Bipolare Störung

Was wirkt besser: Lithium, Valproinsäure oder die Kombination aus beiden?


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei Patienten mit einer Bipolar-I-Störung, die langfristig therapiert werden müssen, wurden Rückfälle sowohl mit einer Kombination aus Lithium plus Valproinsäure als auch mit einer Lithium-Monotherapie besser verhindert als mit Valproinsäure allein. Ein Vorteil der Kombination gegenüber der Lithium-Monotherapie konnte in der BALANCE(Bipolar affective disorder: lithium/anticonvulsant evaluation)-Studie weder bestätigt noch widerlegt werden.

Bipolare Störungen vom Typ I sind charakterisiert durch einen Wechsel depressiver und manischer Phasen. Auf eine akute Episode kann zwar eine Periode der Remission folgen, doch die meisten Patienten erleiden Rückfälle oder erkranken chronisch.

Das Standardtherapeutikum für die Phasenprophylaxe bipolarer Störungen war für mehr als vier Jahrzehnte Lithium (z.B. Quilonum®): es reduziert das Risiko für Rückfälle und Suizide, doch nicht alle Patienten sprechen auf die Therapie an. Es hat eine geringe therapeutische Breite und kann Nebenwirkungen verursachen, die nicht von allen Patienten geduldet werden und zu einer schlechten Compliance führen können.

Aufgrund dieser Einschränkungen sind Alternativen für die Langzeitbehandlung bipolarer Störungen gesucht. Zunehmend werden Antiepileptika wie Valproinsäure (z.B. Ergenyl®) und Antipsychotika der zweiten Generation wie Olanzapin (Zyprexa®) eingesetzt. Bei Patienten, die nicht auf eine Monotherapie ansprechen, wird häufig eine Kombination verschiedener Wirkstoffe eingesetzt. Allerdings gibt es nur wenige Studien, in denen verschiedene Strategien der Phasenprophylaxe miteinander verglichen wurden.

Studienziel und -design

Ziel der BALANCE(Bipolar affective disorder: Lithium/anti-convulsant evaluation)-Studie war es, zu untersuchen, ob eine Kombination aus Lithium und Valproinsäure bei Patienten mit Bipolar-I-Störung für die Prävention von Rückfällen besser geeignet ist als die jeweiligen Monotherapien.

An der randomisierten, offenen, multizentrischen Studie nahmen 330 Patienten im Alter von mindestens 16 Jahren und einer bipolaren Störung vom Typ I teil.

Alle diese Patienten hatten in einer der eigentlichen Studie vorangehenden Phase von in der Regel vier bis acht Wochen die Einnahme von Lithiumcarbonat plus Valproinsäure (Natrium-Hydrogen-Divalproat) vertragen und eine geschätzte Compliance von mindestens 70%.

Nach dieser Phase wurden die Teilnehmer randomisiert einem von drei Studienarmen zugeteilt: Lithium (n=110), Valproinsäure (n=110) oder Lithium plus Valproinsäure (n=110), jeweils zunächst in der Dosis, die in der Vorphase erreicht worden war. Bei den Patienten der Monotherapiegruppen wurde der jeweils andere Arzneistoff über vier Wochen langsam abgesetzt. Ziel der Einnahme von Lithium war eine Serumkonzentration von 0,4–1,0 mmol/l. Patienten, die mit Valproinsäure behandelt wurden, erhielten mindestens 750 mg/Tag, Zieldosis war 1250 mg/Tag oder die höchste tolerierte Dosis. Patienten, die eine höhere Dosis von Valproinsäure einnahmen, konnten diese weiterführen; niedrigere Valproinsäure-Dosen waren erlaubt, wenn sie aus Gründen der Verträglichkeit erforderlich waren und die Patienten trotzdem eine Valproinsäure-Serumkonzentration von mindestens 50 mg/ml aufwiesen. Die Dosierungen der Studienmedikation konnten erhöht werden, wenn die Serumkonzentration unter den Mindestwert abfiel, oder verringert werden, wenn Nebenwirkungen auftraten. Die Patienten erhielten die Studienmedikation über einen Zeitraum von zwei Jahren oder bis zum Therapieversagen.

Studienteilnehmer und Prüfärzte waren über die jeweilige Gruppenzuteilung informiert. Alle Ereignisse, die im Verlauf der Studie auftraten, wurden durch ein Betreuungsteam beurteilt, das gegenüber der Behandlungsmethode verblindet war.

Primäres Studienziel war die Dauer bis zu einer Intervention (Veränderung der Medikation oder Hospitalisierung) aufgrund einer neu auftretenden Episode der Erkrankung.

Studienergebnis

Eine Intervention benötigten 54% (59/110) der Patienten unter Lithium plus Valproinsäure, 59% (65/110) unter Lithium und 69% (76/110) unter Valproinsäure. Im Mittel war eine Intervention unter Valproinsäure nach 7,1 Monaten nötig, unter Lithium nach 10,5 Monaten und unter der Kombination nach 15,5 Monaten (Abb. 1).

Abb. 1. Zeit bis zu einer neuen Intervention aufgrund einer neuen bipolaren Episode in der BALANCE-Studie(primärer Endpunkt)

Während der Unterschied zwischen der Kombinationstherapie und der Valproinsäure-Monotherapie statistisch signifikant war (p=0,0023), war der Unterschied zwischen der Kombination und der Lithium-Monotherapie nicht signifikant (p=0,27; Tab. 1). Der Unterschied zwischen Lithium und Valproinsäure war zwar signifikant (p=0,0472), aber nicht Gegenstand der Untersuchung. Unterschiede zwischen den Therapien in den beiden Komponenten des primären Endpunkts, einer Einweisung ins Krankenhaus oder einer Medikationsänderung, sowie in der Prävention depressiver beziehungsweise manischer Episoden sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tab. 1. Vergleich des Risikos für das Eintreten des primären Endpunkts (Intervention aufgrund einer neu auftretenden Episode) zwischen den drei Armen der BALANCE-Studie

Relatives Risiko

95%-Konfidenzintervall

p-Wert

Kombination* versus Valproinsäure

0,59

0,42–0,83

0,0023

Kombination* versus Lithium

0,82

0,58–1,17

0,27

Lithium versus Valproinsäure

0,71

0,51–1,00

0,0472

* Valproinsäure plus Lithium

Tab. 2. Vergleich der Wirksamkeit der drei Therapien der BALANCE-Studie: Häufigkeiten [n (%)] verschiedener Interventionen

Valproinsäure + Lithium (N=110)

Lithium
(N=110)

Valproinsäure (N=110)

Krankenhauseinweisung*

16 (15)

22 (20)

25 (23)

Medikationsänderung*

58 (53)

64 (58)

75 (68)

Intervention wegen manischer Episode#

30 (27)

40 (36)

49 (45)

Intervention wegen depressiver Episode#

39 (35)

35 (32)

50 (45)

* Teilkomponenten des kombinierten primären Endpunkts, # sekundäre Endpunkte

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 16 der randomisierten Patienten auf: sieben bei Patienten unter Valproinsäure, fünf in der Lithium-Gruppe und vier unter der Kombination. Ein möglicher Zusammenhang mit der Studienmedikation bestand bei einem schweren unerwünschten Ereignis, einem Fall von polyzystischen Ovarien in der Kombinations-Gruppe.

Fazit

Bei Patienten mit Bipolar-I-Störungen war die Kombination aus Lithium plus Valproinsäure der alleinigen Gabe von Valproinsäure in der Phasenprophylaxe überlegen. Der Unterschied zwischen der Kombination und der Lithium-Monotherapie war nicht signifikant. Beim Vergleich der beiden Monotherapien schnitt Lithium besser ab als Valproinsäure, insbesondere in der Prävention depressiver Episoden.

Eingeschränkt wird die Aussagekraft der vorliegenden Studie durch das Studiendesign: hier sind zum einen die bis zu acht Wochen dauernde „Testphase“ zu nennen, in der die Verträglichkeit von Lithium und Valproinsäure bei allen Probanden getestet wurde. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass möglichst wenige Patienten die Studie wegen Nebenwirkungen abbrechen. Dies spiegelt die klinische Realität nicht optimal wider und könnte zu einer Selektion bestimmter Probanden geführt haben. Zum anderen ist die unverblindete Vorgehensweise zu nennen, die ebenfalls zu Verzerrungen geführt haben könnte.

Die relativ lange Beobachtungszeit von zwei Jahren orientiert sich an derzeitigen Leitlinien, die Aussagekraft einer solchen Studie könnte jedoch durch noch längere Zeiträume gesteigert werden.

Quellen

The BALANCE investigators and collaborators. Lithium plus valproate combination therapy versus monotherapy for relapse prevention in bipolar I disorder (BALANCE): a randomised open-label trial: Lancet 2010;375:385–95.

Licht RW. A new balance in bipolar I disorder. Lancet 2010;375:350–2.

Basu D, Fountoulakis KN, Geddes J, et al. The BALANCE trial. Lancet 2010;375:1343–4.

Psychopharmakotherapie 2010; 17(06)