wie Alter, Geschlecht und Pflegeart übereinstimmten.
Massive Unter- und Fehlversorgung von Alzheimer-Patienten
Beim Vergleich der Patientenzahlen der drei Gruppen fällt ein massives Ungleichgewicht auf: Bei ungefähr der Hälfte der ausgewerteten Patienten ist von einer Fehlversorgung auszugehen und etwa ein Drittel der Patienten erhielt weder ein Antidementivum, noch eine sonstige psychotrope Medikation. Dagegen erhielten nur knapp 7% der in die Analyse einbezogenen Patienten eine antidementive Therapie mit Memantin.
Kostenstruktur
In der Memantin-Gruppe waren die durchschnittlichen Gesamtkosten pro Patient mit rund 6962 Euro pro Jahr deutlich niedriger als in der Patientengruppe, die mit Psychopharmaka oder Hypnotika bzw. Sedativa behandelt wurden (10724,96 Euro). Ein Verzicht auf eine medikamentöse Therapie der Demenz war mit 7838 Euro pro Patient und Jahr letztendlich ebenfalls mit höheren Kosten assoziiert als eine Behandlung mit Memantin. Bei Patienten der Memantin-Gruppe entstanden zwar höhere Kosten für die Arzneimittel, doch diese zusätzlichen Ausgaben wurden durch geringere Kosten bei der ärztlichen Behandlung sowie den Hilfsmitteln, aber vor allem durch geringere Klinik- und Pflegekosten kompensiert (Tab. 1).
Tab. 1. Durchschnittliche Gesamtkosten [Euro] pro Patient und Jahr nach Einzelpositionen (Matched-Pairs-Analyse) [1]
Position |
Therapie mit Memantin |
Therapie mit Psychopharmaka, Hypnotika, oder Sedativa |
Keine Antidementiva und keine Psychopharmaka, Hypnotika oder Sedativa |
Behandlungskosten |
457,27 |
688,95 |
525,04 |
Arzneimittel |
|||
|
1765,99 |
1445,04 |
772,28 |
|
1028,86 |
464,17 |
0,00 |
|
737,13 |
980,87 |
772,28 |
Klinikaufenthalte |
990,57 |
3087,73 |
2179,12 |
Pflegekosten |
3138,42 |
4716,22 |
3671,91 |
Heilmittel |
242,23 |
206,29 |
172,23 |
Hilfsmittel |
367,74 |
580,73 |
518,35 |
Gesamtkosten |
6962,22 |
10724,96 |
7838,92 |
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat mittlerweile den Nutzen von Memantin anerkannt; der Gemeinsame Bundesausschuss bestätigte am 18. August 2011, dass der Wirkstoff auch künftig zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden kann [3].
Fazit
Eine leitliniengerechte Behandlung der Alzheimer-Demenz mit Memantin ist trotz höherer Ausgaben für Arzneimittel mit niedrigeren Gesamtkosten als eine unspezifische Therapie mit Psychopharmaka, Hypnotika oder Sedativa sowie das Weglassen jeglicher psychotroper Arzneimittel oder Antidementiva assoziiert; Grund für die niedrigeren Gesamtkosten bei einer Therapie mit Memantin sind hauptsächlich die geringeren Klinik- und Pflegekosten.
Quellen
1. Prof. Dr. Dr. Reinhard Rychlik, Burscheid. Pressegespräch „Optimale Versorgung und Wirtschaftlichkeit in der Alzheimer-Therapie: Ein Widerspruch?“, veranstaltet von Lundbeck GmbH im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Wiesbaden, 28. September 2011.
2. Kiencke P, et al. Direct costs of Alzheimer’s disease in Germany. Eur J Health Econ 2011;12:533–9. Epub 2010 Jul 18 (DOI: 10.1007/s10198-010-0267-x).
3. Pressemitteilung Nr. 23/2011 des G-BA (www.g-ba.de/downloads/34-215-401/23-2011-08-18-Memantin.pdf, Zugriff am 31.10.2011).
Psychopharmakotherapie im Internet:
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Psychopharmakotherapie 2012; 19(01)