Antidementiva – Indikation und Anwendungsdauer


Martin Haupt, Düsseldorf

Die Behandlung der Demenzen erfordert einen Gesamtbehandlungsplan mit Pharmakotherapie, nichtmedikamentösen Interventionen und beratenden sowie psychoedukativen Elementen. Die hier behandelte Pharmakotherapie mit Antidementiva umfasst den nach Indikation erfolgenden Einsatz von Cholinesterasehemmern und NMDA-Antagonisten. Während die pharmakologischen Eigenschaften der einzusetzenden Substanzen, ihre Wirksamkeit und unerwünschten Wirkungen im Wesentlichen bekannt sind und sich auf eine belastbare Datenlage stützen können, sind Fragen und Probleme der Therapiedauer, des Wechsels zwischen den verfügbaren Substanzen oder des Abbruchs der antidementiven Behandlung evidenzbasiert nicht beantwortbar. Eine Hilfestellung im praktischen Behandlungsalltag bieten hierbei möglicherweise im Konsens entwickelte Expertenmeinungen, die einen Therapieabbruch an ausgewählte klinische Kriterien zu knüpfen versuchen. Insgesamt ist die antidementive Therapie der Alzheimer-Demenz symptomatisch und damit in ihrer Wirksamkeit bei dieser degenerativen Erkrankung begrenzt; gleichwohl bleibt sie überwiegend nebenwirkungsarm, in den pharmakologischen Interaktionen beherrschbar und wird nicht selten für den Kranken und seine Bezugsperson im therapeutischen Effekt spürbar.
Schlüsselwörter: Alzheimer-Demenz, Behandlung, pharmaonkologische Strategien, praktische Überlegungen
Psychopharmakotherapie 2010;17:14–9.

Ein Gesamtbehandlungsplan mit den Komponenten medikamentöser und nichtmedikamentöser Maßnahmen ist die wesentliche Voraussetzung für eine optimale Therapie der Demenzerkrankungen. Der erste Schritt einer Therapie besteht immer in der angemessenen Information und Aufklärung des Patienten und seiner Bezugspersonen. Hierbei müssen Aspekte der Krankheit, ihres Verlaufs und ihres Ausgangs zur Sprache kommen. Angesichts der Schwere des Leidens und der häufig ungünstigen Prognose muss die Aufklärung umfassend, aber auch sehr behutsam erfolgen.

In der Behandlung der Demenz ist zunächst die Therapie der Grunderkrankung bei den potenziell reversiblen Demenzprozessen zu nennen, sei es die Substitutionsbehandlung der Schilddrüsenunterfunktion oder die Shunt-Anlage bei kommunizierendem Hydrozephalus oder auch die Entlastung eines subduralen Hämatoms durch Trepanation und Ablassen des Blutes. Für den Erfolg dieser Verfahren sprechen zahlreiche Beschreibungen und Erfahrungsberichte in der Literatur. Die größte Datenlage steht für die Besserung der kognitiven Störungen mit den Symptomen der Gang-störung und der Harninkontinenz für die Shunt-Anlage beim kommunizierenden Hydrozephalus zur Verfügung.

Bei den insgesamt sehr häufigen vaskulären Veränderungen im Gehirn als Ursache von kognitiven Einbußen (vaskuläre Demenz) ist die internistische Therapie mit Behandlung der Herz-Kreislauf-Situation und der Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes Grundlage jedes Behandlungskonzepts.

Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die Therapie der Alzheimer-Demenz mit Antidementiva. Auf die antidementive Behandlung der Parkinson-Demenz und der Demenz bei Lewy-Körperchen wird im Beitrag von L. Drach eingegangen (siehe Seite 20 in diesem Heft).

Antidementive Behandlung: Indikation und Wirkstoffe

Die Indikation zur Behandlung sollte von einem in der Demenz-Diagnostik erfahrenen Arzt gestellt werden. Vor Verordnung sollte eine Ausgangseinstufung von kognitiven, globalen und Verhaltens- sowie ADL(„Activities of daily living“)-Funktionen erhoben werden. Grundsätzlich, so empfiehlt die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft [2], sollte die Behandlungsdauer 12 bis 24 Wochen betragen, bevor über die Wirkung eines Antidementivums abschließend befunden werden kann. In ähnliche Richtung geht auch die Empfehlung der Demenz-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [5] und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN, 2009).

Für die Behandlung der Alzheimer-Demenz sind derzeit folgende Substanzen auf dem Arzneimittelmarkt zugelassen:

die Cholinesterasehemmer Donepezil (Aricept®), Rivastigmin (Exelon®) und Galantamin (Reminyl®) für die leichte und mittelschwere Alzheimer-Demenz – in den Vereinigten Staaten ist nur Donepezil auch für die schwere Form der Alzheimer-Demenz zugelassen – sowie der NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat-)Antagonist Memantin (Axura®, Ebixa®) für die moderate und schwere Form der Krankheit.

Zudem liegt für Rivastigmin seit Anfang des Jahres 2006 auch eine Zulassung für die Behandlung der Parkinson-Demenz vor.

Cholinesterasehemmer

Die Wirkung der Cholinesterasehemmer beruht darauf, dass sie im Gehirn verhindern, dass der für die Gedächtnis- und Konzentrationsleistungen verantwortliche Überträgerstoff Acetycholin zu rasch durch das Enzym Cholinesterase abgebaut wird. Die drei genannten Substanzen wirken bei Erreichen der wirksamen Standarddosis bezogen auf die Stärke, die Dauer und die Wahrscheinlichkeit des Therapieeffekts relativ ähnlich (Tab. 1).

Tab. 1. Pharmakologische Eigenschaften und praktische Aspekte der Cholinesterasehemmer

Substanz

Donepezil

Galantamin

Rivastigmin

Chemie

Piperidin

Phenanthren

Carbamat

ChE-Hemmung

(Nicht-)kompetitiv

Kompetitiv

Pseudo-irreversibel

Wirkung an Rezeptoren

Noradrenalin und
Dopamin ↑

Allosterische Modulation am AChE-Rezeptor

Keine Interaktion

Bioverfügbarkeit

43%

85–100%

40%

Proteinbindung

93–96%

18–34%

40%

Metabolismus

CYP2D6 und 3A4

CYP2D6 und 3A4

ChE-Hydrolyse

Renale Elimination

17%

90–97%

>99%

Eliminationshalbwertszeit

70–80 h

6 h

0,6–2 h

Dosis bei Beginn

5 mg

8 mg

3 mg oral,
4,6 mg/24 h Pflaster

Zieldosis

10 mg

16–24 mg

12 mg

Darreichungsform

(Schmelz-)Tablette

Kapsel, Lösung

Tablette, Lösung, Pflaster

Zulassung

AD leicht und mittelschwer

AD leicht und mittelschwer

AD leicht und mittelschwer, PDD

(A)ChE=(Acetyl-)Cholinesterase; AD=Alzheimer-Demenz; PDD=Parkinson-Demenz; CYP=Cytochrom-P450-System

Im Wesentlichen darf der Patient von der Behandlung erwarten, dass sich im Verlauf von drei bis sechs Monaten im kognitiven Leistungsbereich eine Symptomstabilisierung oder eine geringe Verbesserung einstellt, die nach weiteren sechs Monaten wiederum auf den Ausgangswert zurückgegangen ist; im Bereich der Alltagsfertigkeiten (z.B. Waschen, An- und Auskleiden, Einkaufen, Aufrechterhaltung von Hobbies, Haushaltstätigkeiten) ist eine Stabilisierung der Leistungen bei Behandlungsbeginn für rund sechs Monate wahrscheinlich, während diese Fertigkeiten sich im Anschluss an diese Zeit meist langsam weiter verschlechtern. Im Bereich der Verhaltens- und Stimmungsauffälligkeiten (nichtkognitive Symptome) ist nach den vorliegenden klinischen Studienergebnissen für den Patienten davon auszugehen, dass leichtere Formen – insbesondere von Antriebslosigkeit, Desinteresse, Depressivität oder auch Halluzinationen – gebessert werden können; gleichwohl ist ein Cholinesterasehemmer bei schwerer Ausprägung nichtkognitiver Symptome kein adäquater Ersatz für ein Neuroleptikum oder ein Antidepressivum.

Bei nahezu einem Viertel der behandelten Alzheimer-Patienten kann unter dem Einsatz von Cholinesterasehemmern sogar eine Steigerung kognitiver Leistungen erwartet werden, die nach den Erfahrungen in der Praxis jedoch nur in Ausnahmefällen länger als ein bis zwei Jahre andauert. Einzelbeschreibungen dieser selteneren Fälle liegen mittlerweile vor, etwa die Stabilisierung der kognitiven und affektiven Funktionen bei einem Patienten mit Alzheimer-Krankheit über einen Zeitraum von 30 Monaten [14]. Hingegen ist nur bei einem kleinen Teil der Patienten trotz bestehender antidementiver Behandlung ein ungebremster Verlust an Fähigkeiten zu beobachten. Die drei Cholinesterasehemmer werden, wie Tabelle 1 zu entnehmen ist, in unterschiedlicher Dosierung und Dosissteigerung ärztlich verordnet. Für Donepezil sollte die Dosissteigerung von 5 mg auf 10 mg nach vier bis sechs Wochen Therapie erfolgen, für Galantamin von 8 mg auf 16 mg nach vier Wochen Therapie, gegebenenfalls mit einer weiteren Erhöhung auf 24 mg. Die Rivastigmin-Dosis sollte von 3 mg nach jeweils zwei Wochen Therapie in 3-mg-Schritten bis maximal 12 mg erhöht werden (Rivastigmin-Pflaster: zwei Dosisschritte von 4,6 mg/24 Stunden auf 9,5 mg/24 Stunden TTS [transdermales therapeutisches System]). Die sogenannte „NNT“ (Number needed to treat = Anzahl der Behandelten für einen positiven Therapieeffekt) liegt bei etwa 12 [17, 18] im Vergleich zu rund 50 für die Verhinderung eines größeren Ereignisses bei arterieller Hypertonie (Herzinfarkt, Schlaganfall, Tod) [19]. Dies bedeutet zum ersten, dass bei der Alzheimer-Demenz im Durchschnitt 12 Patienten behandelt werden müssen, um einen günstigen Therapieeffekt zu erreichen, und zum zweiten, dass der Therapieeffekt sehr viel häufiger erreicht wird als bei der Vermeidung eines Schlaganfalls in der Behandlung eines Bluthochdruckpatienten.

Neuere Studien belegen zudem, dass Cholinesterasehemmer im Behandlungsverlauf den Pflegeaufwand der Bezugspersonen reduzieren und den Zeitpunkt der Heimeinweisung hinauszögern können [8, 12, 21]. Bezugspersonen, die die Pflege und Versorgung von Alzheimerkranken in der häuslichen Umgebung übernommen haben, geben unter der Behandlung des Patienten mit Cholinesterasehemmern an, dass sie sich als Folge der Wirkung der Medikamente spürbar entlastet fühlen [15]. Vorhersagemöglichkeiten für einen medikamentösen Therapieerfolg vor Beginn der Behandlung stehen bisher nicht zur Verfügung; erste Untersuchungen sprechen für die Verbesserung des EEG-Rhythmus als positivem Indikator [1].

Kontrollierte „head-to-head“ Studien (Vergleich von Cholinesterasehemmern untereinander) mit großen Patientenzahlen liegen nicht vor. Im Vergleich der Änderungen in kognitiven Skalen, insbesondere ADAS-cog (Untertest Kognition der Alzheimer Disease Assessment Scale) zeigen sich für alle Substanzen dosisabhängige Effekte; zwischen den einzelnen Substanzen lassen sich aber keine entscheidenden Vorteile in Bezug auf die Wirksamkeit feststellen [24]. Gleichwohl hat der Wechsel von einem zunächst nicht wirksamen Cholinesterasehemmer auf einen anderen Hemmstoff dieser Gruppe durchaus Sinn, da sich trotz ähnlichen Wirkprinzips therapeutische Wirkungen nach dem Wechsel einstellen können [7, 11]. Die Auswahl des Medikaments richtet sich auch nach den möglichen Nebenwirkungen und den pharmakologischen Eigenschaften der Arzneistoffe. Von Vorteil kann im Einzelfall die Möglichkeit zur Einmalgabe (Donepezil, Galantamin) sein, die Zubereitung als Lösung (Galantamin, Rivastigmin), die Verfügbarkeit einer rasch resorbierbaren, bereits auf der Zunge zergehenden Schmelztablette (Donepezil), die Applikation als Pflaster einmal über 24 Stunden als transdermales Therapiesystem (TTS, Rivastigmin) oder die geringe nachteilige Interaktion mit anderen Medikamenten (Rivastigmin).

Unerwünschte Wirkungen. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und die Art von unerwünschten Wirkungen sind in der Bewertung der symptomatisch, nicht ursächlich wirkenden Cholinesterasehemmer wichtige Entscheidungshilfen für die Therapieplanung. Die wichtigsten Kontraindikationen für eine Therapie sind:

  • Sick-Sinus-Syndrom
  • Höhergradige kardiale Reizleitungsstörungen
  • Ausgeprägte obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD)
  • Floride Magen- oder Dünndarmulzera
  • Blasenentleerungsstörungen mit Neigung zum Harnverhalt
  • Zerebrale Anfälle

Bei einschleichender Dosierung haben alle Cholinesterasehemmer eine sehr gute Verträglichkeit. Gleichwohl treten mit weiter anwachsender Dosis cholinerg geleitete Nebenwirkungen auf. Eine Erhöhung der Mortalität in der Behandlung der Alzheimer-Demenz ergab sich für diese Substanzen in keiner entsprechenden klinischen Studie.

Die unerwünschten Wirkungen stellen im Wesentlichen Gruppeneffekte der Substanzen dar; alle drei Cholinesterasehemmer ähneln sich also im Nebenwirkungsprofil. In den durchgeführten klinischen Zulassungsstudien lag die Drop-out-Rate wegen unerwünschter Ereignisse zwischen 4% und 28%, bei den jeweiligen Plazebo-Gruppen zwischen 1% und 10% [15].

Cholinerg geleitete Nebenwirkungen beziehen sich auf folgende Bereiche:

  • Gastrointestinal
  • Gewichtsänderung
  • Kardial
  • Zentralnervös
  • Muskulär

Gastrointestinale Nebenwirkungen sind am häufigsten und umfassen Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen, Veränderung der Stuhlkonsistenz bis zur wässrigen Diarrhö, ferner Meteorismus. Zumeist gehen die weniger gravierenden Nebenwirkungen nach einigen Tagen spontan zurück; bei Diarrhö und Erbrechen sollte aber die eingesetzte Substanz nicht weiter verordnet werden. Rund 5% der Patienten mit einer andauernden Donepezil-Dosis von 10 mg und einer Galantamin-Dosis von 16 mg leiden unter leichteren gastroinestinalen Beschwerden, bei Rivastigmin sind es in den höheren Dosisgruppen von 9 bis 12 mg rund 15%; die Pflastergabe von Rivastigmin verspricht hier eine Reduktion der Häufigkeit [26]. Eine vorübergehende Dosisreduktion eignet sich häufig zur Verbesserung der gastrointestinalen Nebenwirkungen, zu einem späteren Zeitpunkt kann die Dosis dann oft nebenwirkungsfrei erhöht werden; nur in seltenen Fällen ist die adjuvante Gabe von Metoclopramid erforderlich.

Gewichtsabnahme und Anorexie betreffen vor allem ältere Frauen, die mit höheren Dosen behandelt werden.

Eine Reduktion der Herzfrequenz, im Sinne bradykarder Funktionsbeeinträchtigungen, kann vorkommen; sie liegt nach Erfahrungen aus der Praxis in einer Größenordnung von rund 5 Schlägen/Minute. Vereinzelt wird eine sinuatriale oder auch atrioventrikuläre Blockbildung verzeichnet. Diejenigen Patienten mit einer Alzheimer-Demenz, die zusätzlich unter AV-Block oder bradykarden Rhythmusstörungen leiden, sollten begleitend eine kritische kardiale Therapiekontrolle erhalten. Hierbei ist insbesondere auf die Abnahme der frühmorgendlichen Herzfrequenz zu achten, die mit einer 24-Stunden-EKG-Untersuchung bestimmt werden kann. In einer kürzlich vorgelegten repräsentativen Studie, die nahezu 20000 Alzheimerkranken rund 62000 gleichaltrige Kontrollen gegenüberstellte, wurde belegt, dass mit Cholinesterasehemmer behandelte Alzheimer-Patienten häufiger an synkopalen Zuständen litten und bei ihnen überzufällig häufig die Indikation zur Schrittmacherimplantation gestellt werden musste [13]. Folgeerkrankungen waren dementsprechend ebenfalls erhöht, etwa Hüftgelenksfrakturen und allgemein Krankenhauseinweisungen.

Seltener treten bei der Behandlung mit Cholinesterasehemmern zentralnervöse unerwünschte Wirkungen auf. Diese können sich als Schwindel, Müdigkeit, Hyposomnie und gegebenenfalls Unruhe, Verwirrtheit oder sehr selten mit zerebralen Anfällen äußern.

Das gelegentliche Auftreten von Trugwahrnehmungen beim Einschlafen oder Albträumen kann häufig allein mit der morgendlichen statt der abendlichen Gabe des Cholinesterasehemmers umgangen werden. Unerwünschte Wirkungen treten in diesen Fällen auch nicht kompensatorisch am Tag auf.

Muskelkrämpfe sind insgesamt selten unter diesen Substanzen. Häufig liegt die Ursache von bestehenden Muskelkrämpfen aber nicht in der Substanzgabe, sondern in allgemeinen Faktoren, wie etwa einer negativen Flüssigkeitsbilanz oder einer Elektrolytinstabilität.

Vor der Verordnung von Cholinesterasehemmern sind mögliche pharmakologische Wechselwirkungen zu beachten. Der Donepezil-Plasmaspiegel sinkt bei gleichzeitiger Gabe von Johanniskraut oder Carbamazepin und steigt bei Gabe von Paroxetin, Fluoxetin, Metoprolol oder auch einigen Antibiotika, wie beispielsweise Erythromycin. Die Galantamin-Plasmakonzentration steigt bei kombinierter Gabe von Paroxetin oder Fluoxetin. Da Rivastigmin nicht über das Cytochrom-P450-System metabolisiert wird, bestehen selten nachteilige Interaktionen.

In der Prüfung von Arzneistoffinteraktionen im Alter sollte auch beachtet werden, dass so häufig eingesetzte Substanzen wie Tolterodin (Indikation Blasenretentionsschwäche und Regulierung der Sphinkterfunktion) anticholinerg wirken und damit grundsätzlich kognitive Leistung negativ beeinflussen. Trospiumchlorid hingegen überwindet nicht die Blut-Hirn-Schranke und kann daher bei Dranginkontinenz Demenzkranker eher eingesetzt werden.

NMDA-Antagonisten

Der NMDA-Antagonist Memantin bewirkt in seinem Indikationsgebiet des mittelschweren und schweren Stadiums der Alzheimer-Demenz eine Stabilisierung der ausgeprägten kognitiven Einbußen und der Funktionsstörungen im täglichen Leben gegenüber der Plazebo-Gruppe [21].

Die pharmakologischen Eigenschaften des Amino-Adamantins Memantin sind: nonkompetitiver NMDA-Antagonismus, ferner eine antioxidative Wirkung, eine 100%ige Bioverfügbarkeit bei 42 bis 45% Plasma-Proteinbindung. Memantin unterliegt keinem hepatischen Metabolismus und wird nahezu vollständig renal ausgeschieden. Die Eliminations-Halbwertszeit beträgt 60 bis 100 Stunden. Memantin liegt in Tablettenform und als Lösung vor, die Dosis bei Therapiebeginn beträgt 10 mg, die Zieldosis 20 mg [9].

Memantin bewahrt den schwerkranken dementen Patienten nicht vor einer Symptomverschlechterung, daher ist es im Einzelfall schwer möglich, im fortschreitenden Symptomprofil den wirksamen Einfluss der Substanz zu erkennen. Als Arzt wird man sich bei der Beurteilung des Therapieerfolgs davon leiten lassen, wie rasch die Verschlechterung in der vor der Behandlung liegenden Krankheitsphase fortgeschritten ist. Auch gilt für die Bewertung des Behandlungseffekts, dass neben der Erhebung von standardisiert gewonnenen Daten auch Informationen von nahen Bezugspersonen einzubeziehen sind.

Unerwünschte Wirkungen. Die Häufigkeit von unerwünschten Wirkungen des NMDA-Antagonisten ist insgesamt relativ gering. Zu den auf dem 5%-Niveau liegenden Ereignissen zählen Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, aber auch Unruhezustände. Bei multimorbiden Patienten ist Memantin relativ gut verträglich.

Kontraindikationen umfassen mittelschwere bis schwere Niereninsuffizienz, frischer Myokardinfarkt und dekompensierte Herzinsuffizienz, ferner zerebrale Anfälle in der Anamnese.

Wechselwirkungen bei der Elimination sind für Memantin nicht zu erwarten.

Kombination von Cholinesterasehemmern mit Memantin

Die kombinierte Anwendung von Cholinesterasehemmern und Memantin ist pharmakologisch sinnvoll. Nach einer ersten 6-monatigen klinischen Studie bei mittelschwer bis schwer dementen Alzheimer-Patienten konnte der Therapieeffekt einer alleinigen Cholinesterase-Hemmstoff-Behandlung durch die kombinierte Gabe mit Memantin signifikant verstärkt werden [25]. In einer anderen randomisierten klinischen Studie mit leicht- bis mittelgradig dementen Patienten zeigten sich unter dem Zusatz von Memantin jedoch keine Verbesserungen bei den mit einem Cholinesterasehemmer behandelten Kranken [20]. In einer neu publizierten klinisch kontrollierten, dreiarmigen Langzeitstudie über knapp zwei Jahre medikamentösen Therapieverlaufs mit 386 Alzheimer-Patienten war die kombinierte Medikation (Cholinesterasehemmer plus Memantin) der alleinigen Gabe von Cholinesterasehemmern und einer Standardtherapie ohne beide Substanzgruppen überlegen. Gleichwohl zeigten sich im Verlauf moderate günstige Behandlungseffekte [3].

Andere Substanzen

Weitere verfügbare Antidementiva, wie Ginkgo biloba, Dihydroergocriptin, Nicergolin, Nimodipin, Piracetam oder Pyritinol, können nach der aktuellen Datenlage und nach metaanalytischer Bewertung durch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft [2] nicht als Medikamente der ersten Wahl für Alzheimer-Patienten empfohlen werden. Wenn sie auch in Einzelfällen positive Symptombeeinflussungen bewirken können, so sind sie den Cholinesterasehemmern und Memantin doch in Bezug auf Wahrscheinlichkeit, Stärke und Dauer des Therapieeffekts wesentlich unterlegen. Bei den meisten dieser sogenannten Nootropika ist nach wie vor der genaue Wirkungsmechanismus nicht bekannt, beruht aber nach den Annahmen auf einer Optimierung noch vorhandener neuronaler Strukturen, die durch Alterungs- und Krankheitsvorgänge funktionell beeinträchtigt sind [10].

Therapiemanagement

Grundsätzlich richtet sich die Anwendungsdauer für Antidementiva nach der Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit im Verlauf [4].

Das Erfordernis zur Therapieüberprüfung ergibt sich stets bei hinzugekommenen relativen oder absoluten Kontraindikationen der Demenztherapie (z. B. Bradykardie, gastrointestinale Ulzera). Eine schlagartige oder sehr rasche Verschlechterung, die Anlass zu erneuter Diagnostik geben sollte, kann auf einer bei älteren Menschen häufig zu beobachtenden Exsikkose beruhen, aber beispielsweise auch auf dem Auftreten eines interkurrenten Infekts (z.B. Harnblasen- oder Harnwegsentzündung) oder einer Tumorerkrankung. Eine regelmäßige, 3- bis 6-monatliche Verlaufskontrolle sollte nach Festlegung auf die verträgliche höchstmögliche Dosis erfolgen.

Grundsätzlich ist für eine zuverlässige Therapiekontrolle mehrdimensional vorzugehen. Nicht allein psychometrische Testverfahren sichern mit den im Verlauf gewonnenen Punktwerten eine angemessene Einschätzung des Symptomfortschreitens. Vielmehr ergibt erst die zusätzliche Berücksichtigung des Gesamteindrucks des Patienten durch den Arzt, die eingehende Befragung der Bezugsperson über die im Alltag aufgetretenen Veränderungen und eine gezielte Bewertung der Bewältigung von Alltagsanforderungen die Grundlage für eine zutreffende ärztliche Entscheidung für oder gegen die Fortsetzung der antidementiven Therapie.

Dieses Vorgehen unter Therapiebedingungen ist unabhängig vom Schweregrad der Demenz nach den praktischen Erfahrungen in der Verlaufsbehandlung von Alzheimer-Patienten zu wählen. Evidenzbasierte Kriterien für die Unterbrechung, einen Substanzwechsel oder den Abbruch der antidementiven Behandlung liegen nicht vor. Aufkommende Problemstellungen für den Therapieverlauf müssen daher nach sorgfältig abgewogenen praktisch klinischen Überlegungen gelöst werden. Aus vorliegenden Studien ist bekannt, dass Cholinesterasehemmer bei nahezu zwei Drittel der behandelten Alzheimer-Patienten über den Verlauf eines Jahres verordnet werden, aber nur 42% der Ausgangsverordnungen noch nach zwei Jahren bestehen [16]. Es ist nicht systematisch untersucht, ob die angestrebte Zieldosis des Antidementivums in der überwiegenden Zahl der Verordnungsfälle erreicht wird oder nicht vielmehr niedrige Dosisbereiche ohne Aufdosierung unverändert verordnet bleiben.

Die Frage nach dem Zeitpunkt für einen in Betracht kommenden Abbruch oder eine Unterbrechung der antidementiven Behandlung ist nicht leicht zu beantworten. Die evidenzbasierte Medizin vermag für die Einzelfallentscheidung in der täglichen Behandlungspraxis nur eine Hilfe, nicht aber eine Leitlinie zu sein [22]. Für die Behandlung mit Cholinesterasehemmern gilt, dass stets dann auf ein anderes Präparat zu wechseln ist, wenn nach Therapiebeginn im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten die Demenz auch noch nach einem halben bis einem Jahr in gleicher Weise fortschreitend verläuft. Weniger leicht ist die Entscheidung zum Abbruch, wenn die Gesamtsymptomatik nach einer Phase der Funktionsstabilisierung allmählich in eine kontinuierliche Symptomverschlechterung übergeht. Hier wird sich die Einzelfallentscheidung auf die Ergebnisse der Befragung der Bezugspersonen, das Störungsprofil der Alltagsfertigkeiten, den möglichen Einfluss interkurrenter Erkrankungen und die Punktwertabnahme in den Demenztests stützen müssen [22]. Zudem muss bei der Entscheidung für einen Therapieabbruch berücksichtigt werden, dass bei rund einem Drittel der mit Cholinesterasehemmern behandelten Alzheimer-Patienten die Medikation nach dem Entschluss, sie abzusetzen, wegen aufgetretener deutlicher kognitiver Verschlechterung wieder aufgenommen werden musste [16]. Die in der Arbeit von Riepe et al. [22] vorgetragene Konsensmeinung eines Expertenkreises rückt in der Therapieverlaufskontrolle mit Antidementiva die Überlegung in den Mittelpunkt, dass ein Abbruch einer Behandlung an bestimmte Erhebungskriterien geknüpft sein müsse. Hierzu zählen nach diesem Vorschlag eine deutlich progrediente Symptomentwicklung in den kognitiven Funktionen, äquivalent mit einem Punkteverlust von mindestens 6 MMST-(Mini-Mental-Status-Test-)Punkten über 6 Monate, ferner eine durchweg ungünstige Beantwortung von Kernfragen an den Patienten und seine Bezugsperson über das allgemeine Leistungsvermögen, die Alltagsfähigkeiten und die Verhaltensprobleme [22]. Für den in den mittelschweren bis schweren Abschnitten der Krankheit zugelassenen NMDA-Antagonisten Memantin gelten diese Überlegungen gleichermaßen, allerdings ist in fortgeschrittenen Stadien der möglicherweise noch einwirkende Effekt des Antidementivums schwerer abschätzbar. Man wird sich hier bei fraglicher Wirksamkeit vielleicht mit einem ein- bis zweiwöchigen Auslassversuch zur Überprüfung der Wirksamkeit helfen müssen. Gleichwohl gibt es zu diesem Vorgehen auch Gegenstimmen, die das Risiko einer möglicherweise nicht mehr ausgleichbaren Verschlechterung nach Absetzen der antidementiven Therapie herausstellen. In jedem Fall ist ein Therapieerfolg immer dann gegeben, wenn eine vorübergehende Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Patienten zu verzeichnen ist, aber auch, wenn eine Konsolidierung des Funktionsniveaus oder eine Verlangsamung der Symptomverschlechterung im Vergleich zum davor beobachteten Verlauf erkennbar ist.

Unabhängig von der Betrachtung der Bedingungen des Einzelfalls und des Kenntnisstands zur Wirksamkeit der zur Verfügung stehenden Antidementiva sollten die Berichte vieler Angehöriger und professionell Pflegender von Demenzkranken über ihre positiven Erfahrungen mit diesen Substanzen den Arzt ermutigen, einen Patienten mit Alzheimer-Krankheit mit den zugelassenen Medikamenten zu behandeln, selbst wenn der Effekt begrenzt oder nicht von langer Dauer sein sollte.

Literatur

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Priv.-Doz. Dr. Martin Haupt, Praxisschwerpunkt Hirnleistungsstörungen im Neuro-Centrum Düsseldorf, Lehrpraxis der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Hohenzollernstraße 1–5, 40211 Düsseldorf, E-Mail: m.haupt@alzheimer-praxis-duesseldorf.de

Antidementia drugs – indication and duration of treatment

Treatment strategies in dementia have to be embedded in a multimodal array of interventional therapies. The present article focuses on the treatment with antidementia drugs, i. e. cholinesterase inhibitors and memantine. Their pharmacological properties, their efficacy and adverse events are mostly known and based on valid research data. Problems with respect to duration of treatment, necessity of changing substances, and discontinuation of treatment may not be solved on evidence-based criteria. Some consensus work, however, has been done to give advice in these therapeutic dilemmata during the course of long-term treatment in practice and is elaborated upon in the present article. In a nutshell, antidementia treatment in Alzheimer disease today is symptomatic and, hence, limited in efficacy. Adverse events, how-ever, are predominantly mild and manageable, pharmacological interactions mostly detectable, and treatment effects quite often obvious and recognizable by patients and relatives.

Key words: Alzheimer disease, treatment, pharmacological strategies, practical considerations

Psychopharmakotherapie 2010; 17(01)