Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Die Pharmakotherapie ist eine Standardoption in der Behandlung von Patienten mit Schizophrenie. Etabliert haben sich in der Akut- und Langzeitbehandlung klassische Neuroleptika und Atypika. Die langwirksamen Neuroleptika-Depot-Injektionen wurden zur Verbesserung der Therapieadhärenz entwickelt und traditionell eher bei sehr schlechter Compliance und bereits länger bestehender und schwerer Erkrankung verordnet.
Mangelnde Therapieadhärenz ist bei Schizophrenie-Patienten aber eher die Regel als die Ausnahme. Nur etwa 30 % der Patienten sind voll compliant, das heißt, sie nehmen 80 % der vorgesehenen Medikamente ein. Jeder Fünfte bricht die Behandlung komplett ab und jeder zweite Patient ist nur partiell compliant, das heißt, 20 bis 80 % der vorgesehen Einzeldosen werden nicht genommen. Die Ursachen für Non-Compliance und partielle Compliance sind vielschichtig. Meist entwickelt sich auch unter der Behandlung kaum Einsicht in die Notwendigkeit der Medikationen, es mangelt an Unterstützung im Alltag und Arztkontakte finden meist nur einmal im Quartal statt.
Behandlungsabbrüche erhöhten die Rezidivrate erheblich, und wiederholte Rezidive dauern oft länger und sind durch schwerere Symptome gekennzeichnet.
In der Pharmakotherapie der Schizophrenie hat deshalb ein Umdenken begonnen: Die Depot-Antipsychotika werden heute nicht mehr nur bei fortgeschrittener Erkrankung, sondern auch als Mittel der Wahl bei Erstdiagnosen eingesetzt. Denn für den Langzeitverlauf ist die Krankheitsstabilisierung gerade in den ersten Phasen der Schizophrenie entscheidend.
Eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit des Depot-Atypikums Risperdal® CONSTA® bei ersterkrankten Patienten wurde in einer offenen einarmigen Pilotstudie mit 50 Patienten im Alter zwischen 15 und 43 Jahren nachgewiesen. Die Patienten erhielten in zweiwöchigen Abständen 25 bis 50 mg langwirksames Risperidon über eine Beobachtungsdauer von zwei Jahren. Von den 39 (78%) der Patienten mit einem klinischen Ansprechen erlitten vier einen Rückfall, 32 (64%) Patienten konnten unter dem Depot-Neuroleptikum in Remission gehalten werden, die Lebensqualität verbesserte sich. Die Verträglichkeit war gut. 10 Patienten benötigten zur Linderung extrapyramidaler Störungen eine anticholinerge Medikation, ein Patient entwickelte eine persistierende Dyskinesie. Die Prolactin-Spiegel erhöhten sich bei 18 Patienten, bei vier wurden entsprechende klinische Effekte (Amenorrhö, Galaktorrhö) registriert. Eine Gewichtszunahme in den ersten zwölf Monaten war häufig.
Metakognitives Training steigert Adhärenz
Zur Sicherstellung einer möglichst hohen Therapieadhärenz stehen ineinandergreifende Interventionen zur Verfügung: Hervorheben des therapeutischen Bündnisses unter deutlicher Einbeziehung der Medikation, Erkennen negativer Überzeugungen wie „Medikamente machen abhängig“, Erkennen der Faktoren, die zur Non-Compliance führen, Einsatz verhaltensmedizinischer Techniken zur Erinnerung an die Medikamenteneinnahme oder einfacher Applikationsmodus in Form beispielsweise von Depot-Neuroleptika, gegebenenfalls bereits in der Frühphase. Wichtig wäre auch eine vermehrte Nutzung des Pflegedienstes.
Spezielle Maßnahmen zur Verbesserung der Adhärenz sind unter anderem die Psychoedukation und – als neu entwickeltes Instrument – das metakognitive Training (MKT), das unter Leitung von Prof. Moritz, Hamburg, entwickelt wurde. Ziel des metakognitiven Trainings ist, das Bewusstsein für eine Reihe Schizophrenie-typischer Denkverzerrungen bei den Betroffenen zu schärfen. In acht Trainingseinheiten werden die Patienten auf humorvolle Art angeleitet, ihr bisheriges Problemlösungsverhalten kritisch zu hinterfragen, zu verändern und die Inhalte des Trainings im Alltag umzusetzen. Vor allem das Ziehen voreiliger Schlüsse, das Beharren auf Fehlurteilen, eine selektive und häufig eingeengte Abstraktion und negative Denkinhalte als krankheitstypische Denkmuster werden den Schizophrenie-Patienten verdeutlicht und positive Lösungsansätze als „Aha-Erlebnisse“ vermittelt. Das metakognitive Training ist interaktiv, für die meisten Schizophrenie-Patienten geeignet und wird als Gruppentherapie angeboten.
In einer Reihe von kleineren Studien wurden Machbarkeit, Sicherheit und Effektivität des MKT dokumentiert. Nach bisherigen Befunden vermindern sich vor allem die Wahnideen im Vergleich zu einem konventionellen kognitiven Trainingsprogramm. Eine Adaptation für Patienten mit Depressionen und Zwangsstörungen ist geplant, im nächsten Jahr wird ein Individualtraining unter der Bezeichnung MKT+ angeboten werden.
Auch die Implementierung in den Klinikalltag ist gelungen, zum Beispiel in der Klinik Marienheide. Hier wird vor allem Pflegepersonal mit den Inhalten und Zielen des MKT vertraut gemacht. Die Pflegekräfte sind dadurch auch in der Lage, eine gute und tragfähige Beziehung zu den Patienten aufzubauen. Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit nehmen zu, der Verbrauch an Akutmedikamenten sinkt und die Adhärenz der Patienten zu den Therapieangeboten wird deutlich besser.
Die verschiedenen Module des metakognitiven Trainings sind auf der Website der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (www.uke.de/kliniken/psychiatrie/) zugänglich.
Quellen
Priv.-Doz. Dr. Martin Lambert, Hamburg, Prof. Dr. Steffen Moritz, Hamburg, Priv.-Doz. Dr. Karsten Wolf, Marienheide, Pressegespräch „Metakognitives Training und Risperdal® CONSTA® – Zwei effektive Bausteine zur Förderung der Adhärenz in der Langzeitbehandlung schizophrener Patienten”, Hamburg, 24. September 2009, veranstaltet von Janssen-Cilag.
Emsley R, et al. Long-acting injectable risperidone in the treatment of subjects with recent-onset psychosis. J Clin Psychopharmacol 2008;28:210–3.
Lambert M, Naber D. Pharmakotherapie der Schizophrenie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2009.
Psychopharmakotherapie 2009; 16(06)