Von Hirndoping, Moodstabilisierung, Maniebremsen und Zulassungsmangel


Prof. Dr. med. Jürgen Fritze, Pulheim

Die Historie von Methylphenidat begann mit Off-Label-Use: Methylphenidat wurde 1944 von Leandro Panizzon bei CIBA entdeckt. Panizzons Ehefrau Marguerite („Rita“) bemerkte im Selbstversuch anregende Effekte, die sich positiv auf ihr Tennisspiel auswirkten. Nach ihr wurde Ritalin® benannt. Ab 1954 wurde es als Psychotonikum, „das ermuntert und belebt – mit Maß und Ziel“, in der Schweiz und in Deutschland vermarktet. Erst 1971 wurde es dem Betäubungsmittelrecht unterstellt. Der illegale Erwerb von Methylphenidat als Mittel für Gehirndoping wird im Internet derzeit breit beworben.

Weiergräber und Broich, Bonn, beleuchten die Geschichte und mögliche Rechtfertigungen für Hirndoping aus Perspektive der Zulassungsbehörde, mit ernüchterndem Ergebnis. Allenfalls Modafinil könnte die angestrebten Wirkungen haben; hierfür hat es aber keine Zulassung. Das ist nicht wirklich erstaunlich, denn kognitive Leistungsfähigkeit und Stimmung sind beim Gesunden evolutionär optimiert, so dass ihre Manipulation zwangsläufig mit Nachteilen erkauft wird. Es fehlt also eine günstige Nutzen-Risiko-Relation als Zulassungsvoraussetzung. Beim Gesunden fehlt die rechtfertigende Indikation. Die Politik hat die Problematik wahrgenommen: Im Auftrag des Europäischen Parlaments wurde 2009 der Science and Technology Options Assessment Report „Human Enhancement Study“ erstellt.

Leitlinien empfehlen die Monotherapie der Manie auch in der Rückfall- und Rezidivprophylaxe. Für die akute Manie sind unter den sogenannten atypischen Neuroleptika Olanzapin, Risperidon, Quetiapin, Aripiprazol, Ziprasidon und seit 2010 Asenapin zugelassen, Paliperidon seit 2011 für maniforme (und psychotische) Symptome bei schizoaffektiven Psychosen.

Schäfer, Essen/Berlin, präsentiert eine systematische Literaturübersicht zur Frage der Wirksamkeit atypischer Neuroleptika adjuvant zu Lithium, Valproinsäure (oder Carbamazepin). Für adjuvantes Aripiprazol, Olanzapin, Ziprasidon und Risperidon fand sich ein Zusatznutzen; für adjuvantes Ziprasidon fehlen Studien zur akuten Manie. Adjuvantem Paliperidon fehlte bei akuter Manie ein Zusatznutzen. Alle Studien erfolgten mit selektierten Patienten, die auf den Mood-Stabilizer unzureichend angesprochen hatten. Ist das mit der Dominanz der Kombinationstherapie im Alltag vereinbar?

Asenapin wurde 2010 für die Behandlung mäßiger bis schwerer manischer Episoden einer Bipolar-I-Störung bei Erwachsenen zugelassen. Volz, Werneck, gibt eine umfassende Übersicht. Asenapin wird sublingual appliziert und weist aufgrund seines speziellen Rezeptorbindungsprofils gegenüber anderen atypischen Neuroleptika Vorteile bezüglich Gewicht und Prolactin auf.

Off-Label-Use gehört unausweichlich zum Wesen der Psychopharmakotherapie, solange psychische Krankheiten Konstrukte darstellen. Jandl et al., Ravensburg, geben eine Übersicht über die rechtlichen Implikationen und präsentieren tabellarisch die zugelassenen Indikationen der Psychopharmaka. Klarstellung: Die Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers bleibt bei Off-Label-Use erhalten, sofern der Unternehmer den Off-Label-Use zum Beispiel aus Publikationen kennen konnte und ihm nicht widersprochen hat. Falls ein pharmazeutischer Unternehmer Off-Label-Use bewirbt, macht er sich strafbar.

Schlenger, München, berichtet über Medikinet® adult: Unter diesem Warenzeichen wurde Methylphenidat 2011 erstmals für ADHS im Erwachsenenalter zugelassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat seine Richtlinie entsprechend angepasst, so dass es hier keines Off-Label-Use mehr bedarf.

Psychopharmakotherapie 2011; 18(05)