Therapieresistente Schizophrenie/schizoaffektive Störung

Keine Unterschiede in Verträglichkeit und Wirksamkeit von 1200 vs. 600 mg/Tag Quetiapin


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

Patienten mit einer therapieresistenten Schizophrenie oder schizoaffektiven Störung und inadäquater Response auf eine 4-wöchige Behandlung mit 600 mg/Tag Quetiapin wurden randomisiert einer 8-wöchigen doppelblinden Behandlung mit 600 mg/Tag oder einer hohen Dosis von 1200 mg/Tag Quetiapin zugeteilt. Studienziel war der Vergleich der Verträglichkeit und der Wirksamkeit beider Dosen. Es wurden keine signifikanten Unterschiede im Auftreten unerwünschter Wirkungen (z.B. extrapyramidal-motorische Symptome, EKG-Veränderungen, abnorme Laborwerte) gefunden. Allerdings gab es unter der hohen Dosis auch keine Vorteile in der Besserung psychopathologischer Symptome.

Das atypische Antipsychotikum Quetiapin (Seroquel®) soll nach Empfehlung des Herstellers zur Behandlung der Schizophrenie in einem Dosisbereich von 150 bis 750 mg/Tag eingesetzt werden. Im klinischen Alltag wird Quetiapin jedoch insbesondere bei unzureichender antipsychotischer Wirksamkeit höher dosiert als empfohlen. Nach amerikanischen Untersuchungen erhielt im Jahre 2006 nahezu die Hälfte der stationären Patienten mit einer schwer therapierbaren Schizophrenie eine Quetiapin-Dosis von mehr als 750 mg/Tag. Diese Behandlungsstrategie beruhte insbesondere auf der Annahme, dass behandlungsresistente Patienten aus pharmakodynamischen Gründen eine höhere Dosis benötigen. Pharmakodynamische Parameter wurden jedoch bei solchen Patienten bisher nicht untersucht und es gibt auch keine Untersuchungen darüber, ob hohe Quetiapin-Dosen bei Therapieresistenz tatsächlich wirksamer sind als Standarddosen. In Studien, in denen Therapieresistenz kein Einschlusskriterium war, zeigte sich kein Wirksamkeitsunterschied zwischen hohen Dosen und Standarddosen.

Das vorliegende Studiendesign basiert auf der klinischen Praxis, hohe Dosen von Quetiapin insbesondere bei Therapieresistenz einzusetzen. Die Autoren planten daher den Vergleich einer Standarddosis von 600 mg/Tag mit einer hohen Dosis von 1200 mg/Tag bei stationären Patienten mit einer wohldefinierten Therapieresistenz. Primäres Studienziel war ein Vergleich der Verträglichkeit, sekundäres Ziel der Vergleich der Wirksamkeit. Die Studie wurde in den Jahren 2004 bis 2006 von 2 Kliniken in New York durchgeführt.

Studiendesign

In die initiale, 4-wöchige offene Studienphase wurden Patienten (18 bis 64 Jahre) mit der DSM-IV-TR-Diagnose einer Schizophrenie oder schizoaffektiven Störung eingeschlossen. Weitere Aufnahmekriterien waren unter anderen: i) unzureichender bisheriger Behandlungserfolg, definiert als (a) Fortbestehen von Positivsymptomen nach 6 aufeinander folgenden Behandlungswochen mit einem Antipsychotikum in einer Dosierung von >600 mg/Tag Chlorpromazin-Äquivalenten und (b) stark verminderte Arbeitsfähigkeit in den letzten beiden Jahren; ii) ein Score auf der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) von ≥60.

Zu den Ausschlusskriterien zählte Nonresponse unter einer Behandlung mit Clozapin oder mit >1200 mg/Tag Quetiapin.

Die Quetiapin-Dosis wurde innerhalb von 10 Tagen auf 600 mg/Tag eingestellt (200 mg morgens, 400 mg vor dem Schlafengehen), währenddessen andere Antipsychotika schrittweise abgesetzt wurden. Patienten mit einer Verbesserung des PANSS-Scores von ≤15% galten als Nonresponder und wurden in die 8-wöchige Doppelblindstudie aufgenommen. In der 1200-mg-Gruppe wurde Quetiapin innerhalb von 10 Tagen auf die Enddosis titriert (400 mg morgens, 800 mg vor dem Schlafengehen).

Extrapyramidal-motorische Symptome (EPMS) wurden mithilfe der Simpson Angus Scale (SAS; 10 Items mit Schweregraden 0 bis 4), der Abnormal Involuntary Movement Scale (AIMS; 10 Items mit Schweregraden 0 bis 4, sowie 4 Merkmale vorhanden und fehlend) und der Barnes Akathisia Scale (BAS; Patienten- und Arzt-Beurteilung der Akathisie) bewertet. Als weitere Sicherheitsparameter wurden unter anderen EKG, Körpergewicht, sowie mehrere Blutparameter bestimmt. Die Sicherheitsparameter wurden beim Screening, Einschluss und nach den Wochen 2, 4, 6 und 8 nach Randomisierung untersucht. Die psychometrischen Beurteilungen mithilfe der PANSS und Social Adaptive Functioning Evaluation (SAFE; 17 soziale Funktionen mit Schweregraden 0 bis 4) wurden zu denselben Zeitpunkten vorgenommen.

Ergebnisse

Patienten. Insgesamt erhielten 72 Patienten eine offene Behandlung mit 600 mg/Tag Quetiapin. Von ihnen konnten nach 4 Wochen 60 randomisiert einer doppelblinden Behandlung mit 600 mg/Tag (n=31) oder 1200 mg/Tag (n=29) zugeteilt werden. In der 600-mg-Gruppe war bei 23 Patienten eine Schizophrenie und bei 8 Patienten eine schizoaffektive Störung diagnostiziert worden. In dieser Gruppe beendeten 16 Patienten die Studie regulär nach 8 Wochen. In der 1200-mg-Gruppe war das Verhältnis der Diagnosen 18:11. Regulär beendeten 17 Patienten die Studie. Als häufigstes unerwünschtes Ereignis führte eine erhöhte Creatinphosphokinase (CPK) zum Abbruch (6 bzw. 2 Patienten). Wegen einer Verschlechterung der psychotischen Symptomatik brachen 5 Patienten die Studie ab (3 in der 600-mg-Gruppe).

Sicherheitsdaten. Die Beurteilungsinstrumente SAS, AIMS und BAS zeigten im Verlauf der Studie in beiden Gruppen keine Veränderungen in der Häufigkeit und im Schweregrad der EPMS. Ebenso gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.

Die mittlere Gewichtszunahme lag in beiden Gruppen unter 1 kg. Statistisch signifikante Unterschiede traten nicht auf.

Häufigste Laborwertänderung war die Erhöhung der CPK. In der 600-mg-Gruppe hatten 7 Patienten bei Einschluss und 14 am Endpunkt erhöhte CPK-Werte (>199 U/l). In der 1200-mg-Gruppe hatten zunächst 5, am Endpunkt 10 Patienten erhöhte Werte. Insgesamt wurden 8 Patienten wegen signifikant erhöhter Werte (>800 U/l oder 600–800 U/l über 2 Wochen) aus der Studie genommen. Die übrigen Laborwerte veränderten sich nicht. Außer bei den beiden erwähnten unerwünschten Ereignissen traten keine Häufungen anderer Ereignisse auf. Unterschiede zwischen den Gruppen gab es nicht.

Wirksamkeit. In der 600-mg-Gruppe war der mittlere PANSS-Score bei Einschluss 92,1 und am Endpunkt 87,1 (p=0,331). In der 1200-mg-Gruppe fiel der Wert geringfügig von 84,5 auf 83,48 (p=0,449). Die Unterschiede zwischen den Gruppen waren nicht signifikant. Die Scores der PANSS-Positiv-Subskalen änderten sich nicht, jedoch wurde eine signifikante Verringerung des Scores der Negativ-Subskala sowohl in der 600-mg-Gruppe (–1,45 Punkte; p=0,049) als auch in der 1200-mg-Gruppe beobachtet (–1,38 Punkte; p=0,032). Die Verbesserung in beiden Gruppen unterschied sich nicht signifikant. Die Änderungen im SAFE-Score war in beiden Gruppen nur marginal. Am Endpunkt lag der Wert in der 600-mg-Gruppe bei 10,9 (+0,14) und in der Hochdosis-Gruppe bei 11,05 (+0,16).

Die Autoren folgern aus ihrer Studie, dass es zwar Patienten geben mag, die von einer hohen Dosis profitieren, aber als Routinestrategie können sie die Hochdosistherapie nicht empfehlen.

Kommentar

Trotz der geringen Kohortenstärken scheint die Aussage der Studie hinlänglich sicher zu sein, indem sie zum Schluss kommt, dass bei therapieresistenten Patienten im Allgemeinen kein Vorteil der Hochdosistherapie mit Quetiapin gegenüber einer Standardtherapie zu erwarten ist. Die Ergebnisse werden durch ältere Untersuchungen an weniger selektierten Patienten unterstützt. Da im Einzelfall jedoch nicht auszuschließen ist, dass eine hohe Quetiapin-Dosis zu einem besseren Erfolg führt, werden auch weiterhin Patienten mit einer hohen Dosis behandelt. Für solche Therapieversuche ist das wichtigste Ergebnis dieser Studie hilfreich, nämlich dass eine hohe Dosis von 1200 mg/Tag zumindest über einen Zeitraum von 8 Wochen nicht weniger sicher ist als eine Standarddosis von 600 mg/Tag.

Quelle

Lindenmayer J-P et al. A randomized, double-blind, parallel-group, fixed-dose, clinical trial of quetiapine at 600 versus 1200 mg/d for patients with treatment resistant schizophrenia or schizoaffective disorder. J Clin Psychopharmacol 2011;31:160–8.

Psychopharmakotherapie 2011; 18(05)