Morbus Parkinson

Management von Off-Phasen


Reimund Freye, Baden-Baden

Treten beim Parkinson-Syndrom vermehrt Off-Phasen auf, können motorische Symptome durch eine subkutane Gabe von Apomorphin gelindert werden. Diese Behandlungsform sollte erwogen werden, bevor Levodopa kontinuierlich durch eine Jejunalsonde appliziert oder eine tiefe Hirnstimulation eingesetzt wird. Apomorphin kann entweder als Bedarfsmedikation mit einem Pen oder kontinuierlich mit einer Infusionspumpe subkutan appliziert werden. Beide Therapieformen wurden bei einem von Cephalon veranstalteten Symposium im Rahmen des Parkinson-Kongresses in Kiel vorgestellt.

Die subkutane Therapie mit dem Dopaminagonisten Apomorphin (Apo-go®) beim Parkinson-Syndrom ist dann indiziert, wenn motorische Symptome unter einer oralen dopaminergen Therapie nicht mehr ausreichend kontrolliert werden können. Dies betrifft vor allem die Ausdehnung und Häufung von „Off-Phasen“ – besonders, wenn diese auf eine orale Bedarfstherapie mit Levodopa nicht mehr genügend ansprechen [1].

Pen und Pumpe

Eine subkutane Apomorphin-Therapie kann zunächst mithilfe eines Penjects erfolgen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Patient in der Lage ist, sich die erforderliche Dosis der Injektionslösung bei Bedarf selbst zu injizieren, oder dass er eine pflegende Person hat, die dies für ihn übernimmt. Die Handhabung des Injektors sollte dabei beherrscht werden.

Eine kontinuierliche Applikation der Infusionslösung mithilfe einer Pumpe (z.B. Perfusor) ist indiziert,

  • wenn eine Bedarfsmedikation (Apomorphin-Penject) öfter als fünfmal am Tag benötigt wird,
  • bei komplexen Fluktuationen oder
  • bei Dyskinesien in „On-Phasen“, die durch Levodopa oder durch Bolusgaben von Apomorphin ausgelöst werden können.

Eine kontinuierliche Gabe über die Pumpe glättet die Fluktuationen, da die Rezeptoren bei kontinuierlicher Applikation des Wirkstoffs gleichmäßiger stimuliert werden als bei anderen Therapien.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit der Apomorphin-Pumpe ist bei älteren Parkinson-Patienten in Heimen zu sehen, denn die Versorgung der Patienten mit der Pumpe ist für die Pflegenden organisatorisch oft leichter zu bewerkstelligen als die Einhaltung eines komplexen Medikamentenplans. Bei oraler Therapie mit Levodopa erfolgt die Einnahme der Medikation häufig an mehr als fünf Zeitpunkten pro Tag, dabei sollte die Einnahme von Levodopa zu den Mahlzeiten vermieden werden.

Ein Vorteil der Apomorphin-Infusionspumpe ist, dass eine Therapie „auf Probe“ möglich ist. Dies ist bei anderen, ebenfalls sehr effektiven, aber aufwendigeren Therapien der fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung wie der tiefen Hirnstimulation nicht möglich (Tab. 1). Oft wird die Therapie mit der Apomorphin-Pumpe auch zur Überbrückung in der Warteschleife für eine tiefe Hirnstimulation angewandt.

Tab. 1. Empfehlungen für den Einsatz von Apomorphin-Pumpe (subkutan, s.c.), Levodopa-Jejunalsonde und tiefer Hirnstimulation [Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Neurologie 2008. Parkinson-Syndrome: Diagnostik und Therapie]

Kriterium

Apomorphin s.c. mittels Pumpe

Levodopa per Jejunalsonde

Tiefe Hirnstimulation

Alter <70 Jahre

++

++

++

Alter >70 Jahre

+

++

Leichte bis mäßige Demenz

+

++*

Schwere Demenz (MMSE <10)

+**

+**

– – –

Tremor (pharmakoresistent)

+++

Medikamentös induzierte Psychose

+

++

++

Testbarkeit des Verfahrens

+++

+

– – –

Unabhängigkeit des Patienten

++

+

+++

Bedienbarkeit durch Patienten

+

0

Betreuungsumfeld nicht vorhanden

– –

– –

+

Vermeidung chirurgischer Komplikationen

0

– – –

+++ sehr gut geeignet; ++ gut geeignet; + mäßig geeignet; – nicht geeignet/unvorteilhaft; – – sehr ungeeignet/relative Kontraindikation; – – – absolut ungeeignet/strenge Kontraindikation; 0 unzutreffend/keine Angabe; * bei Neigung zu Psychosen; ** Einzellfallentscheidung, cave bei Agitiertheit!

MMSE: Mini-mental State Examination

Nebenwirkungen

Um der häufigen Nebenwirkung Übelkeit zu begegnen, sollte noch vor Beginn einer Apomorphin-Therapie eine Behandlung mit Domperidon begonnen werden. Domperidon wirkt nicht nur antiemetisch, sondern auch gegen orthostatischen Schwindel, eine weitere Nebenwirkung von Apomorphin. Domperidon sollte drei Tage vor Behandlungsbeginn gestartet werden, in einer Dosierung von 3-mal täglich 20 mg. Nach wenigen Wochen kann versucht werden, das Antiemetikum zu reduzieren oder auszuschleichen. Der Dopaminantagonist Domperidon überwindet die Blut-Hirn-Schranke praktisch nicht und kann daher bei Parkinson-Patienten eingesetzt werden. Die Gabe des zentralgängigen Metoclopramid sollte dagegen bei diesen Patienten unbedingt vermieden werden.

Bei Auftreten von lokalen Reaktionen an der Einstichstelle, sogenannten Noduli, ist ein häufiger Wechsel der Einstichstelle hilfreich. Außerdem sollte streng auf die Hygiene geachtet werden. Darüber hinaus können Massagen eingesetzt werden. Bei Verwendung des Pens können kürzere Nadeln oder neuere Materialien ausprobiert werden: seit kurzem stehen auch Nadeln aus Teflon zur Verfügung.

Unter Dopaminagonisten können Störungen der Impulskontrolle auftreten – unter Apomorphin vor allem eine Hypersexualität.

Nichtmotorische Störung beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich

In allen Stadien der Parkinson-Erkrankung kommen häufig nichtmotorische Symptome vor. Das Spektrum der nichtmotorischen Symptome reicht von Schlaf- und Stimmungsstörungen über kognitive Probleme, Depression und Angst bis hin zu Nykturie und übermäßigem Speichelfluss. Die meisten Parkinson-Patienten weisen unabhängig vom Krankheitsstadium gleichzeitig im Schnitt neun bis zwölf verschiedene nichtmotorische Symptome auf [2, 3].

Viele Patienten empfinden die Einschränkungen der Lebensqualität durch die nichtmotorischen Symptome als gravierender als die motorischen Beeinträchtigungen. Klinische Beobachtungen ergaben, dass Apomorphin kognitive und andere nichtmotorische Störungen beim Parkinson-Syndrom zu bessern vermag. Beobachtungsstudien in europäischen Behandlungszentren ergaben, dass nichtmotorische Symptome durch eine subkutane Apomorphin-Therapie stärker gebessert werden als durch eine standardmäßige orale Behandlung; signifikant waren die Unterschiede zwischen diesen Therapien etwa bei Fatigue und Schlafstörungen, Stimmungsaufhellung und Verbesserung der Konzentration sowie bei urologischen Problemen wie Harndrang und Nykturie [4].

Zurzeit ist die subkutane Applikation von Apomorphin allerdings nur zugelassen zur Behandlung motorischer Fluktuationen (On-off-Phänomen) [5].

Quellen

1. Prof. Dr. A. Ceballos-Baumann, München, Prof. Dr. K. Ray Chaudhuri, London. Satellitensymposium „Was tun, wenn Tabletten nicht mehr ausreichen? – Sinnvoller Einsatz von Apomorphin“ veranstaltet von Cephalon im Rahmen des 7. Deutschen Parkinson-Kongresses, Kiel, 11. März 2011.

2. Martinez-Martin P, et al. Prevalence of nonmotor symptoms in Parkinson’s disease in an international setting; study using nonmotor symptoms questionnaire in 545 patients. Mov Disord 2007;22:1623–9.

3. Barone P, et al. The PRIAMO study: A multicenter assessment of nonmotor symptoms and their impact on quality of life in Parkinson’s disease. Mov Disord 2009;24:1641–9.

4. Naidu Y, et al. Intitation of apomorphine infusion in advanced Parkinson’s disease and effect on non motor symptoms compared to non-invasive strategies. Mov Disord 2009;24(Suppl 1):S360(Abstract We-261).

5. Fachinformation Apo-go® Pen 10 mg/ml Injektionslösung (Stand Februar 2010) und Apo-go® 5 mg/ml Infusionslösung in einer Fertigspritze (Stand Mai 2010).

Psychopharmakotherapie 2011; 18(03)