Parkinson-Therapie

Neue Symptome und Diagnosen erzwingen immer wieder eine Überprüfung


Dr. Alexander Kretzschmar, München

Der Blickwinkel in der Parkinson-Therapie hat sich heute nicht nur im Hinblick auf eine möglichst frühe Behandlung erweitert. Auch motorische Fluktuationen stellen sich in der Praxis oft als therapeutisch weitaus komplexer dar. Dies wurde beim 4. Parkinson-Kolloquium der Firmen Lundbeck und Teva diskutiert.

Den klassischen „Honeymoon“, also das rasche Verschwinden deutlicher Symptome nach Beginn der Therapie, sieht man heute in der Behandlung von Parkinson-Kranken immer seltener, so Prof. Wolfgang Jost, Wiesbaden. Denn die Therapie setzt heute meist bereits in einer Phase ein, in der die Symptome noch nicht sehr stark ausgeprägt sind. Zu ausgeprägten motorischen Störungen kommt es erst in den fortgeschrittenen Krankheitsstadien.

Viele Parkinson-Kranke leiden beim Auftreten der ersten motorischen Fluktuationen im Off-Stadium auch unter einer zunehmenden Bradyphrenie, die oft unbehandelt bleibt. Die Patienten wirken dabei mental „weniger vital“ und generell verlangsamt. Dies wird von den Patienten oft selbst zuerst nicht bemerkt oder bagatellisiert.

Spätestens in diesem Stadium wird die Pharmakotherapie oft sehr komplex. Bei Patienten, die trotzdem unzureichend eingestellt sind, muss man oft zunächst „die Symptome und Diagnosen sortieren“, um die Medikation zu optimieren, meinte Dr. Reinhard Ehret, Berlin. Dabei muss man manchmal hartnäckig nachfragen, weil die Patienten einige Symptome, beispielsweise Schmerzen im Knie als reine orthopädische Probleme ansehen und nicht auf die Parkinson-Erkrankung zurückführen. Auch End-of-Dose-Dyskinesien oder Early-Morning-Dyskinesien werden oft übersehen, weil die Patienten von selbst nicht darüber sprechen.

„Medikamentöses Feintuning“ erfolgreich

Ehret stellte mehrere Fälle vor, bei denen er bereits mit einem kleinen „medikamentösen Feintuning“ eine deutliche Besserung der Fluktuationen und des Allgemeinzustands erzielte. Dabei wurde Selegilin durch Rasagilin 1 mg/Tag ersetzt; Levodopa und Non-Ergot-Dopaminagonisten blieben unverändert. Ehret orientierte sich dabei an den Daten mehrerer kontrollierter Studien (TEMPO, LARGO, PRESTO, ADAGIO), in denen für Rasagilin eine signifikante Verbesserung der Motorik gezeigt wurde [1–4].

Eine eindeutige Erklärung, warum der bloße Austausch des älteren MAO-B-Hemmers durch ein Medikament der neuesten Generation diese Verbesserung herbeiführte, gibt es noch nicht, gaben Ehret und Jost zu. Direkte klinische Vergleichsstudien zwischen Rasagilin und Selegilin liegen nicht vor. In tierexperimentellen Vergleichen wurde jedoch für Rasagilin eine stärkere MAO-B-Hemmung gemessen [5]. Darüber hinaus wird eine MAO-B-unabhängige positive Wirkung auf die motorische Aktivität durch Aminoindan als dem aktiven Metaboliten von Rasagilin diskutiert [6]. Dies könnte über eine selektive Freisetzung von Dopamin im Striatum geschehen [7].

Über diese symptomatischen Effekte hinaus wurden für Rasagilin auch erstmals in der Plazebo-kontrollierten ADAGIO-Studie Belege für eine krankheitsmodifizierende Wirkung von Rasagilin gefunden, ergänzte Jost. Dabei zeigte sich eine Verlangsamung der Krankheitsprogression bei frühem Behandlungsbeginn. Dieser Ansatz wird inzwischen weiter untersucht, so mit dem Dopaminagonisten Pramipexol in der laufenden PROUD-Studie (Assessment of potential impact of pramipexole on underlying disease).

Quelle

4. Parkinson-Kolloquium „Was kommt nach dem Honeymoon? – Erfolgsfaktoren der weiteren Parkinsontherapie“, Hamburg, 8. Juli 2009, veranstaltet von Lundbeck GmbH und TEVA Pharma.

Literatur

1. The Parkinson Study Group. A randomized placebo-controlled trial of rasagiline in levodopa-treated patients with Parkinson disease and motor fluctuations: the PRESTO study. Arch Neurol 2005;62:241–8.

2. Rascol O, et al. Rasagiline as an adjunct to levodopa in patients with Parkinson’s disease and motor fluctuations (LARGO, Lasting effect in adjunct therapy with rasagiline given once daily, study): a randomised, double-blind, parallel-group trial. Lancet 2005;365:947–54.

3. Olanow CW, et al. A randomized, double-blind, placebo-controlled, delayed start study to assess rasagiline as a disease modifying therapy in Parkinson’s disease (the ADAGIO study): rationale, design and baseline characteristics. Mov Disord 2008;23:2194–2201.

4. Rascol O, Olanow CW for the ADAGIO-Investigators. LBN 105; EFNS, Madrid 2008. Eur J Neurol 2008;15(Suppl 3):413.

5. Youdim MB, et al. The anti-Parkinson drug rasagiline and its cholinesterase inhibitor derivatives exert neuroprotection unrelated to MAO inhibition in cell culture and in vivo. Ann N Y Acad Sci 2001;939:450–8.

6. Speiser Z, et al. Effects of N-propargyl-1-(R)aminoindan (rasagiline) in models of motor and cognition disorders. J Neural Transm Suppl 1998;52:287–300.

7. Hallett PJ, et al. Striatal delta opioid receptor binding in experimental models of Parkinson‘s disease and dyskinesia. Mov Disord 2007;22:28–40.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(06)