Schizophrenie im Jugendalter

Günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Risperidon


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

In einer 8-wöchigen Doppelblindstudie wurden jugendliche Schizophrenie-Patienten mit Risperidon im Dosisbereich von 1,5 bis 6,0 mg/Tag oder 0,15 bis 0,6 mg/Tag behandelt. Der Gesamtscore der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) besserte sich unter den höheren Dosen signifikant stärker (p<0,001) als unter den niedrigen Dosen. Nur 4% der Patienten unter 1,5 bis 6,0 mg/Tag beendeten die Studie vorzeitig wegen unerwünschter Ereignisse.

Schizophrenie-Studien mit Kindern und Jugendlichen sind selten und die Zahl der teilnehmenden Patienten ist meist niedrig. Oft handelt es sich um Fall-Studien, offene kleine Pilotstudien oder Einzelfallberichte. Daten aus Doppelblindstudien stehen nicht zur Verfügung.

Die Autoren der vorliegenden Studie haben das Verdienst, erstmals Wirksamkeits- und Verträglichkeitsdaten in einer Doppelblindstudie bei einer größeren Zahl jugendlicher Patienten erhoben zu haben. Die Studie wurde von April 2001 bis März 2006 in 41 Zentren in Europa und den USA durchgeführt.

Studiendesign

Das primäre Studienziel war der Vergleich der Wirksamkeit und Verträglichkeit zweier Dosisbereiche von Risperidon (1,5–6 mg/Tag=Behandlung A, sowie 0,15–0,6 mg/Tag=Behandlung B) bei Jugendlichen mit einer Schizophrenie über einen Zeitraum von 8 Wochen.

Der höhere Dosisbereich umfasste Dosen, die sich bei Erwachsenen als wirksam erwiesen hatten, während der niedrigere Bereich als Kontrolle diente. Es wurde angenommen und den Patienten so mitgeteilt, dass die niedrigen Dosen unwirksam sein könnten. Begleitend zur medikamentösen Therapie erhielten die Patienten eine Psychotherapie und Psychoedukation. In die beiden Behandlungsarme wurden insgesamt 257 Patienten eingeschlossen (Behandlung A, n=125; Behandlung B, n=132).

Die Studie bestand aus einer Screeningphase von wenigstens 7 Tagen, innerhalb derer nicht erlaubte Substanzen abgesetzt wurden. Daran schloss sich eine 8-wöchige Doppelblindphase an. Klinische Beurteilungen wurden bei Einschluss und an den Tagen 7, 14, 28, 42 und 56 vorgenommen.

Die Studienmedikation wurde als Lösung einmal täglich oder zweimal täglich als geteilte Dosis eingenommen. Die Startdosis in der Behandlung A betrug 0,5 mg/Tag bei Patienten mit einem Körpergewicht ≥50 kg und 0,01 mg/kg/Tag bei einem Gewicht <50 kg. In der Behandlung B lagen die Startdosen um das 10-fache niedriger. Die Dosen wurden schrittweise innerhalb von 12 Tagen auf die höchste verträgliche Dosis erhöht.

Patienten

Eingeschlossen wurden jugendliche Patienten im Alter von 13 bis 17 Jahren mit der DSM-IV-Diagnose einer Schizophrenie, die wegen einer akuten Episode (PANSS-Score zwischen 60 und 120) zur stationären Behandlung kamen. Die Patienten blieben zunächst in stationärer Behandlung und konnten zur ambulanten Behandlung entlassen werden, wenn sie sich ausreichend stabilisiert hatten.

Ausgeschlossen blieben unter anderen Patienten mit einem bedeutenden Suizidrisiko und Risiko zu gewalttätigem Verhalten, mit einem malignen neuroleptischen Syndrom in der Vergangenheit, mit bekannten oder vermuteten Krampfanfällen sowie stark unter- oder übergewichtige Patienten.

Wirksamkeitskontrolle

Primäre Wirksamkeitskontrolle war die Änderung des mittleren PANSS-Scores vom Einschluss bis zum Endpunkt.

Sekundäre Kontrollen waren unter anderen:

  • Änderung im PANSS-Gesamtscore vom Einschluss bis zu den Tagen 7, 14, 28 und 42
  • Änderung der PANSS-Faktor-Scores vom Einschluss bis zum Endpunkt
  • Anteil der Patienten mit klinischem Response (wenigstens 20%ige Abnahme des Einschluss-Scores, sobald erreicht: bei jeder Visite und am Endpunkt)
  • Änderung im klinischen Gesamteindruck (Teile Schweregrad der Erkrankung [CGI-S] und Verbesserung [CGI-I])

Ergebnisse

Von den eingeschlossenen Patienten vollendeten unter Behandlung A 90 Patienten (72%) und unter Behandlung B 82 Patienten (62%) die Studie regulär nach 8 Wochen. Die mediane Risperidon-Dosis war 4,0 mg/Tag in Gruppe A und 0,40 mg/Tag in Gruppe B.

Der PANSS-Score verbesserte sich vom Einschluss bis zum Endpunkt in der Behandlungsgruppe A mit –23,6 Punkte signifikant (p<0,001) im Vergleich mit dem in der Gruppe B (–12,5 Punkte). Der Unterschied wird von den Autoren auch als klinisch signifikant beurteilt. Der signifikante Unterschied zeigte sich vom Zeitpunkt der ersten Beurteilung nach 7 Tagen durchgehend bis zum Endpunkt (Abb. 1).

Abb. 1. Abnahme des mittleren PANSS-Scores über die gesamte Behandlungszeit vom Einschluss bis zum Endpunkt (Mittelwerte ± Standardabweichung; LOCF-Analyse; ** p < 0,01; *** p < 0,001 vs. niedrige Risperidon-Dosis)

Ein signifikanter Unterschied bestand sowohl bei den Positivsymptomen als auch bei den Negativsymptomen.

Auch in den Verbesserungen der CGI-S- und CGI-I-Scores war die Behandlung A der Behandlung B signifikant überlegen (p jeweils <0,001). Der Anteil der Responder am Endpunkt war unter der Behandlung A 73% und unter der Behandlung B 50% (p<0,001).

Verträglichkeit

Wegen Unverträglichkeit beendeten insgesamt 11 Patienten die Studie vorzeitig, davon 5 (4%) unter Behandlung A und 6 (5%) unter Behandlung B.

Ein ernsthaftes unerwünschtes Ereignis (meist Verschlechterung psychiatrischer Symptome) trat bei 4% (A) bzw. 3% (B) der Patienten auf.

Unter Behandlung A wurden bei 74,4% und unter Behandlung B bei 65,2% der Patienten Nebenwirkungen berichtet. Wegen unerwünschter Ereignisse musste bei 19% (Behandlung A) bzw. bei 6% der Patienten (Behandlung B) die Dosis angepasst werden.

Extrapyramidal-motorische Symptome wurden in Behandlungsgruppe A (n=41; 33%) häufiger registriert als in der Behandlungsgruppe B (n = 13; 10%). Am häufigsten waren Muskelhypertonie, Tremor und Hyperkinesie.

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Erhöhung des Prolactinspiegels (97% vs. 64% der Patienten) und Gewichtszunahme (82% vs. 70% der Patienten); Letztere wurde zum Teil auf das normale Wachstum zurückgeführt.

Die Autoren gelangten zur Auffassung, dass die Behandlung mit 1,5 bis 6,0 mgTag Risperidon bei den Patienten zu deutlichen Verbesserungen der spezifischen Symptome und der allgemeinen Funktion bei akzeptablem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil geführt hat.

Kommentar

Angesichts der schwierigen Aufgabenstellung ist den Autoren eine qualitativ gute Studie gelungen:

  • Es wurde eine zufriedenstellend große Zahl von Patienten eingeschlossen.
  • Der Vergleich der Behandlung im gewählten Dosisbereich mit einer äußerst niedrig dosierten Behandlung hat (nahezu) die Qualität eines Plazebo-Vergleichs.
  • Die gezeigten Behandlungseffekte waren klar und verleihen der Studie zusätzliches Gewicht.

Die Autoren haben daher bei den zurzeit noch begrenzten Behandlungsoptionen in dieser Untersuchung solide Daten zur Psychopharmakotherapie bei jugendlichen Schizophreniepatienten erhoben.

Quelle

Haas M, et al. Efficacy, safety and tolerability of two risperidone dosing regimens in adolescent schizophrenia: double-blind study. Br J Psychiatry 2009;194:158–64.

Psychopharmakotherapie 2009; 16(06)